Siemens: Griechischer Manager verhaftet:Endstation Rosenheim

Deutsche Ermittler haben den ehemaligen Griechenland-Chef von Siemens geschnappt. Sein Verteidiger fürchtet nun um das Leben des Managers - und will eine Auslieferung um jeden Preis verhindern.

Klaus Ott

Mehrere Wochen lang war es Michael Christoforakos gelungen, seinen Verfolgern zu entkommen. In München und Umgebung soll der frühere Chef von Siemens Hellas, des griechischen Ablegers der Siemens AG, abgetaucht gewesen sein. Eine Spur führte auch nach Salzburg. Am Mittwoch war das Versteckspiel vorbei. In der Nähe von Rosenheim nahm ein Sondereinsatzkommando der Polizei den Geschäftsmann fest, der in seiner Heimat einst beste Kontakte in höchste Kreise gepflegt hatte, bis in die Regierung hinein.

Siemens, Schmiergeld, AP

Ein weiterer Spitzenmanager des gebeutelten Unternehmens muss sich vor Gericht verantworten.

(Foto: Foto: AP)

Inzwischen ist der bärtige Manager in Griechenland die Schlüsselfigur in einer Affäre, die dort ein politisches Erdbeben auslösen könnte. Er weiß angeblich am besten, welche Abgeordneten oder gar Minister Siemens Hellas einst geschmiert haben soll. Eigene Ermittlungen der Siemens AG legen sogar den Verdacht nahe, Christoforakos habe in seiner Heimat Wahlen manipulieren wollen. Ziel sei es gewesen, Politiker ins Parlament zu bringen, die Siemens Hellas gewogen seien.

Angst vor einem Anschlag

Während sich in Deutschland die Aufregung um den Korruptionsskandal bei Siemens weitgehend gelegt hat, beginnt die Affäre in Griechenland jetzt erst richtig. Gegen Christoforakos liegt ein internationaler Haftbefehl aus Athen vor. Er war Mitte Mai vor der heimischen Justiz nach München in seine zweite Heimat geflohen. Allerdings vergeblich. Die deutschen Behörden vollzogen jetzt den Haftbefehl.

Der frühere Chef von Siemens Hellas soll Mitarbeiter der nationalen Telefongesellschaft OTE bestochen haben, um seinem Arbeitgeber einen lukrativen Auftrag über eine Milliarde Euro zu beschaffen. Gegen ihn und etliche weitere Beschuldigte wird in Athen wegen Korruption und Geldwäsche oder Beihilfe hierzu ermittelt. Mehr als 50 Millionen Euro Schmiergeld sollen für den OTE-Auftrag geflossen sein.

Weit prekärer sind aber jene Millionen, die nach Erkenntnissen der Ermittler den beiden großen Parteien zugute kamen, der konservativen Nea Dimokratia und der sozialistischen Pasok. "An diesem Fall hängen Dutzende griechische Spitzenpolitiker, die kein Interesse an einem Geständnis haben", erklärte Stefan Kursawe, der Münchner Anwalt des Managers aus Athen, am Mittwoch nach der Festnahme. "Ich fürchte um das Leben meines Mandanten, sobald dieser griechischen Boden betritt."

Illegale Praktiken

Für solch eine Gefahr hat die Münchner Generalstaatsanwaltschaft, die im Auftrag der Kollegen aus Athen nach Christoforakos fahnden ließ, keine Anhaltspunkte. Einer Auslieferung stünde deshalb wohl nichts im Wege, doch der Fall ist kompliziert. Denn der festgenommene Manager besitzt neben der griechischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

Der Absolvent eines deutschen Gymnasiums in Athen hat in Karlsruhe Chemie studiert und mehrere Jahre in der Bundesrepublik gearbeitet, bevor er in die Heimat zurückkehrte, dort als erster Grieche zum Chef von Siemens Hellas aufstieg und zehn Jahre lang fast ständig bessere Geschäfte an die Münchner Konzernzentrale meldete. Heute ist ziemlich klar, dass ein Teil der schönen Zahlen auf mutmaßlich illegalen Praktiken beruhte.

Der Anwalt von Christoforakos setzt auf dessen deutsche Staatsbürgerschaft, um eine Auslieferung nach Athen zu verhindern. Nach deutschem Recht seien die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten verjährt, sagt Kursawe. Er wirft den Behörden in Athen sogar vor, Unterlagen gefälscht zu haben, um die Verjährung zu unterbrechen. Ob der ehemalige Siemens-Manager zurück in seine Heimat muss, wird nun vom Oberlandesgericht München geprüft. Wann eine Entscheidung fällt, ist nach Angaben der Münchner Generalstaatsanwaltschaft derzeit noch nicht absehbar. Christoforakos bestreitet alle Vorwürfe.

Wahlkampffinanzierung notwendig

Um ihn geht es, zumindest am Rande, auch beim nächsten in München geplanten Siemens-Prozess. Die Staatsanwaltschaft hat kürzlich Anklage gegen Michael Kutschenreuter erhoben, Ex-Finanzvorstand der Siemens-Sparte Telekommunikation. Er soll das frühere Korruptionssystem bei Siemens geduldet, wenn nicht gar gefördert haben.

In der 320-seitigen Anklageschrift gegen Kutschenreuter wird auch Christoforakos schwer belastet. Darin steht, der frühere Chef von Siemens Hellas habe bei Siemens in München Mittel für Schmiergeldzahlungen angefordert und erhalten. Christoforakos habe Kutschenreuter davon überzeugen wollen, dass in Griechenland Zahlungen an die politischen Parteien zur Wahlkampffinanzierung notwendig seien und dies dort auch üblich sei.

In der Kutschenreuter-Anklage heißt es weiter, Christoforakos habe beide große Parteien in Athen finanzieren wollen, um sicherzustellen, dass in jedem Fall die Politiker nach den Wahlen Siemens gewogen blieben. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat viel über den Mann aus Athen herausgefunden, sie hat aber keinen Anlass, ihn selbst vor Gericht zu bringen. Das überlassen die deutschen Fahnder lieber den griechischen Kollegen.

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