Serie:Nicht der neue Zins

hf / 31.08.

Die Dividende ist mitunter attraktiver als der Aktienkurs. Für Anleger ist das schön, aber trügerisch.

Von Harald Freiberger

Wenn es um Aktien geht, dann schauen viele zuerst auf den Kurs. Das Auf und Ab der Notierungen bestimmt die Nachrichten an der Börse. Was dabei oft in den Hintergrund gerät, ist ein anderer Faktor, der für den Erfolg an der Börse eine maßgebliche Rolle spielt: die jährliche Ausschüttung von Aktiengesellschaften an ihre Anleger, auch Dividende genannt.

Ein Beispiel illustriert dies: Im Deutschen Aktienindex (Dax), der die 30 größten deutschen Börsenwerte zusammenfasst, sind die Dividenden mit eingerechnet. Seit dem Tiefstand in der Finanzkrise im März 2009 hat sich der Index mehr als verdreifacht, von 3666 auf knapp 12 000 Punkte. Lässt man die Dividenden außen vor, wäre er im selben Zeitraum von 2307 auf 5340 Punkte gestiegen, hätte sich also nur gut verdoppelt.

Dies zeigt, dass die Dividende ein wichtiges Argument für Anleger ist, in Aktien zu investieren, gerade in Zeiten niedriger Zinsen. Seit Jahren wirft Erspartes auf dem Sparbuch, als Tages- oder Festgeld kaum mehr Ertrag ab; die Rendite sicherer Staatsanleihen ist in den vergangenen Monaten sogar deutlich in den negativen Bereich gerutscht. Im Vergleich dazu muten die Dividenden aller knapp 600 deutschen Aktiengesellschaften wie ein Geldsegen für Anleger an. Sie schütteten 2019 rund 57 Milliarden an die Anteilseigner aus, 6,6 Prozent mehr als im Jahr davor, der höchste Wert aller Zeiten.

Es gibt dafür auch eine relative Zahl: die Dividendenrendite. Diese setzt die Dividende ins Verhältnis zum Aktienkurs am Tag der Ausschüttung. Eine Dividende von sechs Euro pro Aktie bei einem Kurs von 200 Euro ergibt zum Beispiel eine Dividendenrendite von drei Prozent. Bei genau 3,0 Prozent lag 2019 die Dividendenrendite der 160 Aktiengesellschaften in Dax, M-Dax und S-Dax, bei den 436 Nebenwerten waren es 2,9 Prozent.

Das ist in der Tat ein Argument für die Aktie, und nicht selten hört man den Spruch: "Dividende ist der neue Zins." Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, warnt jedoch vor diesem Glauben: "Besonders ärgerlich ist, dass der Eindruck erweckt wird, die Dividendenrendite sei eine feste Größe, eine Art Festzins auf die Aktienanlage", sagt er. Man dürfe sie nicht mit dem Zins für Anleihen oder Tagesgeld vergleichen, die Anlage in Aktien sei strategisch etwas völlig anderes als die Anlage in verzinsliche Produkte.

Ein Anleger muss sich klar werden, wie viel Risiko er eingehen will; je längerfristig er anlegt, umso höher kann die Aktienquote sein. Auf kurze Sicht bergen Aktien ein höheres Risiko als festverzinsliche Produkte, auf lange Sicht bieten sie höhere Chancen - und die Dividendenrendite hat daran einen wichtigen Anteil.

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