Serie:Bequem, aber nur bedingt gerecht

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Die Abgeltungsteuer steht 10 Jahre nach der Einführung vor einer Reform.

Von Jan Willmroth, Wittlich

Ein flotter Spruch, der in Erinnerung bleibt, eine unbürokratische Gesetzesnovelle, die wirkt: Zum Vermächtnis des großen Pragmatikers Peer Steinbrück (SPD) als früherer Finanzminister gehört die Reform der Steuer auf Kapitaleinkommen. "Lieber 25 Prozent von x, als 42 Prozent von nix", dieser Satz hallt noch nach. Zu einer Zeit, in der Deutsche noch absurde Summen an Schwarzgeld in der Schweiz, in Luxemburg und Liechtenstein versteckt hatten, ergab das Sinn. Anstatt je nach Art der Kapitaleinkünfte unterschiedliche Steuersätze zu verlangen, sollte künftig für alle Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne eine Abgeltungsteuer von 25 Prozent gelten. Das Schwarzgeld sollte zurück nach Deutschland.

Im Jahr 2002 erstmals diskutiert, vergingen noch einige Jahre, bis Steinbrück die unbürokratische Pauschalsteuer zum Gesetz machte. Seit 2009 zahlen Anleger für ihre Kapitaleinkünfte ein Viertel der Erträge als Steuer, zuzüglich Solidaritätszuschlag und seit 2015 Kirchensteuer. Von 100 Euro Dividende kommen also nur rund 73 Euro beim Aktionär an; der Freibetrag von 801 Euro für Singles und 1602 Euro für Paare ist schnell ausgeschöpft. Für Anleger ist die Erhebung der Steuer bequem: Die Bank führt sie automatisch an das Finanzamt ab, und die Kunden müssen ihre Kapitaleinkommen nicht mehr in der Steuererklärung auflisten. Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, die jemand vor 2009 gekauft hat, sind weiterhin steuerfrei. Dabei gilt: Die jeweils ältesten Wertpapiere werden zuerst verkauft.

Auch auf Kapitalerträge aus dem Ausland wird Abgeltungsteuer fällig. Hat ein Anleger sein Depot oder Konto bei einer Bank im Inland, ist aus Sicht des Kunden alles erledigt, er erhält eine Steuerbescheinigung. Ausländische Banken und ausländische Töchter deutscher Geldhäuser behalten indes keine Kapitalertragsteuer ein. Das betrifft auch Tages- und Festgeldkonten. Depot- und Kontoinhaber müssen solche Kapitalerträge aus dem Ausland gesondert in der Steuererklärung ausweisen.

Nun mag die Steuererfassung bequem sein - aber ist sie noch gerecht? In der SPD haben es viele Genossen Peer Steinbrück nie verziehen, dass er Kapitaleinkommen derart gegenüber Löhnen und Gehältern bevorzugt hat, die meist höher versteuert werden. Seither ist die Rede von einer Begünstigung der Vermögenden, die mehr sparen und mehr Wertpapiere besitzen. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, Zinseinkünfte nicht mehr zu privilegieren: "Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft", heißt es im Koalitionsvertrag. Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigte im Frühjahr sogar an, die Abgeltungsteuer womöglich komplett abzuschaffen.

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