Siemens:BenQ übernimmt die Handy-Sparte

Die Acer-Ausgründung BenQ ist der lange gesuchte Handy-Partner von Siemens. Wie die SZ aus Verhandlungskreisen erfuhr, wird Siemens fast das gesamte Handy-Geschäft verkaufen. Auch der US-Konkurrent Motorola hatte Interesse.

Von Markus Balser und Nikolaus Piper

Die letzten Verhandlungstage im Poker um den Einstieg bei der angeschlagenen Handy-Sparte von Siemens waren Verhandlungskreisen zufolge von großer Hektik geprägt.

Bis zuletzt hatte Siemens auch mit dem US-Konkurrenten Motorola über ein Joint Venture verhandelt. Das Motorola-Kontrollgremium lehnte ein Gemeinschaftsunternehmen jedoch den Angaben zufolge wegen der Risiken der Produktion in Deutschland ab.

Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hatte zuletzt die Bestandsgarantien für die deutschen Standorte Bocholt und Kamp-Lintfort bekräftigt. Der Verkauf an BenQ sieht nach Angaben aus Unternehmenkreisen die Ausgliederung der Sparte in eine BenQ-Tochter vor. Den Anteil, den Siemens künftig halten will, bezeichneten Verhandlungskreise als "symbolisch".

Rascher Aufstieg

Konzernchef Klaus Kleinfeld ließ sich zur entscheidenden Aufsichtsratssitzung am Montag telefonisch aus New York zuschalten. Die Konferenz des Kontrollgremiums, die das Joint Venture absegnen sollte, war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet.

Unternehmenskreise gingen jedoch nicht von einer Ablehnung des Vorschlags aus. Stimmt auch das Kontrollgremium von BenQ dem Konzept zu, soll der Verkauf am Dienstag veröffentlicht werden, hieß es.

Hartnäckig hatte das Unternehmen aus Taiwan bislang jeden Kontakt zu Siemens geleugnet. Noch Anfang Mai hatte BenQ-Chef Lee Kuen-Yao auf einer Pressekonferenz in Taipeh einen Bericht der Süddeutschen Zeitung über den geplanten Einstieg des Konzerns in das Handy-Geschäft von Siemens zurückgewiesen.

Hier zu Lande kaum bekannt, hat sich BenQ in der Elektronikbranche in den vergangenen Jahren mit seinem raschem Aufstieg international unter Experten einen Namen gemacht. Der asiatische Konzern rangierte im Handy-Geschäft zuletzt bereits unmittelbar hinter Siemens und Sony Ericsson - mit hohen Zuwachsraten.

Nicht nur in Asien, auch für Europa hat der Hersteller ehrgeizige Expansionspläne. Zusammen mit dem Marktanteil von Siemens könnte BenQ auf Platz vier der Weltrangliste vorrücken.

Auffallendes Design, viele technische Innovationen und schnelles Aufspüren von Branchentrends zeichnen die Asiaten nach Darstellung von Branchenkennern aus. Eine Deutschland-Strategie gebe es im Handy-Geschäft bislang nicht, sagte eine Sprecherin am Montag.

BenQ übernimmt die Handy-Sparte

Als einzigen europäischen Markt beliefert BenQ bislang Italien mit Handys unter eigenem Namen. Entstanden ist BenQ vor dreieinhalb Jahrenals Ausgründung des taiwanesischen Acer-Konzerns.

Unter dem neuen Firmennamen werden seitdem neben Handys unter anderem Bildschirme, Laptops, Scanner, Tastaturen, CD-ROM- und DVD-Laufwerke hergestellt, etliches davon in Auftragsfertigung. Im vergangenen Jahr belief sich der Konzernumsatz auf rund 10,5 Milliarden Dollar (8,9 Milliarden Euro).

Der Hersteller beschäftigt weltweit mehr als 27.000 Mitarbeiter. Die wichtigsten Produktionsstätten von BenQ liegen in China und Taiwan. Zudem produziert der Konzern in Malaysia und Mexiko. Etwa 60 Prozent des Umsatzes werden mit der Auftragsproduktion für andere Unternehmen erwirtschaftet.

Infineon könnte als Verlierer dastehen

Zu bieten hat Siemens vor allem eine in Deutschland, Europa und Südamerika noch immer starke Handy-Marke. An den im internationalen Maßstab vergleichsweise teuren Produktionsstandorten in Deutschland dürften mögliche Partner dagegen nur ein untergeordnetes Interesse haben.Noch immer boomt das Geschäft mit Mobiltelefonen.

Im ersten Quartal 2005 wurden weltweit mehr Handys verkauft als je zuvor. Trotz des Rekordabsatzes von über 180 Millionen Geräten ist der Marktanteil von Siemens in den ersten drei Monaten auf den niedrigsten Stand seit 1999 gesunken.

Das Ende der Hängepartie beflügelte den Kurs der Siemens-Aktie. Mit einem Plus von 1,5 Prozent auf 61,41 Euro waren die Siemens-Aktien größter Gewinner im Deutschen Aktienindex. Die Aktien des wichtigen Siemens-Zulieferers Infineon gaben dagegen um rund drei Prozent auf 7,29 Euro nach und waren damit größter Verlierer im Dax.

Infineon erzielt rund 30 Prozent seines Handy-Geschäfts mit Siemens, bemüht sich aber um mehr Unabhängigkeit vom ehemaligen Mutterkonzern.

Analysten halten es für möglich, dass Infineon durch die Partnerschaft von Siemens mit BenQ einen ihrer wichtigsten Kunden verlieren könnte.

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