Süddeutsche Zeitung

Serie:Im Zoo

Bulle und Bär symbolisieren das Auf und Ab an den Börsen. Die Wall Street hat auf eine Figur verzichtet.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wer mit Aktien handelt, braucht vermeintlich gute Nerven. Schließlich kann man an der Börse viel Geld gewinnen, aber auch viel verlieren. Mit etwas Abstand sieht die Sache aber schon weniger aufregender aus: In der Finanzgeschichte gab es immer wieder lange Phasen, in denen es tendenziell fast nur aufwärts oder abwärts ging. In so einem Fall sprechen die Experten von Bärenmärkten (es geht abwärts) oder Bullenmärkten (es geht aufwärts). Wo genau diese Symbolik ihre Ursprünge hat, ist nicht belegt. Womöglich aber hat es etwas mit dem Verhalten der Tiere zu tun: Während der Bulle mit den Hörnern nach oben stößt, was finanziell optimistisch wirken könnte, schlägt der Bär mit seiner Pranke nach unten. So kann man es sich jedenfalls gut merken.

Zehn Jahre lang ging es zuletzt an den Aktienmärkten weltweit aufwärts. Experten sprachen von einem besonders ausdauernder Bullenmarkt. Solchen Phasen liegt in der Regel ein gesamtwirtschaftlicher Aufschwung zugrunde, der aber auch in Überbewertungen, also eine Blase münden kann. Entsprechend groß ist in diesen Tagen die Nervosität an den Märkten, dass dieser Bullenmarkt bald durch einen Bärenmarkt abgelöst wird, etwa weil die Weltwirtschaft angesichts des globalen Handelskriegs in eine Rezession rutscht. Der deutsche Leitindex Dax fiel zeitweise auf das niedrigste Niveau seit Ende März diesen Jahres.

Auch am Donnerstag ging es bergab. Als Symbol für die Börse sind Bulle und Bär aber auch Menschen bekannt, die sich nicht für den Finanzmarkt interessieren. Als die Frankfurter Wertpapierbörse im Jahr 1985 ihr 400-jähriges Bestehen feierte, beauftragte der damalige Börsenvorstand beim Würzburger Bildhauer Reinhard Dachlauer eine Bullen- und eine Bärenfigur. Seither bewachen die beiden auf dem Börsenplatz in der Frankfurter Innenstadt den Eingang zum Handelsparkett - auch wenn der eigentliche Handel längst auf die elektronische Plattform Xetra gewandert ist. Kaum ein Börsengang, kaum eine Reisegruppe, die Frankfurt besucht, kommt seither ohne Gruppenfoto vor den beiden putzigen Tieren aus. Als man sich in Frankfurt unlängst vornahm, einen Weltrekord im Grüne-Soße-Essen aufzustellen, wurden die Tiere kurzerhand grün angemalt.

In New York, in der Nähe der Wall Street, gibt es übrigens eine ähnliche Statue, die ebenfalls zum Symbol für den Finanzkapitalismus geworden ist, die aber vier Jahre nach Bulle und Bär in Frankfurt aufgestellt wurde: Ein stürmender Bulle aus Bronze läuft dort auf ein "furchtloses Mädchen" zu, das den Bullen scheinbar aufhalten will. Allerdings: Den Bären, der ja für den Pessimismus an den Märkten steht, hat man in New York weggelassen.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2019
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