Youtube-Musikvideos:Goliath gegen Goliath

Lesezeit: 2 Min.

Die britische Sängerin Adele. (Foto: Matt Crossick/dpa)

Die Rechtevertretung Sesac verhandelt mit Youtube über einen neuen Vertrag. Und plötzlich können Kunden in den USA dort keine Videos mehr von Weltstars wie Bob Dylan oder Adele aufrufen. Der Fall dürfte deutschen Internetnutzern bekannt vorkommen.

Von Max Muth

Der Satz „Diese Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar“ dürfte bei vielen hiesigen Internetnutzern auch ein Jahrzehnt später immer noch negative Gefühle auslösen. Zahllose Musikvideos auf Youtube weigerten sich bis 2016, auf deutschen Computern und Handys abgespielt zu werden. Auch wegen Eigenheiten wie diesen galt Deutschland damals als Internet-Entwicklungsregion („Neuland“). Doch vielleicht müssen Geschichtsbücher nun umgeschrieben werden, denn seit dem Wochenende grüßt ein ähnlicher Spruch auch US-amerikanische Youtube-Konsumenten, die Videos von Adele, Nirvana, Bob Dylan oder Kendrick Lamar aufrufen wollen.

Die Begründung ist nahezu identisch wie damals in Deutschland: ein Streit zwischen Youtube und einer Rechteverwertungsgesellschaft. Nur streitet die Google-Tochter diesmal nicht mit der langweiligen Gema, sondern mit der etwas aufregenderen Sesac. Die in den 1930er-Jahren von einem deutschen Auswanderer in den USA gegründete Gesellschaft macht im Grunde auch nichts anderes als die Gema, ist aber dennoch etwas Besonderes. Anders als die meisten ihrer Schwesterorganisationen ist sie eine profitorientierte Firma – mit noch profitorientierteren Eigentümern. Seit 2017 gehört sie der Investmentfirma Blackstone. Und die ist – zumindest dem Wert des verwalteten Vermögens nach – die weltweit größte Beteiligungsgesellschaft.

Keiner sitzt wirklich am längeren Hebel

Dieser Tage läuft nun ein Lizenzvertrag zwischen der Sesac und Youtube aus. Trotz „größter Anstrengungen“ habe man sich bislang nicht auf einen neuen Deal einigen können, schreibt Youtube auf der Plattform X nach Beschwerden von Nutzern. Deshalb blockiere man die Inhalte, ansonsten verstoße man gegen Copyright-Gesetze. Ob das ganz so stimmt, darüber gibt es allerdings leise Zweifel. So zitiert das Branchenblatt Variety eine Quelle, die behauptet, eigentlich laufe die Vereinbarung erst kommende Woche aus. Dass Youtube jetzt schon die Inhalte blockiere, sei also möglicherweise als Verhandlungstaktik zu sehen.

Die Grundkonstellation ist ähnlich wie bei Gema gegen Youtube. Doch es gibt ein paar Unterschiede, die für Adele-Fans in den USA eher gute Nachrichten sind. Die Gema ertrotzte ihren Künstlern damals in einem zehn Jahre währenden Kampf erstmals Lizenzgebühren. Bei Sesac gegen Youtube geht es diesmal nur um eine Verlängerung. Und während der Kampf Gema gegen Youtube sehr akkurat als David gegen Goliath beschrieben werden konnte, geraten diesmal die weltweit größte Investmentfirma (Blackstone) und das viertgrößte Unternehmen der Welt (Alphabet) aneinander.

Mit einem Investor wie Blackstone im Hintergrund kann es sich die Sesac erlauben, eine Weile auf Einnahmen zu verzichten. Doch Künstler wie Adele oder Kanye West werden nicht ewig auf die Einnahmen warten wollen. Und Youtube, das zu Googles Mutterfirma Alphabet gehört, hat es finanziell nicht nötig, schnell zu einer Einigung zu kommen. Andererseits dürfte der Druck der Musikfans schnell zunehmen, gilt die Blockade doch nicht nur für das werbefinanzierte Youtube, sondern auch für die Bezahldienste, die keine Werbung zeigen. Mit Spotify, Deezer, Tidal und Apple-Music gäbe es genügend Alternativen für Adele-Fans, die nur einen Klick entfernt sind. Beide Parteien haben also gute Gründe für eine zügige Einigung.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungDie Krise der Baywa
:Niemand hat den Größenwahn der Baywa gestoppt. Kontrolleure und Großaktionäre haben versagt

SZ PlusKommentar von Caspar Busse
Portrait undefined Caspar Busse

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: