Der Rohstoff Lithium wird für Batterien in Elektroautos benötigt und ist deshalb weltweit extrem begehrt. Das größte europäische Vorkommen des Leichtmetalls liegt im westserbischen Jadar-Tal und soll nach dem Willen der serbischen Regierung abgebaut werden. Auch Deutschland und die EU-Kommission setzen sich dafür ein.
In der serbischen Bevölkerung hingegen kommen die Pläne nicht gut an. Zwar wirbt die Regierung mit der Aussicht, dass der Lithiumabbau dem kleinen Land sechs Milliarden Euro Investitionen und in der Folge höhere Gehälter und Renten bringen werde, doch Umweltschützer halten den Abbau für höchst schädigend für Mensch und Natur. Sie kritisieren unter anderem, dass Lithium-Bergbau das Grundwasser mit Schwermetallen verunreinige und daher eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung der Anwohner darstelle.

Meinung Rohstoffe:Beim Lithiumabbau in Serbien versagt der dortige Rechtsstaat – und die Deutschen sehen darüber hinweg
Zehntausende Menschen haben deshalb am Samstag in Belgrad gegen die Lithium-Pläne demonstriert. Nach einem Aufruf mehrerer Umweltschutzvereine versammelten sich die Demonstranten auf einem zentralen Platz der serbischen Hauptstadt unter dem Motto „Es wird keine Bergwerke geben“. Einige Protestierende besetzten zudem die Schienen in zwei Bahnhöfen. Die Beamten schritten erst am Morgen gegen die Schienenbesetzer ein und räumten die Bahnhöfe. Dort hielten sich zu dem Zeitpunkt noch kleinere Gruppen von Blockierern auf.
Innenminister Ivica Dačić bezeichnete die Blockaden als schwere Verletzung der öffentlichen Ordnung und des Friedens. Er kündigte Anzeigen wegen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten an. Auch Staatspräsident Aleksandar Vučić verurteilte die Bahnhofsblockaden, signalisierte aber Gesprächsbereitschaft sowie ein mögliches Referendum über das Lithium-Projekt. Vučić erklärte, die Besetzung der Bahnhöfe sei „kein Beitrag zur Demokratie“. Er wolle mit den Anwohnern der geplanten Mine sprechen. „Ich verstehe einfach nicht, warum die Menschen in diesem Land die Wirtschaft Serbiens zerstören wollten“, sagte er in einer Fernsehansprache.
Nach Angaben von Innenminister Ivica Dačić wurden in der Protestnacht 14 Personen wegen Verdachts auf Straftaten festgenommen, drei weitere wegen Ordnungswidrigkeiten sowie zwei Ausländer wegen ihrer Anwesenheit bei der Demonstration in der Nähe wichtiger staatlicher Institutionen. Die Polizei habe die Zahl der Demonstrierenden auf 24 000 bis 27 000 geschätzt. Regierungsunabhängige Beobachter sprachen von etwa 40 000 Protestlern.
Förderung soll angeblich umweltverträglich sein
Nachdem die serbische Regierung die Lithium-Förderung vor zwei Jahren auf Druck von Umweltschützern gestoppt hatte, gab sie vor wenigen Wochen grünes Licht für die Förderung. Im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz unterzeichnete sie eine Absichtserklärung mit EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič, die eine umweltverträgliche Förderung ermöglichen soll. Deutschland und die EU wollen mit dem Projekt vor allem die Abhängigkeit von China reduzieren. Das asiatische Land kontrolliert einen großen Teil des Abbaus und der Verarbeitung von Lithium weltweit.
An dem Förderprojekt in Serbien ist seit Jahren der australische Bergbaugigant Rio Tinto interessiert. Auch daran gibt es Kritik. Eine Studie über die angeblich geringe Umweltbeeinträchtigung entstand Berichten zufolge ausschließlich auf der Basis von Daten, die Rio Tinto zur Verfügung gestellt hatte. Dem Bergbaukonzern wurde in den vergangenen Jahren bereits Betrug bei einem Projekt in Mosambik vorgeworfen. In Australien wurde er deshalb zu einer Strafe verurteilt.
Die Schauspielerin Jelena Stupljanin fragte bei der Protestkundgebung in Belgrad: „Ist es Patriotismus, einem multinationalen Unternehmen zu helfen, oder ist wahrer Patriotismus der Kampf für saubere Luft, sauberes Land und Wasser, der uns alle in Serbien ernährt?“
Der Bundeskanzler hatte Kritik am Lithiumabbau bei seinem Besuch zurückgewiesen: „Das Jadar-Projekt ist gut für Serbien und gut für die Region.“ Wer Eigenständigkeit bei der Rohstoffversorgung wolle, „muss auch Bergbau bei sich selbst wollen“. Lithium ist auch in Deutschland vorhanden, wird bisher aber nicht abgebaut. Aus Sicht des Kanzlers steht nicht mehr generell zur Debatte, ob Lithium in Europa und möglicherweise in Deutschland abgebaut wird, sondern nur noch, wie es abgebaut wird.