Share Economy im Internet:Die Generation Y teilt

Mein Haus, mein Auto, mein Garten - Besitz war gestern. Heute wird geteilt, getauscht und privat vermietet. Man kennt: Couchsurfing oder Carsharing. Laut einer aktuellen Studie ist das schon heute mehr als nur eine Mode.

Pia Ratzesberger

Vom Luftballon zum Auto - Jakob Strehlow hat getauscht. Zuerst seinen Ballon gegen ein Multifunktionswerkzeug. Dann das Werkzeug gegen eine Computersoftware, die Software gegen ein Fahrrad, das Rad gegen eine Pumpe. Mittlerweile ist aus dem Plastikballon ein gebrauchter Ford Fiesta geworden. Im Internet hatte der Schüler nach Tauschpartnern gesucht und bei jedem Tausch Hunderte von Angeboten durchforstet. Doch auch mit dem Ford gibt sich Strehlow nicht zufrieden, sondern will ihn gegen etwas noch Größeres eintauschen: Am Ende der Tauschkette soll einmal ein Haus stehen.

Im Rahmen seiner Abschlussarbeit für die Schule will der 18-Jährige testen, wie weit man ohne Geld und nur durch den Handel von Gegenständen kommt. Auf Facebook hat Jakob eine eigene Gruppe gegründet. "Tauschbook" nennt die sich: Dort werden Supermarkt-Treuepunkte-Karten mit Schokopralinen getauscht oder Keyboards mit Damenfahrrädern.

Was Jakob in seiner Facebook-Gruppe mit etwa 2000 Mitgliedern im Kleinen praktiziert, ist nicht nur dort erfolgreich. Auf immer mehr Internetportalen werden Sachen getauscht, verliehen oder privat vermietet. Die Nutzer dieser Portale wollen nicht mehr besitzen um des Besitzens willen. Sie wollen nicht mehr haben, sondern nur noch nutzen, wenn sie gerade etwas brauchen. In ihrer Welt zählt Zugang mehr als Eigentum: Sie buchen für den Urlaub in Barcelona die Privatwohnung eines Spaniers, der selbst gerade auf Reisen ist; sie teilen sich den Garten in der Großstadt mit fünf anderen, sitzen bei der Arbeit im Coworking Space zu zehnt in einem Raum und vermieten ihr Auto, wenn sie es gerade selbst nicht brauchen.

Eine Studie mit dem Titel "Deutschland teilt" der Leuphana-Universität Lüneburg, dem Online-Unterkunftsvermittler Airbnb und dem Medien- und Sozialforschungsunternehmen TNS-Emnid hat herausgefunden, dass jeder zweite Deutsche schon Erfahrungen mit alternativen Konsumformen hat. Selten genutzte Gegenstände, wie zum Beispiel Gartengeräte oder Werkzeuge, haben immerhin 25 Prozent der Befragten schon einmal von anderen gemietet.

Warum auch soll man Dinge für viel Geld kaufen, die man sowieso nur ein- bis zweimal im Jahr nutzt? Start-Up-Unternehmer Phillip Glöckler hat sich genau diese Frage gestellt und gemeinsam mit zwei Freunden die Iphone-App Why own it entwickelt. Mit Hilfe der App kann man sehen, welche der Facebook-Freunde und Kontakte aus dem Telefonbuch eine Bohrmaschine besitzen oder die neue Serienstaffel im Regal stehen haben. Die Nutzer sollen so nicht nur Geld sparen - die Idee von Why own it ist, "ganz nebenbei auch noch mehr über die Freunde zu erfahren". Wer die Bohrmaschine abholt, bleibt vielleicht noch auf einen Kaffee.

Essen teilen statt wegwerfen

Eine ähnliche Idee steht hinter der erst Mitte Dezember gestarteten Plattform Foodsharing. Essen an Freunde, Bekannte und Unbekannte weitergeben statt wegwerfen: Valentin Thurn, der im vergangenen Jahr mit seiner Dokumentation "Taste the waste" bekannt geworden ist, hat die Website und App gegründet, um gegen die Lebensmittelverschwendung der deutschen Haushalte anzukämpfen. Jeder kann aufzählen, was bei ihm Überflüssiges im Kühlschrank liegt. Die Auswahl reicht von Plätzchen-Backmischungen über Schlagsahne und Apfelmus bis hin zu Bratwürsten und Paprika. Die Nutzer können sich durch verschiedene Essenskörbe klicken und dem Bietenden anschließend Abholinteresse signalisieren.

Website für das Verschenken von Lebensmitteln

Essen in Körbe packen und weitergeben statt wegwerfen: Foodsharing soll die Lebensmittelverschwendung reduzieren.

(Foto: dpa)

Momentan leben laut der Studie "Deutschland teilt" etwa zwölf Prozent der Bevölkerung geteilten Konsum - also im Sinne des gemeinsamen Organisierens und Konsumierens über das Internet. Doch die Share Economy bringt nicht immer nur Vorteile, sondern auch rechtliche Risiken: "Man ist häufig schlechter abgesichert, als wenn man von einem Unternehmen kauft oder mietet", sagt Professor Florian Faust von der Bucerius Law School in Hamburg. Schließlich sei der Vertragspartner in der Regel ein Privatmann, das Verbraucherschutzrecht gelte aber nur im Verhältnis von Unternehmern zu Verbrauchern. Dinge umtauschen, die doch nicht gefallen, Gegenstände zurückgegeben, die kaputt sind - all das sei oft viel schwieriger.

Doch vor allem unter den 14- bis 29-Jährigen sind die Verleih-und Tauschsysteme im Netz beliebt: 25 Prozent nutzen laut der Studie "Deutschland teilt" die Internetportale - vor allem diejenigen mit höherer Bildung und höherem Einkommen. Generation Y wird diese Gruppe oft genannt, Nachfolger der Babyboomer-Generation X. Sie sind mit den digitalen Medien aufgewachsen, nutzen die sozialen Netzwerke wie ihre Eltern das Telefon und gelten manchmal sogar als Herausforderung für die Arbeitgeber. Die jungen Absolventen könne man nicht mehr mit Firmenwagen umgarnen, stattdessen forderten sie zunehmend nicht-materielle Privilegien ein: Mehr Urlaub, mehr Flexibilität - und sie sind es auch, die die Ökonomie des Teilens vorantreiben.

Dabei kam der Begriff der Share Economy zu einer Zeit auf, als die Generation Y gerade erst geboren wurde. In den 80er Jahren prägte der Wirtschaftswissenschaftler und Harvard-Professor Martin Weitzmann den Ausdruck. Jedoch in einem anderen Zusammenhang als er heute verwendet wird: Der Ökonom ging in seinem Buch der Frage nach, ob festgesetzte oder flexible Löhne in einem Unternehmen zu mehr Beschäftigung führen. Und auch die Idee zum Tauschen und Teilen ist keine Erfindung der Generation Y - wenngleich sie ihr zu einem neuen Boom verholfen hat: Der erste Secondhandladen Deutschlands öffnete seine Türen in Hamburg schon vor mehr als 40 Jahren.

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