Serie:Ausbuchen? Muss nicht sein

Teil 2

Warum Wertpapiere ohne Wert dennoch von Nutzen sein können.

Von Hans von der Hagen

Es ist nun schon anderthalb Jahrzehnte her, dass die Deutsche Börse mit dem Neuen Markt genau das beerdigte, was kurz zuvor noch für Aufbruch und Begeisterung stand - und für einen noch nie dagewesenen Aktienboom in Deutschland. Das endete freilich nicht in einer aufregenden New Economy, sondern in einem Desaster. Kaum einer möchte noch an den Neuen Markt erinnert werden, und doch werden Aktionäre noch immer mit ihm konfrontiert. Denn der Neue Markt brachte Wertpapiere hervor, die sich mitunter hartnäckig in den Depots halten, selbst wenn die Kursangabe seit Jahren bei null Euro oder wenigen Cents liegt. Zurecht lässt einen der Anblick frösteln: Es handelt sich um Depotleichen.

Einige von ihnen stammen wohl noch aus der Zeit des Neuen Marktes, sie kommen aber auch sonst immer wieder vor. Auch Zertifikate können darunter sein und Anleihen, wenn Unternehmen oder Länder ihre Schulden nicht mehr begleichen können. Allein - was macht man mit den Wertpapierleichen? Von sich aus löschen Banken sie nur dann aus dem Depot, wenn die Papiere von dem Abwickler für Börsengeschäfte Clearstream für kraftlos erklärt wurden.

Zuletzt sollen allerdings Banken Kunden direkt angesprochen haben, heißt es bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger - ob diese nicht Interesse hätten, einige Wertpapiere ausbuchen zu lassen. Für die Banken kann das sinnvoll sein, denn sie müssen auch für Depotleichen eine Gebühr an Clearstream zahlen. Umgekehrt gibt es natürlich auch Kunden, die den Anblick der wertlosen Papiere nicht mehr ertragen können und darum ihre Bank bitten, diese aus dem Depot zu nehmen. Doch ein solcher Schritt ist heikel: Mit der Ausbuchung verlieren die Anleger sämtliche Rechte an diesen Papieren. Nachteilig kann das sein, wenn zum Beispiel Aktien, die schon lange nicht mehr gehandelt wurden, unerwartet wieder an die Börse zurückkehren. Oder wenn nach einem langjährigen Insolvenzverfahren überraschend noch Geld an Anleihegläubiger fließt.

Es gibt freilich noch einen weiteren Grund, scheinbar wertlose Papiere im Depot zu lassen: Das Finanzamt erkennt Verluste aus Wertpapiergeschäften nur dann an, wenn Papiere veräußert wurden - und sei es nur für wenige Cent. In dem Fall können Verluste auch Jahre später noch mit etwaigen Gewinnen aus Finanzgeschäften verrechnet werden. Es besteht also kein Zweifel: So traurig die Depotleichen im privaten Wertpapierkörbchen auch aussehen mögen - sie können noch einmal erstaunlich lebendig werden.

Am Samstag, 28. Dezember, erscheint der nächste Teil, Thema: Methusalem-Anleihe.

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