Sicherheit der Stromversorgung:Und der Winter kann kommen

Der Strom ist sicher, sagt das Wirtschaftsministerium in einem internen Papier - und am gleichen Tag gehen in München die Lichter aus. Mit der Energiewende ist die Angst gewachsen, dass es zu einem bundesweiten Blackout kommen könnte, wenn an einem widrigen Wintertag zu wenig Ökostrom produziert wird. Doch noch mehr Sicherheit könnte für die Kunden teuer werden.

Michael Bauchmüller, Berlin

Energiewende Ökostrom Stromausfall München

Den Simulationen zufolge ist an eisigen und nebligen Wintertagen zwischen einem und 2,4 Gigawatt Stromreserve nötig, um die Lage im Stromnetz zu stabilisieren.

(Foto: Peter Bauersachs)

Was bei so einem Blackout passieren kann, das weiß zumindest so mancher Münchner seit diesem Donnerstag ziemlich genau: nämlich gar nichts mehr. Was aber, wenn ganze Ballungsräume, ganze Bundesländer keinen Strom mehr haben, und das über Stunden hinweg? Nicht zuletzt mit der Energiewende ist diese Angst gewachsen - schließlich ist die Stromversorgung damit auch stärker von Wind und Wetter abhängig. Etwa an einem eiskalten, nebligen Wintertag, windstill, mit wenig Sonne. Ergo mit wenig Ökostrom. Es sind solche Tage, für die das deutsche Stromsystem gewappnet sein muss.

Doch wie es aussieht, müssen die Deutschen auch vor dem kommenden Winter keine Angst haben. Das geht aus einem internen Papier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Danach werde die Situation im kommenden Winter "angespannt, aber beherrschbar" bleiben. Dies hätten umfangreiche Berechnungen der Bundesnetzagentur ergeben - genau für jene extremen Tage, die im Winter blühen, inklusive des plötzlichen Ausfalls einer Höchstspannungsleitung.

Den Simulationen zufolge sei an solchen Tagen zwischen einem und 2,4 Gigawatt Stromreserve nötig, also Kraftwerke, die im schlimmsten Fall rasch hochgefahren werden können, um die Lage im Stromnetz zu stabilisieren. Vor allem in Süddeutschland sind solche Kraftwerke nötig.

Allerdings haben die Betreiber der großen deutschen Stromnetze mittlerweile ein halbes Dutzend solcher Notkraftwerke fest als Reserve gebucht - in Mannheim, bei München, in Mainz, in Karlsruhe. Wie im letzten Winter sollen notfalls auch in Österreich Anlagen zusätzlichen Strom einspeisen. Gesamtleistung der Notreserve: 2,5 Gigawatt, nahezu ein Gigawatt mehr als im Jahr zuvor.

Glaubt man den Experten des Wirtschaftsministeriums, wird sich an der Lage so bald nichts ändern. Bis 2015 seien unterm Strich keine zusätzlichen Kraftwerke in Süddeutschland zu erwarten. "Die Situation wird daher auch in den weiteren Wintern angespannt bleiben", heißt es in dem Papier. Erst der weitere Ausbau der Stromnetze biete Entlastung. Weshalb der Bundestag demnächst ein Gesetz verabschieden soll, auf dessen Grundlage die Bundesnetzagentur notfalls die Abschaltung von Kraftwerken verhindern kann.

"Die Versorgungssicherheit hat absolute Priorität"

Die Kosten dafür sollen, wie auch jene der 2,5-Gigawatt-Kaltreserve - an die Stromkunden weitergereicht werden. Ziel müsse sein, "der Gefahr eines Stromausfalls vorzubeugen, bis sich die Lage etwa durch den Ausbau der Netze oder die Fertigstellung neuer Kraftwerke entspannt hat", sagt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). "Die Versorgungssicherheit in Deutschland hat absolute Priorität."

Erst kürzlich hatte der Eon-Konzern bekannt gegeben, er wolle die bayerischen Gaskraftwerke Irsching 3 und Staudinger 4 vom Markt nehmen. Sie rechneten sich nicht mehr, seit immer öfter Solarstrom die Deutschen versorge. Derzeit verhandelt der Netzbetreiber Tennet mit Eon über den weiteren Betrieb der beiden Blöcke: als Kaltreserve.

Derweil geht der Boom der erneuerbaren Energien offenbar ungebremst weiter. Am Donnerstag legten die Betreiber der vier großen Übertragungsnetze - neben Tennet die Firmen Amprion, 50 Hertz und Transnet BW - ihre Prognose für den weiteren Ausbau vor.

Danach könnte der Anteil erneuerbarer Energien schon 2017 bei 38 Prozent liegen - und damit weit über der Zielmarke von 35 Prozent, die von der Bundesregierung eigentlich für 2020 angepeilt war. Gegenüber 2011 hätte sich der Anteil damit verdoppelt. Insgesamt wäre bis 2017 so eine Leistung von 111 Gigawatt Ökostrom am deutschen Netz. Das ist mehr, als alle konventionellen Kraftwerke zusammen erzeugen können. Aber eben weniger konstant, was wieder die Netze strapaziert.

Zumindest politisch aber dürfte das Thema im kommenden Jahr an Sprengkraft verlieren: Nach der massiven Anhebung der Ökostrom-Umlage Anfang 2013 dürfte erst einmal Ruhe einkehren. Nach Daten der Netzbetreiber schwankt die Umlage für 2014 zwischen 4,89 und 5,74 Cent je Kilowattstunde: Das wäre selbst im schlimmsten Fall kaum mehr als jene 5,3 Cent, auf die der Ökostrom-Obulus kürzlich festgelegt wurde.

Was wiederum hervorragend zur Bundestagswahl im kommenden September passt: Denn bekannt gegeben wird der Anstieg der Umlage stets im Herbst des Vorjahres.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: