Siemens:Einfach loslassen

Siemens verkauft 15 Prozent an seinem Medizintechnikgeschäft, die fragile Lage an den Börsen und die Unsicherheit durch Donald Trump stören dabei sehr.

Von Caspar Busse und Thomas Fromm

Joe Kaeser, 60, twittert ab und zu. Neulich twitterte er seine Antwort auf die Ankündigung von Strafzöllen des US-Präsidenten Donald Trump. Kaeser, vor Kurzem noch in der Kritik, weil er mit Trump beim Weltwirtschaftsforum in Davos beim Abendessen saß und diesen öffentlich für seine Steuerreform sehr gelobt hatte, sieht die Dinge nun anders: "Nach einer großartigen Steuerreform, die auf die Schaffung neuer Jobs abzielte, nun ein lausiger Ansatz zu fairem Handel", schrieb er. Dies sei "nicht gut für eine freie Welt".

Und es wäre auch nicht gut für Siemens. Der Konzern ist stark in den USA vertreten, Zehntausende arbeiten dort für die Firma - einen Handelskrieg kann der oberste Siemensianer, der seinen Konzern gerade umbaut, um ihn schneller zu machen, also gar nicht gebrauchen. Schon gar nicht jetzt, wo die Börsenpläne für die auch in den USA sehr erfolgreiche Medizintechniksparte Siemens Healthineers stehen: Am 16. März sollen bis zu 15 Prozent der Sparte an der Börse sein, bis zu 4,65 Milliarden Euro dadurch an Siemens fließen. 150 Millionen Aktien sollen verkauft werden, zu einem Preis zwischen 26 bis 31 Euro. An diesem Dienstag beginnt die Werbetour in New York und London. Das Interesse sei gut.

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Ein Siemens-Mitarbeiter in Forchheim/Bayern arbeitet an einem Computer-Tomografen: Der Bereich wird derzeit verselbständigt.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Für den Münchner Konzern ist der Schritt eine Zeitenwende, ist doch die Medizintechnik das ertragsreichste Geschäftsfeld, bislang ein Vorzeigebereich, bei bildgebenden Diagnosegeräten, Laborausrüstungen und Operations-Robotern gehört Siemens zu den führenden Anbietern. "Nun gibt es eben zwei starke börsennotierte Siemens in Deutschland. Was ist so schlimm daran? Wir müssen loslassen können und neue Perspektiven schaffen", sagt ein Beteiligter dazu. Konzernchef Kaeser hat immer noch das warnende Beispiel der Telekommunikation vor Augen. Damals hatte Siemens den Anschluss an das Internezeitalter verpasst, heute gibt es das Geschäft in München nicht mehr. Das soll in der Medizintechnik, die sich derzeit durch die Digitalisierung ebenfalls stark wandelt, nicht passieren.

Das Timing für die Milliardenemission könnte aber besser sein. Die Lage an den internationalen Börsen ist auch angesichts der Drohungen von Trump fragil. Auch die Siemens-Aktie gab zuletzt ab (Chart), in diesem Jahr lag sie schon bei über 125 Euro, an diesem Montag nur noch bei 103 Euro. Einen Abschlag musste Siemens auch bei der Bewertung von Healthineers hinnehmen: So wird das Unternehmen mit 26 bis 31 Milliarden Euro bewertet. In den vergangenen Monaten brachten Analysten schon bis zu 40 Milliarden Euro ins Spiel.

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(Foto: SZ)

Trotzdem: Der geplante Börsengang ist einer der größten in Deutschland. Die Deutsche Telekom hatte vor 21 Jahren mehr als zehn Milliarden Euro bei Anlegern erlöst. Auf Rang zwei und drei folgen die Deutsche Post und das Chipunternehmen Infineon (auch einmal eine Siemens-Tochter), die beide im Jahr 2000 an die Börse gingen und rund sechs Milliarden Euro einsammelten. 2016 erlöste dann die RWE-Ökostromtochter Innogy aus Essen 4,5 Milliarden Euro. Siemens bringe vor dem volatilen Hintergrund bewusst erst mal nur 15 Prozent an die Börse, heißt es. Nach einer Wartezeit von sechs Monaten könnten dann weitere Anteile verkauft werden, die neue Aktie kann zudem als Akquisitionswährung bei etwaigen Übernahmen eingesetzt werden. Siemens will aber in jedem Fall vorerst die Mehrheit behalten.

Der Börsengang von Healthineers ist Teil einer großen Zukunftsstrategie, die Kaeser und seine Leute "Vision 2020+" nennen. Eine Vision, in der allerdings keine Handelskriege vorkommen. Kaeser ist dabei, das alte Siemens-Konglomerat Stück für Stück zu entflechten und einen sogenannten "Flottenverbund" von eigenständig operierenden Geschäften zu schaffen. Die Windenergiesparte hat er mit der spanischen Gamesa zusammengelegt und auf diese Weise an die Börse gebracht, der spanische Versorger Iberdola hält acht Prozent. Auch die Zugsparte mit ihren ICE soll raus, wird mit dem französischen TGV-Hersteller Alstom fusioniert werden und dann an der Börse notiert sein. Auch, um dem übermächtigen chinesischen Konkurrenten CRRC Paroli bieten zu können. Kaeser will den Konzern insgesamt schlanker und beweglicher machen.

Verselbständigung ganzer Bereiche liegt derzeit im Trend, unter anderem auch, um sogenannten aktivistischen Aktionären den Wind aus den Segeln zu nehmen, die sonst auf eine Zerschlagung drängen könnten. Siemens-Wettbewerber General Electric spielt eine Aufspaltung durch, der Autobauer Daimler überlegt eine Dreiteilung in Autos, Nutzfahrzeuge und Dienstleistungen, VW prüft einen Börsengang seiner Nutzfahrzeugtochter.

Nun auch Healthineers: Im Geschäftsjahr 2016/17 hatte die Sparte mit 47 000 Mitarbeitern den Umsatz um 2,7 Prozent auf 13,8 Milliarden Euro gesteigert. Die operative Rendite soll im laufenden Jahr bei beachtlichen 17 bis 18 Prozent vom Umsatz liegen. Die größten Wettbewerber von Healthineers sind weltweit Philips und General Electric, dazu kommen viele spezialisierte Anbieter. Was Siemens mit dem Börsenerlös tun wird, ist offen. Manche Aktionäre fordern eine Sonderausschüttung, möglich wäre auch ein Abbau von Schulden. "Wir werden mit den Einnahmen verantwortungsvoll umgehen", heißt es dazu.

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