Siemens: Erfolgssträhne:Löschers Lauf

Siemens-Chef Löscher hat hart saniert, jetzt kann er Erfolge melden, denn der Konzern verdient prächtig. Was fast noch wichtiger ist: Die Deutschen haben zum Erzrivalen General Electric aufgeschlossen.

Martin Hesse

Ein neuer Tag, ein neuer Auftrag. Der Stolz ist nicht zu überhören, als Hans-Jörg Grundmann an diesem Freitag wieder einmal eine lukrative Bestellung verkündet. Der 55-Jährige leitet das Geschäft mit der Mobilität, eine von 14 Divisionen des Siemens-Konzerns. Von Hochgeschwindigkeitszügen über Straßenverkehrstechnik bis zur Flughafenlogistik reicht Grundmanns Palette. 70 elektrische Lokomotiven im Wert von 338 Millionen Euro soll Siemens nun in die USA für Fernverkehrszüge zwischen Boston und Washington liefern.

Siemens: Erfolgssträhne: Fertigung einer Siemens-Lok nach dem Vorbild des Eurosprinters. Die Entwicklung des Konzerns verlief unter den Vorstandschefs Heinrich von Pierer, Klaus Kleinfeld und Peter Löscher unterschiedlich. Für den Kursverlauf der Aktie und die Jahresumsätze bitte auf das Bild klicken.

Fertigung einer Siemens-Lok nach dem Vorbild des Eurosprinters. Die Entwicklung des Konzerns verlief unter den Vorstandschefs Heinrich von Pierer, Klaus Kleinfeld und Peter Löscher unterschiedlich. Für den Kursverlauf der Aktie und die Jahresumsätze bitte auf das Bild klicken.

Es sind die ersten Loks überhaupt, die Siemens nach Amerika verkauft. Das sei ein "motivierendes Signal für unsere Ambitionen beim Aufbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes in den USA", sagte Grundmann. Die USA sind einer der Märkte, in denen Siemens angreifen will. Momente wie diesen hatte nicht nur Grundmann in der jüngeren Vergangenheit öfters.

Kein Zweifel: Siemens und sein Chef Peter Löscher haben einen Lauf. Kaum ein Tag vergeht, an dem aus der Zentrale am Wittelsbacher Platz in München nicht ein Großauftrag verkündet wird. Die Analysten von J. P. Morgan schätzen, dass alleine im abgelaufenen Quartal Aufträge über 21 Milliarden Euro eingingen, noch einmal eine Milliarde mehr als im Vorquartal und fast vier Milliarden mehr als im Jahr zuvor.

Längst nicht alles läuft rund

Übernächste Woche wird Siemens über das im September abgelaufene Geschäftsjahr 2009/10 berichten - es wird eines der besten Jahre seit langem. Deutlich über dem Vorjahresergebnis von 7,5 Milliarden Euro werde der operative Gewinn der drei Sektoren Industrie, Energie und Gesundheit liegen, deutete Finanzchef Joe Kaeser Ende September an.

Der Gewinn, der am Ende unter dem Strich für den Konzern bleibt, wird allerdings nur halb so hoch sein. Verlustbringer wie das IT-Geschäft und die Netzwerk-Gemeinschaftsfirma Nokia Siemens Networks (NSN) sind nämlich im Gewinn der Sektoren nicht mitgerechnet. Längst nicht alles läuft rund bei Deutschlands größtem Industriekonzern. Doch unter dem Strich spiegelt sich in kaum einem Konzern der deutsche Aufschwung so wie bei Siemens.

Grundmann ist einer von denen, die für die jüngste Erfolgswelle stehen. Noch vor zwei Jahren kämpfte seine Division mit technischen Problemen und machte Verluste. Grundmann übernahm den Bereich Anfang 2008, begann einen harten Sanierungskurs, baute 2000 Stellen ab und hatte Erfolg.

Ein gute Nachricht nach der anderen

In diesem Jahr dürfte der Gewinn im Mobility-Geschäft bei gut einer halben Milliarde Euro liegen. Plötzlich reiht sich jetzt eine gute Nachricht an die andere. Beispiel Hochgeschwindigkeitszüge: Fünf von neun Ausschreibungen der vergangenen Jahre hat Siemens nach eigenen Angaben gewonnen, vor allem Russland und China bestellten den Velaro.

Oder Züge für den Eurotunnel: Viele Jahre bekam Siemens gegen den französischen Alstom-Konzern keinen Fuß auf den Boden, wenn es um die Züge für die Verbindung zwischen Frankreich und England ging. Nun hat der Tunnelbetreiber Eurostar Siemens ausgewählt, den neuen Zug zu liefern. Alstom bemüht ein Londoner Gericht, um die Auftragsvergabe mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen.

Zu solchen Mitteln hat der große amerikanische Konkurrent General Electric (GE) noch nicht gegriffen. Doch auch in Fairfield, Connecticut, dürfte man registriert haben, dass der deutsche Rivale in den vergangenen Jahren aufgeholt hat. "Wir sind auf Augenhöhe", verkündete Siemens-Chef Löscher vor zwei Wochen selbstbewusst bei dem alljährlichen Führungskräftetreffen in Berlin.

Weltmarktführer bei Offshore-Anlagen

Zwar ist GE gemessen am Umsatz immer noch deutlich größer. Doch das Bild sieht anders aus, wenn man die große Finanzsparte der Amerikaner ausklammert. Und bei den Aufträgen stand Siemens zuletzt in vielen Bereichen besser da.

René Umlauft, Chef der Division erneuerbare Energien, ist auch ein Gewinner der jüngeren Siemens-Geschichte. Er machte Siemens zum Weltmarktführer für Windräder vor den Küsten, bei sogenannten Offshore-Anlagen. Bei den Windparks auf dem Land hinkt der Konzern zwar noch weit hinterher, will aber auch da angreifen.

"Insgesamt wollen wir im Windgeschäft im zweistelligen Prozentbereich wachsen und bis 2012 weltweit die Nummer drei werden", sagte Umlauft vor kurzem. Gemessen in absoluten Zahlen ist das Energiegeschäft mit fossilen Brennstoffen bei Siemens freilich immer noch um ein Vielfaches größer als die mit viel Marketingaufwand herausgestellten erneuerbaren Energien.

Genau so profitabel wie General Electric

Aus Sicht der Aktionäre ist aber ohnehin etwas anderes wichtig: Gemessen am Umsatz ist Siemens heute genauso profitabel wie General Electric, seit Generationen das Vorbild von Siemens-Managern. Löscher hat den Konzern in den vergangenen Jahren mit dem Programm Fit4-2010 auf Rendite getrimmt.

Er baute Tausende Stellen ab und organisierte das Management neu. Vor allem aber vermarktet er Siemens als grünen Infrastruktur-Riesen. Schon 2008 legte Siemens einen Gewinnsprung hin, doch das lag vor allem am Verkauf der Autozuliefersparte VDO. 2009 brach das Ergebnis wieder ein: Die Wirtschaftskrise setzte besonders Siemens zu, außerdem kostete ein Vergleich mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC wegen des Schmiergeldskandals 600 Millionen Euro.

Jetzt erst - nach langer Arbeit - erntet Löscher die Früchte der Sanierung. Und dabei hilft ihm auch der überraschende Aufschwung in Deutschland und in wichtigen Märkten wie China. Bislang kamen die Gewinne vor allem aus Kostensenkungen, Einkaufschefin Barbara Kux beispielsweise drückte die Beschaffungskosten schneller und stärker als geplant. Manch ein Lieferant soll über den harten Kurs von Siemens verärgert sein. Jetzt aber will Löscher eine neue Phase in der Entwicklung des Konzerns einleiten.

Blumiges Schlagwort

Das letzte Strategieprogramm läuft aus, im November wird der Konzernchef unter dem blumigen Schlagwort One Siemens (Ein Siemens) den neuen Kurs vorgeben. Zwar wolle er keine Kompromisse bei der Rendite machen, ließ er kürzlich in einem Interview wissen. Doch vor allem will der Österreicher das Wachstum forcieren.

Denn beim Umsatz ist Siemens in den vergangenen Jahren kaum vorangekommen. Schon jetzt zeichnet sich ab, wo Löscher vor allem Chancen sieht: In Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien. Beispielsweise will Siemens in einigen dieser Länder Windturbinen und Rotorblätter produzieren. Und die Gesundheitssparte soll maßgeschneiderte Produkte für Länder anbieten, in denen der medizinische Standard noch nicht so hoch ist wie in Europa: Billiger und einfacher sollen die Apparate sein, um dafür umso mehr davon verkaufen zu können.

Ausruhen kann sich Löscher auf dem Erreichten nicht. GE rüstet zum Gegenangriff und will 30 Milliarden Dollar in Übernahmen investieren, vor allem in Europa. Löscher setzt eher darauf, GE langsam das Wasser abzugraben. Aufträge wie der vom Freitag im Heimatmarkt von GE sind dabei seine schärfste Waffe.

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