Serie: Familienunternehmen:Würths Welt

Der Unternehmer, der mit Schrauben und Muttern reich geworden ist, hat sich in der Region Hohenlohe einige Denkmäler gesetzt.

Dagmar Deckstein

Da liegt es, das Anwesen, picobello restauriert und prächtig in der gleißenden Juli-Sonne, der Rasen kurz getrimmt. Ein Steg führt zum Badesee, aus dessen Mitte eine Wasserfontäne in den Hohenloher Himmel schießt. Kameras überwachen die Hofeinfahrt.

Serie: Familienunternehmen: Reinhold Würth vor der von ihm gestifteten Kunsthalle in Schwäbisch-Hall.

Reinhold Würth vor der von ihm gestifteten Kunsthalle in Schwäbisch-Hall.

(Foto: Foto: dpa)

Der Schlossherr legt Wert auf Sicherheit, auch weil er zur Zeit nicht zu Hause ist, sondern bei den Festspielen in Bayreuth weilt. Da muss sich ein Kunstmäzen wie er einfach sehen lassen.

Der Schlossherr heißt Reinhold Würth, ist 73 Jahre alt und darf als die Inkarnation des baden-württembergischen Erfolgsunternehmers betrachtet werden. Dazu findet er sich laut Forbes-Liste beständig auf einem der Mittelplätze unter den zehn reichsten Deutschen.

Aber ohne den Reichtum des "Schrauben-Würth", wie er nicht nur in seiner Heimatregion im Nordosten des Ländles betitelt wird, würden von Schloss Hermersberg wahrscheinlich nur noch ein paar traurige Trümmer aus der Wald- und Wiesenlandschaft ragen.

Als Würth Anfang der siebziger Jahre hörte, dass die Hohenlohe-Öhringsche Verwaltung das dringend restaurierungsbedürftige Jagdschloss verkaufen wolle, erwarben er und seine Frau Carmen das 1540 erbaute Schloss nebst fast vier Hektar Land, steckten Millionen in die Renovierung und bezogen schließlich am 30. April 1974 das neue Domizil.

Wie König Drosselbart

Das gleiche günstige Schicksal wie Schloss Hermersberg wurde, dank Würth'scher Spendabilität, noch zahlreichen anderen historischen Gebäuden oder Einrichtungen im Hohenloher Land zuteil, mit deren Erhalt die öffentlichen Hände überfordert gewesen wären. "Unsere ganze Region sähe anders aus ohne das Weltunternehmen Würth", sagt Volker Lenz, Bürgermeister von Künzelsau: "Reinhold Würth ist ein Glücksfall für die Stadt Künzelsau."

Kein Wunder, trägt Würth doch zwei Drittel der Gewerbesteuereinkünfte der Kreisstadt von insgesamt 80 Millionen Euro in diesem Jahr. Allerdings äußerte sich Lenz nur schriftlich auf Fragen. Der Mann ist viel beschäftigt. Für ein Interview fand er seit Februar keine Zeit - "aus Termingründen", wie es heißt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie man weltberühmte Künstler in die Provinz lockt.

Würths Welt

Sein Amtskollege Hermann-Josef Pelgrim aus der 20 Kilometer entfernten Stadt Schwäbisch Hall dagegen schon: "Die Würth-Gruppe und der Unternehmer Reinhold Würth haben durchaus eine Leuchtturmwirkung auf die gesamte Region," sekundiert er.

So gemahnt die Weiterreise vom Patriarchen-Wohnsitz Hermersberg ins Umland nicht von ungefähr ans Märchen der Gebrüder Grimm vom König Drosselbart, den die hochnäsige Tochters des Königs wie alle anderen Freier kategorisch ablehnte.

Sein Bart gefiel ihr nicht. Am Ende musste sie einen Bettler ehelichen. Als sie mit diesem durchs Land zog, fragte sie, wem der schöne Wald hier gehöre, die schöne Wiese dort und diese große Stadt, und sie erhielt jedes Mal die Antwort: "Dem König Drosselbart." In Künzelsau und Umgebung gibt Reinhold Würth den Märchenkönig.

Zwölf Kilometer vom Schloss der Würths entfernt ist der Leuchtturm der Region weithin über den Maisfeldern und Spalierobstwiesen sichtbar. Die riesigen Hallengebäude der Adolf Würth GmbH & Co KG thronen auf einem Hügel im Ortsteil Gaisbach über Künzelsau.

Nicht wenige der 15.000 Einwohner arbeiten für den Konzern. Als das futuristisch anmutende Verwaltungsgebäude mit dem integrierten Kunstmuseum 1992 eingeweiht wurde, rieb sich der Redakteur der Hohenloher Zeitung die Augen: "Über dem Hohenloher Land ist etwas vom Himmel gefallen. Ein Ufo? Da! Eine Gestalt. Captain Spock, oder gar E.T.?" Nein, es war Würth. Zumindest beeindruckt der Anblick der Firmenzentrale in einer über lange Jahre strukturschwachen und agrarisch geprägten Region wie Hohenlohe.

Wenn alle gewinnen

Die Wurzeln des Firmenimperiums liegen am Bahnhof in Künzelsau, wo Adolf Würth 1945 eine Großhandelsfirma für Schrauben und Muttern eröffnete. 1954 starb Adolf Würth mit nur 45 Jahren.

Sohn Reinhold, damals gerade 19, und Mutter Alma übernahmen das Geschäft. Aus dem Betrieb mit zwei Mitarbeitern und 80.000 Mark Jahresumsatz entstand in 54 Jahren der weltumspannende "Spezialist für Befestigungstechnik" mit 65.000 Beschäftigten in 86 Ländern, allein 4000 Mitarbeiter in der Region, und zuletzt einen Jahresumsatz von 8,5 Milliarden Euro.

Dem profanen, wiewohl unablässig wachsenden Geschäft mit dem Direktvertrieb von mittlerweile 100.000 Produkten rund ums Thema Montage und Befestigung versucht Würth mit seinem großzügigen Mäzenatentum Glanz zu verleihen.

Das beginnt mit der privaten Kunstsammlung des kulturbeflissenen Autodidakten, die mittlerweile mehr als 11.000 Werke umfasst und die er bereitwillig mit der Öffentlichkeit teilt.

So hat sich in Schwäbisch Halls malerischer Altstadt die 2001 eröffnete Kunsthalle Würth zum Publikumsmagneten entwickelt. Der dreigeschossige Bau, gestaltet vom prominenten dänischen Architekten Henning Larsen kommt auch Oberbürgermeister Pelgrim so recht zupass: "Die Kunsthalle ist auch für die Stadt Schwäbisch Hall ein einmaliges Marketinginstrument."

Den nächsten Coup hat Pelgrim schon gelandet: Als der OB vor wenigen Jahren hörte, dass Würth auch die altmeisterliche Bildersammlung der Fürsten zu Fürstenberg gekauft hatte, diente er dem Mäzen die Johanniterhalle der Stadt für die alten Meister an. Im Herbst eröffnet die zweite Würth'sche Kunsthalle im Kocherstädtchen die Pforten.

Der Name Würth hat mittlerweile Klang in der Welt der Kunst. "Wer sonst hier würde es schaffen, große Künstler wie Anselm Kiefer, die Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude oder den namhaften Bildhauer Anthony Caro in die Provinz zu locken?". Nein, nein, meint OB Pelgrim, "das ist schon eine tolle Win-Win-Situation für alle Beteiligten." Würths Reich reicht noch weiter.

Eigener Flughafen

Von der Freitreppe der Kirche St. Michael sind es nur wenige Kilometer hinaus in den Vorort Hessental. Dort leuchtet einem das rote Firmenemblem in Wappenform schon weit entgegen, und die schwarzen Großbuchstaben lassen niemanden darüber im Unklaren, wem dieser Flugplatz gehört: "Adolf Würth Airport."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Würth für die Bildung und Kultur seiner Heimat engagiert.

Würths Welt

Gleich neben dem Abfertigungsgebäude parkt eine dreistrahlige Falcon 900EX mit dem Kennzeichen VP-CLB, zugelassen also auf den Cayman Islands. Nanu, hat Würth ausgeflaggt? Nein, die VP-CLB gehört zur Volkswagen-Flotte, die sich direkt vor der Nase des Luftfahrtbundesamts in Braunschweig auf die versicherungs- und flugbetriebsfreundlicheren Caymans verabschiedet hat.

Die 900EX aus dem Würth-Flugpark indes ist die deutsch zugelassene D-AWKG. Damit Hessental nach den veränderten europäischen Richtlinien weiterhin für den gewerblichen Geschäftsverkehr genutzt werden konnte, bedurfte es größerer Umbauten, unter anderem einer Drehung und Verlängerung der Landebahn.

Da die Stadt Schwäbisch Hall damit überfordert war, kaufte 2003 kurzerhand die Würth Grundstücks GmbH das 79 Hektar große Grundstück und investierte 17,5 Millionen Euro in den Ausbau. Ehrensache für Würth, der seit 1966 den Berufspilotenschein besitzt und neben seinen sechs angestellten Piloten die Flugzeuge seiner Flotte auch selbst fliegt.

Aber zurück nach Künzelsau. Würth hat an vielen Orten Marken aus Stein und Beton gesetzt. Nahe dem Firmensitz in Gaisbach entsteht gerade der Neubau für die 2006 gegründete Freie Schule Anne-Sophie, für die sich Reinhold Würths Tochter Bettina stark gemacht hat, die heutige Beiratsvorsitzende der Würth Gruppe.

Die private Ganztagsschule mit reformpädagogischem Ansatz soll das Bildungsangebot der Region ergänzen. Früh schon hatte Würth erkannt, dass der wirtschaftliche Erfolg der strukturschwachen Region Hohenlohe mit dem Bildungsangebot steht und fällt.

Also gründete die Stiftung Würth schon 1988 in Künzelsau einen Ableger der Fachhochschule Heilbronn mit den Studiengängen Betriebswirtschaft, Gebäudesystemtechnik, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen.

Im Jahr 2000 kam eine Stiftungsprofessur für Sportmanagement dazu. Der internen Mitarbeiterqualifikation und Förderung des Managementnachwuchses dient konzernweit die Akademie Würth am Firmensitz in Gaisbach.

Nicht nur um Kunst, Kultur und Bildung wäre es im Hohenlohischen ohne Würths Engagement wohl schlechter bestellt. Es gäbe ohne ihn wahrscheinlich auch nicht gleich zwei Restaurants, die es in den Guide Michelin geschafft haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Reinhold Würth ins Visier der Steuerbehörden geriet.

Würths Welt

Würth kaufte 2005 dem Fürsten zu Hohenlohe-Öhringen das fürstliche Anwesen samt Park und Golfplatz-Anteil ab, für einen zweistelligen, nicht näher bezeichneten Millionenbetrag ab. Das Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe bei Öhringen zählt zu den deutschen Spitzenhotels.

Zehn Jahre zuvor hatte Würth im Örtchen Mulfingen-Ailringen das baufällige Fachwerkhaus des Deutschherren-Amtshauses entdeckt, es kurzerhand gekauft und renoviert. Heute beherbergt es ein Hotel nebst Spitzenrestaurant.

In Schwäbisch Hall, gleich neben der Kunsthalle, eröffnete 2004 das "Sudhaus", nachdem Würth den heruntergekommenen Industriebacksteinbau gekauft und in ein gastronomisches Event-Projekt umgerüstet hatte.

In Künzelsau bedienen derweil Behinderte zusammen mit Nichtbehinderten im schmucken Anne-Sophie-Restaurant die Gäste auf der Terrasse, gleich um die Ecke in der Scharfengasse wurde noch der sogenannte Würzburger Bau aus dem Jahre 1710 dazugekauft und zum Hotel ausgebaut.

Anne-Sophie hieß übrigens eines der sechs Würth-Enkelkinder. Sie kam im Alter von neun Jahren bei einem Unfall ums Leben. Das Behinderten-Projekt hatte sich Würths Ehefrau Carmen zur Herzensangelegenheit gemacht. Natürlich bekam auch Künzelsau sein Kunstmuseum von Würth spendiert, die umgebaute Hirschwirtscheuer.

Steuersünden

Vor dem Nachbargebäude in der Scharfengasse 10 steht in goldener Schrift auf einem Holzschild eingraviert: "Bet und arbeit / Sei nicht faul / Bezahl Deine Steuer / Und halt's Maul." Ach ja, die Steuern.

Zwei Jahre lang ermittelten die Behörden gegen Würth wegen Steuerverkürzung, also nicht korrekt verbuchter Kosten zwischen den Konzerngesellschaften. Das Verfahren wurde dann im Mai eingestellt, nachdem Würth sich mit einer Strafzahlung von 700 Tagessätzen einverstanden erklärte. Seither gilt er als vorbestraft.

"Ich bin ein Gauner, Ganove, Krimineller", beginnt Würth seinen Vortrag Anfang Juli im Stuttgarter Literaturhaus. Es geht an diesem Abend um die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers, und Würth schiebt hinterher, es sei absurd, ihm Steuerhinterziehung zu unterstellen, es seien Abgaben lediglich ans falsche Finanzamt bezahlt worden.

So erfährt das Publikum erstmals eine konkrete Zahl aus Würths Sponsor-Welt: 106 Millionen Euro habe er allein in den letzten sechs Jahren in die "res publica" gesteckt, wie er es nennt.

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