Süddeutsche Zeitung

Sicherheitsprobleme bei Flugsicherung:Wie es zur rätselhaften Radarstörung kam

  • Gleich an zwei Tagen im Jahr 2014 bemerkten Fluglotsen Störungen auf dem Radarschirm: Sie konnten nicht mehr erkennen, wie hoch oder schnell die Flugzeuge flogen.
  • Zunächst wurde gemutmaßt, eine Militärübung der Nato sei die Ursache.
  • Die europäische Flugsicherheit verdächtigt nun aber tschechische Hersteller von Überwachungs- und Radartechnik.

Von Frederik Obermaier

Die Fluglotsen schlugen Alarm: Zwar sahen sie die Flugzeuge noch auf ihren Radarschirmen, sie konnten aber nicht mehr erkennen, wie schnell diese flogen und wie hoch. Genau das ist aber entscheidend, um Zusammenstöße zu verhindern. Insgesamt verloren die Lotsen am 5. und 10. Juni vergangenen Jahres das sogenannte Sekundärsignal von etwa 110 Maschinen.

Im Luftraum über halb Europa herrschte Chaos. Von einem "katastrophalen Ereignis" war später in einer Analyse für die österreichische Regierung die Rede. Lotsen mussten per Funk die Piloten der betroffenen Flugzeuge nach Höhe oder Geschwindigkeit fragen. Etliche Maschinen wurden umgeleitet, insgesamt kam es zu mehr als 150 Stunden Verspätung.

Hat ein Offizier irrtümlich den "roten Knopf" gedrückt?

Mehrere Medien mutmaßten schnell, dass ein Militärmanöver der Nato schuld sei an den mysteriösen Radarstörungen in Süddeutschland, Tschechien, Polen, der Slowakei und Österreich. Andere spekulierten über einen Hackerangriff. Ein Bericht der Europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA kommt nun allerdings zu einem ganz anderen Schluss.

Die Nato hatte zwar zu jener Zeit in Ungarn und Italien eine Übung zur elektronischen Kampfführung namens "NEWFIP 2014" (PDF) durchgeführt. Laut EASA gebe es jedoch "keine Beweise", dass diese die Radarausfälle verursacht hätte oder - wie es die österreichische Tageszeitung Kurier ausgedrückt hatte - ein Offizier irrtümlich den "roten Knopf gedrückt" hat.

Die Störquelle könnte etwa 100 Kilometer von Prag entfernt liegen

Es sei auch sehr unwahrscheinlich, dass das Wetter oder gar ein Cyberangriff eine Rolle gespielt haben. Stattdessen hat die Europäische Flugsicherheitsbehörde die entscheidende Störquelle in einem Gebiet etwa 100 Kilometer östlich von Prag in der Nähe von Pardubice ausgemacht. "Es ist höchst wahrscheinlich, dass von der dortigen Industrie durchgeführte Tests die tatsächliche Quelle für die Störungen gewesen sind", schreibt die EASA.

In einer als "geheim" gekennzeichneten Version des EASA-Berichtes, der SZ und WDR vorliegt, wird die Europäische Agentur für Flugsicherheit noch deutlicher: Man verdächtige mehrere tschechische Hersteller von Überwachungs- und Radartechnik, namentlich die Firmen ERA, T-CZ, ELDIS, RAMET und RETIA. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass Tests dieser Unternehmen zu den Radarstörungen geführt hätten.

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Auf Anfragen von SZ und WDR reagierten RETIA und ELDIS nicht, RAMET ging nicht näher auf die Fragen ein und T-CZ wies die Vorwürfe zurück. Die Firma ERA teilte mit, man habe der EASA die angeforderten Informationen zur Verfügung gestellt. Der Inhalt sei aber vertraulich.

Die EASA-Experten konnten bis heute nicht klären, was genau damals in Tschechien getestet wurde. Nur so viel könne man sagen: Offenbar sei die Quelle der Störsignale heute nicht mehr aktiv.

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