Siemens-Chef Löscher:Der Nachrichtensprecher

Peter Löscher erläutert die Details des Sparprogramms bei Siemens - so unterkühlt, dass man frösteln muss.

Hans von der Hagen

Es sind diese Plastikworte, die immer wieder bei Pressekonferenzen auftauchen - vor allem, wenn es ernst wird: "Intensiver und offener Dialog", "konstruktive Atmosphäre", aber auch "Verantwortung" und "emotionale Äußerungen". Mit diesen Wörtern lässt sich alles relativieren und abkühlen - auch, dass ein ganzer Konzern kopfsteht.

Peter Löscher

Peter Löscher: "Es gilt das gemeinsame Ziel"

(Foto: Foto: Reuters)

Weil es bei Siemens ernst wird, fallen diese Wörter an diesem Dienstag im Siemensforum in München ständig.

Knapp 17.000 Stellen - vier Prozent der Gesamtbelegschaft - fallen weg, obwohl Siemens gute Ergebnisse erzielt. An manchen Standorten könnten bis zu 50 Prozent der Stellen betroffen sein. Deshalb muss im Unternehmen nun besonders viel und offen geredet werden.

Als Siemens-Chef Peter Löscher und sein Personalvorstand Siegfried Russwurm den Raum betreten, sind die Informationen längst bekannt, sie müssen nur noch bestätigt und einsortiert werden.

Wird das Löscher persönlich tun? Wird er die Details der Stellenkürzungen seinem Personalvorstand überlassen? Werden beide bedauern? Oder nur begründen?

Gut trainiert

Löscher nimmt mit einem merkwürdig verkniffenen Lächeln Platz: den Mund einen winzigen Spalt geöffnet, ruhig und doch ein wenig übermannt von dem Licht, der Erwartung und dem wilden Geklicke der Fotografen.

Er kennt das alles, aber die öffentliche Rechtfertigung ist für Manager immer ein Spießrutenlauf.

Die Drecksarbeit, es wird rasch klar, bleibt an Russwurm hängen. Er wird die Einzelheiten des Stellenabbaus erläutern, Löscher ist für das große Ganze zuständig. Bei ihm versteckt sich der Stellenabbau hinter den Worten "Senkung der Vertriebs- und Verwaltungskosten".

Das ist Löschers Thema: Er war vor Jahresfrist angetreten, um Siemens wieder übersichtlich zu machen. Steuerbar. Genau das wird nun umgesetzt, sagt er, und erklärt, welche Bereiche zu Siemens passen und welche nicht. Wo doppelt gearbeitet wird, wo der Konzern nicht "schlank" genug ist, und wo sich die Kunden verloren fühlen, weil Arbeitsprozesse nicht "durchgängig gestaltet sind". Alles richtig.

Und Siemens hat ihn gut trainiert: Beide Hände liegen auf dem Tisch - auch weil jede Geste sofort von den Fotografen genutzt wird. Er liest die vorbereitete Rede ohne Regung ab und lässt dabei nicht eine Silbe des Manuskripts fallen. Nur beim Hochschauen wandern die Augenbrauen ironiefrei mit nach oben.

Ansonsten: Der Daumen ist leicht abgespreizt, völlig ruhig. Der Krawattenknoten wurde bis an den Kehlkopf geschoben, die Manschettenknöpfe ragen vorschriftsmäßig aus dem Jackett heraus. Perfekt. Nur die Wangenmuskulatur hat er nicht unter Kontrolle - sie zuckt immer wieder unter der Anspannung.

Löscher ist der Karl-Heinz Köpke der Unternehmenswelt, völlig emotionslos. Wenn es den Titel "Vorstandssprecher" bei Siemens noch geben würde - zu Löscher hätte er gepasst.

Aber so wie an den Nachrichtensprechern die Dramen dieser Welt abgleiten, so gleitet auch der größte Personalabbau in der Siemensgeschichte an Löscher ab. Kein Bedauern, dass Tausende Siemensmitarbeiter einen trostlosen Sommer haben werden. Stattdessen: "Es gilt das gemeinsame Ziel, dass der Konzern wettbewerbsfähig gemacht werden muss" - so, als würden sich selbst die künftig Gefeuerten nur zu gerne und voller Verständnis dieser gemeinsamen Sache anschließen.

Erst später in der Fragestunde wird Löscher einmal etwas lauter. Doch da geht es nicht um Kündigungen, sondern um die - aus Löschers Sicht undenkbare - Umwandlung des Siemenskonzerns in eine Holding.

Die "Eckdaten zur Kündigung" meldet dann Löschers Beisitzer Russwurm. Etwas unruhiger als der Chef, die linke Hand trotzig in die Hüfte gestützt und doch genauso entschlossen vorlesend wie Löscher. Ob der hinter dem eigentlichen Kinnbart wuchernde Dreitagebart aufreibenden Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern oder nur einem gewollt lockeren Auftritt vor der Kamera zu verdanken ist - es lässt sich nicht ergründen.

Die Siemens-Spitze hat an diesem Dienstag einen kühlen Auftritt hingelegt, so kühl, dass einem als Mitarbeiter in diesem Konzern frösteln muss.

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