Süddeutsche Zeitung

Siemens:Diese Frau hat das Schicksal Tausender Siemensianer in der Hand

  • An diesem Donnerstag will Siemens-Personalchefin Janina Kugel die Betriebsräte über die konkreten Sparpläne des Unternehmens informieren.
  • Danach dürfte der Kampf um Jobs und Fabriken erst so richtig beginnen.
  • Scheitert Kugel, dann scheitert gewissermaßen auch Siemens-Chef Kaeser - denn sie ist gewissermaßen seine Frau an der Front.

Von Thomas Fromm

Es war bei der Jahrespressekonferenz in der vergangenen Woche, als sehr deutlich wurde, wie man die Rollen innerhalb der Siemens-Führung verteilt hat. Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender, Chefstratege und oberster Strippenzieher des Milliardenreiches, ist der Mann für die langen Erklärungen und Visionen. Das große Ganze, von Präsident Donald Trump über den Freihandel in der Welt bis zu der Frage, wie sich ein Industriekonglomerat wie Siemens in der nächsten Dekade entwickeln soll. Wenn es aber um die knallharten, tagesaktuellen Probleme geht, muss sie ran: Personalchefin Janina Kugel, 47, Mutter von zwei Kindern, seit 16 Jahren Siemensianerin und seit zweieinhalb Jahren im Vorstand, ist die Frau fürs Grobe.

In diesen Wochen, in denen Siemens Tausende Jobs in der Kraftwerkssparte streichen und vielleicht sogar ganze Standorte schließen will, ist das eine ziemlich undankbare Rolle. Kugel muss einen hausinternen Tabubruch durchsetzen, und das nehmen ihr viele übel. Anmerken lässt sie sich das nicht. Als sie nach der jüngsten Pressekonferenz noch länger am Rande des Podiums stand, ging es um die brisante Frage, ob der Konzern nicht gerade dabei sei, bedrohte Standorte gegeneinander auszuspielen. Nicht wenige Manager hätte eine solche Frage aus der Fassung gebracht. Die Personalchefin des Konzerns, zuständig für an die 350 000 Mitarbeiter, aber lächelte und sagte: "Wir sind ja nicht auf dem Jahrmarkt." Auch dann locker und charmant bleiben, wenn die Atmosphäre um einen herum längst angespannt ist, das gehört zu ihren Stärken.

Jetzt soll endlich Klartext geredet werden

Die Lage ist ziemlich angespannt bei Siemens. Seit vor einigen Wochen bekannt wurde, dass der Konzern seine schwächelnde Kraftwerkssparte zusammenstreichen will, gehen Betriebsräte und Arbeitnehmer auf die Barrikaden - seit Langem war das Klima nicht so schlecht wie heute. Wie schlecht, das bekam die Managerin neulich zu spüren: Da brachen Arbeitnehmervertreter eine gemeinsame Sitzung des Wirtschaftsausschusses zu den Kürzungsplänen kurzerhand ab, weil die Konzernführung nicht "Klartext" gesprochen habe.

Den soll es nun an diesem Donnerstag geben, dann will die Personalchefin die Betriebsräte über die konkreten Sparpläne informieren. Danach beginnt das große Tauziehen um Jobs, Fabriken und die Zukunft der Sparte. Für Kugel dürfte es der wichtigste Machtkampf ihrer bisherigen Karriere werden.

Lange hieß es, die Volkswirtin, die vor ihrem Vorstandsjob für den Konzern in Italien arbeitete, sei in Wahrheit Kaesers Vorzeigefrau. Der Beweis für den fälligen Wandel in einem Konzern, der 170 Jahre lang vor allem von Männern dominiert worden war. Möglich, dass es seinerzeit einmal so geplant war. Inzwischen aber ist Janina Kugel die zweitwichtigste Figur im Unternehmen. Weiche Themen? Von wegen. Kugel ist keine Vorzeigefrau, sie ist Kaesers Frau an der Front. Scheitert sie, scheitert auch Kaeser.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017/vit
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