Share Economy:Teilen allein nutzt der Umwelt noch nicht

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Nur weil man kein eigenes Auto mehr besitzt, bedeutet das nicht, dass man weniger fährt. Das Gegenteil kann sogar der Fall sein - wenn der "Rebound-Effekt" zuschlägt. (Foto: Chip Somodevilla/AFP)
  • Nur weil beispielsweise Autos geteilt werden, heißt das noch lange nicht, dass auch die Umwelt profitiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie.
  • Fahrten werden durch Dienste wie Uber billiger - also können sie sich potenziell mehr Menschen leisten und nutzen das auch, wie das Beispiel New York zeigt.
  • Die Autoren betonen, dass nach wie vor die Vorteile einer Ökonomie des Teilens überwiegen - es aber eine "Regulierung mit Augenmaß" braucht.

Von Pia Ratzesberger, München

In einer Stadt wie New York stauen sich die Autos nicht mehr in den Straßen, ganze Parkhäuser bleiben leer, nur noch wenige metallene Fahrzeuge schieben sich die Blocks entlang. Die Rush Hour? Ein Relikt aus alten Zeiten. Manche Befürworter der Share Economy stellen sich so die Zukunft des Teilens vor: grüne Großstädte ohne viel Verkehr. Sie argumentieren, wenn niemand mehr ein Auto besitze, sondern alle nur über das Handy Fahrten orderten, dann müsse das doch die Zahl der Autos reduzieren, die Abgase, den CO₂-Ausstoß, die Schäden für die Umwelt.

Seit es Uber gibt, steigt die Zahl der Taxifahrten in New York stark

Eine neue Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) im Auftrag der Randstad-Stiftung kommt allerdings zu einem anderen Ergebnis. Das Papier zu Chancen und Risiken der Share Economy wird an diesem Donnerstag veröffentlicht und liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Die Autoren Werner Eichhorst und Alexander Spermann warnen darin, dass der Plattformkapitalismus die Umwelt mehr schädigen als schützen könnte. Sie verweisen auf den New Yorker Taximarkt. Seit dort der Fahrdienst-Vermittler Uber vor drei Jahren die ersten Touren anbot, sei die Zahl der Taxifahrten stark gestiegen. Zählte man im Juni 2013 in New York noch 14,8 Millionen Fahrten, waren es im Juni dieses Jahres 17,5 Millionen. Vor allem in den Randbezirken der Stadt bestellen sich mehr Leute als früher ein Taxi.

Eichhorst und Spermann sehen das in den günstigen Preisen begründet, mit denen die Firmen der Share Economy der Konkurrenz Druck machen. Die Unternehmen stellen allein die Plattformen zur Verfügung, das betonen sie selbst immer wieder gerne, wenn Gewerkschaften oder Gerichte ihnen vorwerfen, dass sie die Pflichten eines Arbeitgebers nicht wahren: Beim Fahrdienst-Vermittler Uber etwa erklärte man regelmäßig, dass man doch gar kein Arbeitgeber sei, nur die App anbiete, mit Hilfe derer Chauffeur und Kunde zusammenfänden. Die Taxifahrer nämlich sind selbständig, die kalifornische Firma spart sich unter anderem Beiträge für Krankenversicherungen. "Wegen der niedrigen Preise können und wollen sich dann viel mehr Leute als vorher eine Taxifahrt leisten", sagt Wirtschaftswissenschaftler Spermann vom IZA. In der Umweltökonomie wird dieses Phänomen als Rebound-Effekt bezeichnet: Höhere Effizienz führt zu höherer Nachfrage, das kennt man schon seit dem 19. Jahrhundert. Als etwa die ersten Dampfmaschinen nach Entwürfen von James Watt in den englischen Fabriken arbeiteten, verbrauchten die zwar weniger Kohle als die vorigen Modelle. Und trotzdem verbrannte im ganzen Königreich plötzlich so viel von dem Rohstoff wie kaum zuvor.

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Wenn die Nachfrage immer weiter wächst, wachsen auch die Firmen, sie wollen mehr Arbeitskraft: Manche, wie etwa der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, fürchten ein neues Prekariat, er verurteilte die Share Economy als Ausbeutung. Eichhorst und Spermann aber halten solche Befürchtungen für übertrieben - noch zumindest. Ihnen zufolge gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Ökonomie des Teilens eine Heerschar an Niedriglöhnern hervorbringe. Kurz nach den Hartz-Reformen vor etwa zehn Jahren habe sich die Zahl der Solo-Selbständigen deutlich erhöht, sei dann aber stabil geblieben und zuletzt sogar etwas zurückgegangen. Außerdem: Wer seine Wohnung zeitweise an Urlauber vermiete oder wer mit seinem Auto andere durch die Stadt chauffiere, für den sei das oft nur ein Nebenverdienst, schreiben die Autoren. Bei den Uber-Fahrern in den USA etwa hätten mehr als die Hälfte eine andere Hauptbeschäftigung, arbeiteten in dieser Voll- oder Teilzeit. "Vielen Leuten bietet die Share Economy die Möglichkeit, sich etwas dazu zu verdienen und mal etwas zu gönnen", sagt Spermann. Er verweist auf eine Umfrage aus San Francisco, der Gründungsstadt der Wohnplattform Airbnb. Dort hat sich gezeigt, dass knapp die Hälfte der Anbieter, die ihre vier Wände an fremde Urlaubsgäste verleihen, die Miete anschließend für "Sonderausgaben" nutzen - also nicht, um den Alltag zu bestreiten.

Gerade das Beispiel Airbnb zeigt aber auch, dass die Share Economy zunehmend als Bedrohung wahrgenommen wird, als Bestie, die es zu bändigen gilt. In Berlin etwa gibt es mittlerweile ein gesetzliches Zweckentfremdungsverbot für Wohnungen, manche nennen es "Airbnb-Verbot". Es soll verhindern, dass privater Wohnraum gewerblich an Urlaubsgäste vermietet wird statt an langfristige Mieter. Auch Uber hat man in die Schranken gewiesen: Das ursprüngliche Geschäftsmodell mit Privatfahrern ohne Lizenz ist momentan in vielen Ländern weltweit untersagt, auch in Deutschland.

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Risiken, ja - aber die Chancen überwiegen immer noch

"Der Staat muss in solchen Fällen entscheiden, ob er die neuen Geschäftsmodelle erst einmal wuchern lässt oder ob er sie direkt abwürgt", sagt Spermann. Er plädiert dabei für eine Regulierung "mit Augenmaß". Die deutsche Wirtschaft solle die Chancen nutzen, die ihr die Ökonomie des Teilens biete. Schließlich hätten die neuen Firmen das Potenzial, eine Menge Jobs zu schaffen und damit Wachstum. Die Anfangsinvestitionen für Gründer nämlich sind oft nicht hoch, belaufen sie sich doch manchmal nur auf das Programmieren einer App. Auch die zusätzlichen Kosten für einen zusätzlichen Nutzer der Plattformen sind gering, die Erträge aber hoch. "Alles in allem überwiegen immer noch die Chancen der Share Economy", sagt Spermann.

Und was die vielen Taxis auf den New Yorker Straßen betrifft: Vielleicht lasse sich dieses Problem ja lösen, indem man Routen kombiniere, schlägt Spermann vor. So dass ein Fahrer nicht nur einen Taxigast mitnehme, sondern mehrere. Diese Idee hatte Uber sogar schon, die App Uberpool bringt in New York seit etwa einem Jahr Leute zusammen, die in die gleiche Richtung unterwegs sind. Die US-Firma hatte dabei aber weniger die Umwelt im Blick als den Preis: Sie wirbt damit, dass eine Fahrt um die Hälfte günstiger sei als bei gängigen Uber-Diensten, die Kosten verteilten sich schließlich auf mehrere Köpfe. Bei so niedrigen Preisen dürften wohl noch einmal mehr Leute ein Taxi bestellen.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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