Fast eineinhalb Jahre lang hat sich Volker Jung, ehedem Verwaltungsratschef bei Siemens Hellas, jeweils Anfang des Monats bei der Polizei auf der griechischen Mittelmeer-Insel Paros gemeldet. Die Behörden hatten das zur Auflage gemacht. Sie wollten sicher sein, dass der deutsche Rentner, der auf Paros ein Haus besitzt, das Land nicht verlässt.
In Athen liegt eine Anklage gegen den Ex-Manager vor, weil er in den Schmiergeldskandal seines früheren Arbeitgebers verwickelt sein soll. Die hellenische Justiz will von dem früheren Vorstandsmitglied wissen, wen der Industriekonzern in Griechenland alles bestochen hat.
Anfang November ist Jung allerdings nicht mehr bei der Polizei auf Paros erschienen. Die soll daraufhin eine entsprechende Notiz an die Athener Staatsanwaltschaft geschickt haben, die Information soll jedoch zuerst auf dem falschen Schreibtisch gelandet sein.
Kaum Pass-Kontrollen
Als die Behörden begannen, nach dem Angeklagten zu suchen, war der schon längst weg. Nach Informationen der griechischen Zeitung Kathimerini soll der deutsche Rentner zusammen mit seiner Frau das Land im eigenen Auto verlassen haben, erst per Fähre nach Athen, dann durch den Peloponnes und von dort möglicherweise mit der Fähre über die Adria nach Italien.
In den Adria-Häfen gibt es bei Überfahrten zwischen den beiden EU-Ländern kaum Pass-Kontrollen. Die Polizei achtet vielmehr darauf, dass keine illegalen Einwanderer etwa aus Asien nach Mitteleuropa gelangen.
Inzwischen soll Jung wieder zuhause in München sein, nach knapp eineinhalb Jahren Zwangsaufenthalt in Griechenland. Die Athener Behörden hätten ihn gerne so schnell wie möglich zurück. Ein internationaler Haftbefehl ist nach Angaben eines Justizsprechers bereits erlassen, und bei der Münchner Justiz stellt man sich auf einen Auslieferungsantrag ein. Dass dem stattgegeben würde, damit ist nicht zu rechnen. Die deutschen Behörden prüfen in einem solchen Fall erst einmal, wie konkret die Vorwürfe sind, und ob die angebliche Tat nicht schon verjährt ist.
Anklage recht allgemein gehalten
Die Athener Anklage gegen Jung ist recht allgemein gehalten und, da er bereits 2003 bei Siemens in Ruhestand gegangen ist, womöglich verjährt. Im Fall eines anderen früheren Siemens-Managers hat das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr bereits einen "unpräzisen" Haftbefehl aus Griechenland verworfen.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat nach langen und intensiven Ermittlungen Jungs Anwalt außerdem Anfang März 2010 bescheinigt, dass gegen dessen Mandanten "keinerlei Anfangsverdacht" bestehe, er sei in Korruptionsdelikte bei Siemens verwickelt gewesen. Gegen Jung liege in München nichts Belastendes vor. Die Athener Justiz hat das aber nicht interessiert.