Windenergie:Siemens Energy in der Flaute

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Die Windturbinen von Siemens Gamesa - hier eine Anlage in den USA - sind eigentlich die Zukunft. Dumm nur, dass die Dinge gerade nicht rundlaufen. (Foto: Bing Guan/Reuters)

Siemens Energy ist im vergangenen Jahr mit großen Hoffnungen an der Börse gestartet. Nun aber tauchen immer neue Probleme auf - ausgerechnet im Zukunftsgeschäft mit der Windkraft. Im Konzern wächst die Kritik.

Von Caspar Busse und Thomas Fromm

Als Siemens im vergangenen September seine Energiesparte unter dem Namen "Siemens Energy" an die Börse schickte, da waren sich viele einig, was das eigentlich Interessante an diesem Industriekoloss war: der deutsch-spanische Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa. Der andere Teil der Siemens-Abspaltung, die Kraftwerkssparte "Gas & Power", galt mit ihren Aktivitäten rund um Kohlekraftwerke nicht gerade als hip und zukunftsweisend, einige sprachen da schon von einer bad bank. Klar - Gas und Kohle in Zeiten der Energiewende? Erneuerbare Energie mithilfe von Windanlagen klingt da weitaus besser.

Auch deshalb versprach Christian Bruch, der Vorstandsvorsitzende von Siemens Energy, eine gute Zukunft in Unabhängigkeit. Unabhängig, weil man jetzt eigenständig und an der Börse war. Und die Sache mit der guten Zukunft konnte sich ja eigentlich nur auf die Windenergie beziehen. Die Aktie der ehemaligen Siemens-Energiesparte mit rund 90 000 Mitarbeitern und 29 Milliarden Euro Umsatz - mittlerweile Mitglied im Dax-30 - notierte damals am ersten Handelstag bei 22 Euro. Jetzt, gut zehn Monate später, liegt das Papier nach einem kurzen Höhenflug wieder fast da - bei gut 23 Euro. Eine enttäuschende Entwicklung, nicht nur für viele Aktionäre.

(Foto: N/A)

In dieser Woche wird Bruch die Quartalszahlen für Siemens Energy präsentieren, die Nachrichten, die er hat, dürften nicht allzu vielversprechend sein. Denn ausgerechnet das Geschäft mit Windkraftanlagen schwächelt gewaltig. Die börsennotierte spanische Tochterfirma Siemens Gamesa musste Mitte Juli überraschend und schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit die Planzahlen deutlich nach unten korrigieren, die Aktie war daraufhin im freien Fall.

Gewinnwarnung heißt das in der Szene. Eine Gewinnwarnung ist schlecht, eine zweite ist noch schlechter. Eine dritte allerdings wäre nur noch schwer verzeihbar .

Eine dritte Gewinnwarnung bei Siemens Gamesa wäre ein echtes Problem

Es gibt eine ganze Reihe von Problemen bei Siemens Gamesa: Stark steigende Rohstoffpreise für Stahl oder Kupfer, aber auch Schwierigkeiten beim Hochlauf einer neuen Turbinen-Generation. Vor allem in Brasilien sorgt die Corona-Pandemie für Nachschub- und Ausführungsprobleme, die hohe Rückstellungen erforderlich machten. Operative Probleme und defizitäre Projekte sind nicht neu bei Gamesa. 2019/20 waren die Spanier bei der Installation von fünf großen Windparks in Norwegen kalt erwischt worden vom Wintereinbruch - der soll vorkommen, gerade auch in Skandinavien.

Bei Siemens Energy ist man inzwischen genervt und alarmiert, die Kritik an Siemens-Gamesa-Vorstandschef Andreas Nauen wird hinter vorgehaltener Hand lauter. Der ehemalige Siemens-Manager war erst vor einem Jahr als Sanierer eingesetzt worden. "Es wird langsam eng für Nauen. Ein weiteres Mal kann er sich so etwas nicht leisten", heißt es aus Industriekreisen. Was wohl bedeutet: Eine dritte Gewinnwarnung wäre dann ein echtes Problem.

Offenbar baut Siemens Energy darauf, dass die Spanier nun endlich die Probleme im Griff haben, sicher ist man da aber nicht - einige sagen, dass Gamesa zu weit weg sei von der Zentrale. Immerhin: Die Zahlen beim Mutterkonzern Siemens Energy, der vor allem auf herkömmliche Energieerzeugung setzt, sind trotz allem überraschend stabil. Im angestammten Geschäft mit Turbinen für Gas- und Kohlekraftwerke sowie in der Sparte Energieübertragung laufe alles nach Plan, betonte Siemens Energy erst vor zwei Wochen. Dort werde der Umsatz um zwei bis sechs Prozent wachsen, bei einer operativen Umsatzrendite von 3,5 bis 5,5 Prozent. Ob die Gesamtziele angesichts des Desasters bei Siemens Gamesa aber erreicht werden, ist offen.

Ausgerechnet das Geschäft, das für eine saubere und grüne Energiezukunft steht, hängt schief. Und im traditionellen, fossilen Energiegeschäft, das nicht mehr wirklich als Zukunftskonzept gilt, läuft es einigermaßen rund. Verkehrte Welt.

Siemens-Energy-Chef Christian Bruch rechnet mit einem Milliardenmarkt. Die Zusammenarbeit mit Porsche sei daher "ein sehr reizvolles Projekt". (Foto: Peter Kovalev/imago images/ITAR-TASS)

Die ungelöste Dauerkrise bei Siemens Gamesa wirft grundsätzliche Fragen auf. Sollte Siemens Energy die Tochter ganz eingliedern? Einfach dürfte das nicht sein, fünf Milliarden Euro würde eine Komplettübernahme der restlichen 33 Prozent mindestens kosten - viel Geld für Siemens Energy, selbst an der Börse nur 16 Milliarden Euro wert. Eine Kapitalerhöhung gilt derzeit als unrealistisch. Offen ist auch, ob der Siemens-Energy-Aufsichtsrat unter der Führung des ehemaligen Siemens-Chefs Joe Kaeser dem überhaupt zustimmen würde. Dort gibt es offenbar Skepsis. Jede Spekulation darüber würde zudem den Gamesa-Kurs nach oben treiben und die Sache noch teurer machen, heißt es.

Die Spanier lassen sich von den Deutschen nicht viel sagen

Die Alternative wäre, dass die Deutschen auf anderem Weg mehr Einfluss bei Siemens Gamesa erlangen. "Die sind zu weit weg, die müssen enger geführt werden", sagt ein Insider. Doch auch das ist nicht so einfach. Hier der deutsche Großaktionär, da die stolzen Spanier - niemand will einen Kulturkampf riskieren, unter dem am Ende vor allem das Geschäft von Gamesa leiden würde.

Siemens Gamesa hat seine Zentrale im Baskenland, und dort hält man den Großaktionär seit Längerem wohl auf Abstand, auch von den jüngsten Problemen sollen die Deutschen erst spät erfahren haben. Anfang 2020 schied zwar der größte Siemens-Kritiker, der spanische Stromkonzern und Großaktionär Iberdrola, aus. Sein Acht-Prozent-Paket an Siemens Gamesa kauften die Münchner sehr teuer, für mehr als eine Milliarde Euro. Die Skepsis gegenüber den Deutschen aber blieb, das Unternehmen ist peinlich auf seine Unabhängigkeit bedacht. Wobei das mit der Unabhängigkeit bei dem hohen Anteil, den Siemens Energy hält, natürlich so eine Sache ist.

Große Anlage für die große Energiewende: So sieht es in der Fertigungshalle des Siemens-Gamesa-Werks in Cuxhaven aus. (Foto: Jörg Sarbach/dpa)

Druck über den Verwaltungsrat zu machen, ist auch schwierig. Dort sitzen vier Vertreter von Siemens Energy, darunter Maria Ferraro, Finanzchefin von Siemens Energy, aber nicht Vorstandschef Bruch. Der hatte noch vor einem Jahr betont: "Ich habe derzeit den Eindruck, dass unser Einfluss als Mehrheitseigentümer ausreichend ist." Er sei aber "absolut nicht zufrieden mit der Performance", besonders im Onshore-Bereich, also bei den Windanlagen auf dem Land. Verbessert hat sich den zwölf Monaten aber nichts. Allerdings: Bei Windkraftanlagen auf hoher See, dem sogenannten Offshore-Bereich, ist Siemens Gamesa Weltmarktführer.

Neben dem Windkraftgeschäft hat Siemens Energy noch ein weiteres großes Problem: Im Solargeschäft, dem zweiten großen Bereich für nachhaltig erzeugten Strom, ist der Konzern so gut wie nicht vertreten. "Wind wird alleine nicht reichen, wir brauchen auch Solar ", meint ein Beteiligter. Aus eigener Kraft eine Position in diesem international umkämpften Markt aufzubauen, dürfte allerdings kaum möglich sein. Zukäufe wiederum sind teuer und derzeit schwer zu realisieren.

Dabei brummt der Markt. Die Analysten der Hypovereinsbank verweisen darauf, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch ist. Dem jüngsten Bericht der Internationalen Energie Agentur (IEA) zufolge dürften in diesem Jahr die weltweiten Investitionen in den Energiesektor um rund zehn Prozent steigen, 70 Prozent davon würden in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werden. Siemens Energy könnte mithilfe seiner Windanlagentochter profitieren. Wenn es nicht diese hausgemachten Probleme gäbe.

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