Serie:Wenn die Kurse verrückt spielen

B-Poesie für 3.1. 2020 / Hexensabbat

An der Börse tanzen am Hexensabbat die Notierungen. Aber weshalb?

Von Felicitas Wilke

Es sollen die Nächte gewesen sein, in denen sich die vermeintlichen Hexen zum Tanz trafen, zusammen den Teufel anbeteten und allerlei Schadenzauber planten. So beschreiben Historiker der Uni Münster, was ursprünglich hinter dem Begriff des Hexensabbats steckt. Der Glaube an die Zauberinnen, begleitet von antijüdischer Propaganda, bildete den Nährboden für die Vorstellung dessen, was sich am Hexensabbat abgespielt haben soll.

An Hexen glaubt heute niemand mehr, doch an der Börse existiert der Begriff bis heute. Dort bezeichnet er die Tage, an denen die Kurse scheinbar ohne Grund verrückt spielen und - mal mehr, mal weniger - nach oben und unten tänzeln. Viermal im Jahr, am jeweils dritten Freitag im März, Juni, September und Dezember, verfallen an der Terminbörse Eurex die Optionen, also bestimmte Wetten auf Einzelaktien, die Optionen auf Indizes und die Futures auf Indizes. Es ist auch vom "Großen Verfallstermin" die Rede. Denn im Gegensatz zu den Futures, die nur zum Ende eines Quartals verfallen, geschieht dies bei Optionen alle vier Wochen. Dann spricht man an der Börse vom "Kleinen Verfall". Optionen und Futures gehören zu den Derivaten. Wer eine Option erwirbt, hat das Recht, beispielsweise eine Aktie nach Ende der Laufzeit zu einem bestimmten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Für dieses Recht wird eine Prämie fällig; nutzen müssen die Anleger es allerdings nicht - daher auch der Name. Mithilfe von Optionen lässt sich auf steigende oder fallende Kurse wetten. Auch Futures sind Termingeschäfte, die sich auf einen Handel von Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder Währungen in der Zukunft beziehen. Allerdings verpflichten sich anders als bei Optionen beide Parteien dazu, das Geschäft einzugehen. Schwanken dann die Kurse zum Verfallstag hin scheinbar ohne echten Grund, versuchen große Investoren wie Fonds- oder Vermögensverwalter schon vor dem Hexensabbat die Kurse in die Richtung zu treiben, die ihnen genehm ist. An vielen Verfallstagen registrieren die Börsen daher mehr Käufe und Verkäufe als an normalen Handelstagen. Dementsprechend schwanken die Kurse oft stärker als sonst.

Aber was heißt das für langfristig orientierte private Anleger? Weil Derivate komplex und riskant sind, raten Experten wie Verbraucherschützer oder die Stiftung Warentest in aller Regel davon ab, Optionen oder Futures zu erwerben. Wer sein Geld über Jahre oder Jahrzehnte anlegt, etwa in Indexfonds oder Investmentfonds, muss sich ohnehin nicht vor dem vierteljährlichen Hexensabbat fürchten. Denn kurzfristige Schwankungen können diese Anleger ganz entspannt aussitzen.

Am Samstag, 4. Januar, erscheint der nächste Teil, Thema: Hindenburg-Omen.

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