Siemens: Griechenland:Zwangsferien auf Paros

Der frühere Siemens-Vorstand Volker Jung, der seit Anfang Juni in Griechenland festgehalten wird, muss wegen Schmiergeldermittlungen bleiben. Das Landgericht Athen bestätigte ein Ausreiseverbot.

Klaus Ott

Seit Wochen schon verbringt der Rentner Volker Jung, 69, eine Art Zwangsurlaub auf der griechischen Insel Paros in der Ägäis, wo er ein Haus besitzt. Der ehemalige Siemens-Vorstand darf das Land nicht verlassen, weil in der Schmiergeldaffäre des Industriekonzerns in Athen gegen ihn ermittelt wird. Diese Woche hatte der Diplom-Ingenieur gehofft, endlich wieder in sein eigentliches Zuhause im Münchner Vorort Grünwald zurückkehren zu dürfen. Es war eine vergebliche Hoffnung.

Siemens, ddp

In Griechenland wird gegen den ehemaligen Siemens-Manager Volker Jung ermittelt.

(Foto: Foto: ddp)

Das Landgericht Athen wies den Antrag von Jungs Anwalt Wassilis Karkazis zurück, das Ausreiseverbot aufzuheben. Der frühere Siemens-Vorstand muss in Griechenland bleiben, auf unbestimmte Zeit. Karkazis will Widerspruch gegen die Entscheidung des Landgerichts einlegen. "Es gibt keinen rechtlichen Grund, meinen Mandanten hier festzuhalten", sagt Karkazis. Vielleicht gibt es einen anderen Grund. In griechischen Medien wird spekuliert, Jung sei eine Art Faustpfand. Er dürfe dann gehen, wenn die deutsche Justiz im Gegenzug Michael Christoforakos ausliefere, den früheren Chef von Siemens Hellas, des griechischen Ablegers der Siemens AG. Christoforakos, gegen den wegen der Korruptionsaffäre ebenfalls in Athen ermittelt wird, war nach Deutschland geflüchtet, dort verhaftet wirden, sitzt nun in München-Stadelheim in Auslieferungshaft.

Vorräte aus Deutschland

Den Zwangsurlaub auf der Sonneninsel Paros kann Jung nicht so recht genießen, trotz seiner kleinen Villa mit großem Garten und Blick auf das Meer. Er leidet an Zöliakie, einer Immunkrankheit. Der Rentner verträgt das Klebereiweiß Gluten nicht, das vor allem in den Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer vorkommt. Jung braucht eine Spezialnahrung, die es auf Paros nicht gibt und die auch im übrigen Griechenland schwer erhältlich ist. Seine Frau musste kürzlich in Deutschland genügend Vorräte für die nächste Zeit holen.

Anfang Juni war der frühere Siemens-Vorstand zur Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Athen erschienen, die ihm vorwirft, in Schmiergelddelikte in Griechenland verwickelt zu sein. Der Industriekonzern hatte nach Erkenntnissen der Ermittler in Athen wie auch in München in Griechenland Geschäftspartner, Politiker und Parteien bestochen, um lukrative Aufträge des Staates und der nationalen Telefongesellschaft OTE zu erhalten. Der studierte Elektrotechniker Jung, der von 1992 bis 2003 dem Zentralvorstand von Siemens angehört hatte, beteuerte bei dem Verhör seine Unschuld. Die griechische Justiz verhängte trotzdem ein Ausreiseverbot, das nun bestätigt wurde.

Der deutsche Grieche

Der Fall könnte zum Politikum werden. Immerhin war Jung einst einer der führenden Köpfe in der deutschen Wirtschaft. Er war Aufsichtsratschef des aus Siemens hervorgegangenen Chip-Konzerns Infineon und des Fahrzeugskonzerns MAN, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und Verbandspräsident in der Elektro- und Telekommunikationsbranche.

Während Jung zurück nach München will, möchte sein früherer Siemens-Kollege Christoforakos unbedingt in München bleiben, allerdings nicht im Gefängnis. Der Anwalt von Christoforakos, Stefan Kursawe, will einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls stellen. Und er will verhindern, dass sein Mandant nach Athen ausgeliefert wird. Gegen Ende Juli wird mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München gerechnet. Die Causa ist kompliziert. Christoforakos hat einen griechischen und einen deutschen Pass. Kursawe sagt, deutsche Staatsbürger dürften nicht ausgeliefert werden, wenn die Straftaten, um die es gehe, nach deutschem Recht verjährt werden. Ein solcher Fall sei beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängig. Die Münchner Justiz müsse erst das Urteil des BGH abwarten, bevor sie über Christoforakos entscheide. Notfalls werde er mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht versuchen, eine Auslieferung nach Athen zu verhindern, sagt Kursawe.

Gegen Christoforakos wird auch in Deutschland ermittelt. Er hat bei mehreren Vernehmungen durch die Münchner Staatsanwaltschaft gestanden, in die Schmiergeldaffäre verwickelt zu sein.

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