Siemens-Betriebsratsaffäre:Schlechte Aussichten für Wilhelm Schelsky

Dem langjährigen Vorsitzenden der von Siemens gesponserten Arbeitnehmer-Organisation AUB droht eine lange Haft: Der Fall Schelsky ist größer als der von Peter Hartz, dem früheren Personalvorstand bei VW.

Klaus Ott

Als Vorsitzender einer deutschlandweiten Arbeitnehmer-Organisation direkt ins Gefängnis zu wandern - dieser Werdegang dürfte in der Bundesrepublik ziemlich einmalig sein.

Siemens-Betriebsratsaffäre: Siemens-Zentrale in München.

Siemens-Zentrale in München.

(Foto: Foto: AP)

Seit bald fünf Monaten sitzt Wilhelm Schelsky, Gründer und langjähriger Chef der von Siemens gesponserten Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), in Untersuchungshaft. Und so schnell wird der ehemalige AUB-Boss und Unternehmensberater wohl auch nicht freikommen.

Schelsky, 58, muss damit rechnen, wegen verschiedener Delikte zu mehreren Jahren Haft verurteilt zu werden. So steht es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in einem kürzlich ergangenen Beschluss, mit dem das Landgericht Nürnberg-Fürth eine Haftbeschwerde Schelskys zurückgewiesen hatte.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, der einstige AUB-Chef müsse sich auf eine empfindliche Freiheitsstrafe gefasst machen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Das läuft darauf hinaus, dass der als AUB-Chef zurückgetretene Schelsky noch lange im Gefängnis bleibt. Auf Bewährung verschont wird nur, wer höchstens zwei Jahre Haft erhält.

Das war exakt das Maß, das Braunschweiger Richter bei Peter Hartz für angemessen hielten, plus 576.000 Euro Geldstrafe. In beiden Fällen geht es um nachgewiesene oder vermutete Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz.

Um der Manipulation und Korruption vorzubeugen, verbietet dieses Regelwerk Einflussnahmen auf Betriebsratswahlen und Vergünstigungen für Betriebsräte. Warum muss Schelsky also weiter in der Zelle darben, während Hartz auf Bewährung seine Pensionen genießen darf?

Wahlpropaganda

Die schlichte Antwort: Der Skandal bei Siemens ist weit größer als jener bei Volkswagen - obwohl letzterer mehr Schlagzeilen gemacht hat.

Nach Hartz sind umstrittene Reformen beim Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe benannt, und viel Rotlicht wurde auch noch sichtbar. Der Wolfsburger Autokonzern hat sich das Wohlwollen eines Betriebsratschefs erkauft. Der Münchner Technologiekonzern dagegen hat sich mit der AUB gewissermaßen eine eigene Arbeitnehmer-Organisation als Kampftruppe gegen die IG Metall gekauft.

Hartz hat als früherer Personalvorstand des Autokonzerns dem damaligen Betriebsratschef Klaus Volkert 2,6 Millionen Euro spendiert, in Form von Sonderzahlungen, milden Gaben für dessen brasilianische Geliebte sowie Bordellbesuchen und Luxusreisen.

Schelsky dagegen hat als Unternehmensberater von Siemens nach Erkenntnissen der Ermittler gut 50 Millionen Euro Honorar kassiert und größtenteils in die AUB gesteckt, die in dem Weltkonzern inzwischen etwa 150 Betriebsräte und eine Aufsichtsrätin stellt. Hinzu kommen Tausende Betriebsräte in anderen Unternehmen und Branchen.

Die 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth beschreibt in ihrem Beschluss, mit der Schelskys Haftbeschwerde verworfen wurde, wie dieses System funktioniert habe und was daran so verwerflich gewesen sei.

Schlechte Aussichten für Wilhelm Schelsky

Die AUB habe mit der verdeckten Unterstützung des Konzerns Geschäftsstellen aufgebaut, Personal beschäftigt, Seminare veranstaltet und Wahlpropaganda betrieben. So habe sich die AUB als kompetente Interessenvertretung der Belegschaft präsentiert. Dies sei dazu geeignet gewesen, Betriebsratswahlen zu beeinflussen. Und das wiederum verstoße gegen das Betriebsverfassungsgesetz.

Fluchtgefahr

Als Täter komme nicht nur der Arbeitgeber Siemens, sondern auch der vormalige Arbeitnehmer-Funktionär Schelsky in Betracht, notierten die Nürnberger Richter. Beide Vertragspartner, die verantwortlichen Herren bei Siemens wie auch Schelsky, hätten vorsätzlich gehandelt und elementare Grundsätze des Mitbestimmungsrechts missachtet.

Eine Betriebsratswahl sei allein Sache der Belegschaft. Unzulässig sei alles, was in sittlich anstößiger Weise die Stimmabgabe und das Wahlergebnis beeinflussen könne. Dazu zähle nicht nur die Abstimmung selbst, sondern auch das, was im Vorfeld geschehe.

In dem Gerichtsbeschluss ist auch von fingierten Rechnungen die Rede, die der AUB-Chef gestellt habe und mit denen Firmenvermögen von Siemens veruntreut worden sei.

Sowohl der Konzern als auch Schelsky hätten zudem jene Mittel, die letztlich der AUB zugute gekommen seien, zu Unrecht von der Steuer abgesetzt. Steuerhinterziehungen verfolgt die Justiz meist besonders streng. Bei Hartz war das kein Thema, er wurde wegen Untreue und Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz verurteilt.

Bei Schelsky kommt aus Sicht des Landgerichtes Nürnberg-Fürth die mutmaßliche Steuerhinterziehung hinzu, neben der Beihilfe zur Veruntreuung von Siemens-Vermögen.

Der dadurch entstandene Schaden könne zu einer Freiheitsstrafe führen, und das könnte Schelsky zur Flucht verleiten. Der Beschuldigte besitze immerhin Immobilien in Österreich und Kanada. Es sei daher nicht möglich, ihn freizulassen; die Untersuchungshaft müsse andauern, entschieden die Richter.

Der Anwalt von Schelsky war am Donnerstag nicht erreichbar; er hat bei früherer Gelegenheit angekündigt, den Beschluss des Landgerichts anzufechten. Sein Mandant habe nicht vor zu fliehen. Siemens wollte sich unter Hinweis darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele, nicht äußern.

Schelsky bleibt einstweilen nur der Blick aus dem Gefängnis nach draußen. Eine schlechte Aussicht.

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