Beim Klamottenladen H&M wird es Plastiktüten bald nicht mehr umsonst geben, bei Media Markt auch nicht. Die Billigkette Kik hat sie als einer der ersten Textilläden ganz aus den Geschäften verbannt. Im Drogeriemarkt Rossmann kosten Plastiktüten schon seit Jahresbeginn etwas. Wie im Supermarkt wird man auch bei C&A und Tchibo für die Kunststofftüte zahlen müssen. Karstadt verlangt seit Kurzem je nach Größe der Plastiktüte zwischen 5 und 30 Cent. Kaufhof macht es im Sommer nach.
Die Unternehmen wollen damit dazu beitragen, die Umwelt zu schonen. Denn der Kunststoff zersetzt sich laut Schätzungen erst in 500 Jahren oder überhaupt nicht in der Natur; oftmals landet er in den Mägen von Fischen oder Vögeln, die daran verenden. Für die Unternehmen sind die Tüten in erster Linie eine relativ günstige Werbefläche.
Auf Drängen der EU und des Bundes wollen sich trotzdem viele von ihnen dazu verpflichten, das Plastiktüten-Aufkommen zu reduzieren, der Umwelt zuliebe. Zwar liegt der Verbrauch mit 76 Tüten pro Kopf in Deutschland gegenwärtig unter den Anforderungen aus der EU. Bis 2025 soll der Verbrauch aber weiter auf 40 Stück pro Einwohner sinken.
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Der Laden in Kopenhagen ist weltweit wohl der erste seiner Art - und könnte auch für andere Länder zum Vorbild werden.
Der Buchhandel kritisiert die Initiative
Deswegen macht das Bundesumweltministerium Druck. In anderen Ländern, vor allem in Irland, hat sich gezeigt, dass sich Tüten leicht aus dem Verkehr ziehen lassen, wenn dafür Geld, zum Beispiel mehr als 20 Cent, verlangt wird. Von April an sollen nun 60 Prozent der insgesamt pro Jahr gut sechs Milliarden in Deutschland verbreiteten Plastiktüten etwas kosten.
Nicht alle Händler machen zum Bedauern von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit. Um das EU-Ziel zu erreichen, soll die Kostenpflicht bis 2018 auf 80 Prozent aller Tüten erhöht werden.
Hendricks ist nach Aussage eines Ministeriumssprechers bereit, die Selbstverpflichtung auch zu unterschreiben, wenn die erwarteten 60 Prozent im April nicht ganz zustande kommen, aber ersichtlich ist, dass der Einzelhandel auf dem richtigen Weg ist. In der Selbstverpflichtung werde die Ministerin allerdings auch festschreiben, dass sie sich vorbehält, "ordnungspolitisch", also notfalls per Gesetz, einzugreifen, falls der Einzelhandelsverband HDE den Anforderungen nicht nachkommt. "Wir versprechen uns hiervon vor allem einen deutlichen Anreiz für Verbraucherinnen und Verbraucher, im Einzelfall bewusster zu entscheiden, ob eine Tragetasche benötigt wird oder nicht."
Damit könnten aber nicht alle möglichen Einsatzmöglichkeiten für Tragetaschen abgewendet werden: "Niemand wird zukünftig den neu erworbenen Anzug oder ein Kleid auf dem Arm durch den Regen tragen, um sich die Tragetasche zu sparen", sagte ein Sprecher. Doch es gibt auch gerechtfertigte Einwände. Der Buchhandel kritisiert die Initiative: Er wird die Selbstverpflichtung zwar unterschreiben, moniert aber, dass die EU und das Bundesumweltministerium vor allem den Einzelhandel in die Pflicht nähmen.
Zurecht weist der Börsenverein darauf hin, dass der Versand- und Online-Handel inzwischen große Mengen an Verpackungsmüll aus Kunststoff in Umlauf bringt. Darüber werde aber zu wenig geredet. Umweltschützer kritisieren zudem, dass Produkte wie Kaffee zum Mitnehmen oder in Schachteln verpacktes Mittagessen die Masse des Plastikmülls stark erhöht haben. Hier müsste man ebenso ansetzen, fordert etwa der Naturschutzbund Deutschland.
Ein weiteres Problem für die Umwelt ist, dass viele Geschäfte statt Plastik- künftig Papiertüten verteilen wollen, etwa der Schuhhändler Görtz oder die Parfümerie-Kette Douglas. Fast die Hälfte der Textileinzelhändler planen das, weil sie nicht wollen, dass die eben gekauften Jacken oder Hosen auf der Straße im Regen nass werden. Die meisten anderen Textil-Geschäfte wollen deswegen ganz bei den kostenlosen Plastiktüten bleiben. Viele sind noch unentschieden.
Für die Papiertüte braucht es Zellstoff, Wasser, Energie - und Chemikalien
Im Ministerium weiß man um die Zweifel der Klamotten-Unternehmen. "Gerade im Textilhandel rechnen wir weiterhin mit einer gewissen Anzahl an Tragetaschen", sagt ein Sprecher. Dabei gibt der Geschäftsführer des Textil-Verbandes, Jürgen Dax, zu bedenken, dass Papiertüten "ökologisch den Plastiktüten ja auch nicht unbedingt vorzuziehen sind".
Denn für ihre Herstellung benötigt man viele Ressourcen: Zellstoff, Wasser, Energie, vor allem aber Chemikalien. Trotz dieses relativ großen Aufwandes und der hohen Kosten, die dabei entstehen, werden die wasseranfälligen Papiertüten meist nur ein einziges Mal benutzt - im Gegensatz zu stabilen Plastiktüten. "Das alles macht Papiertüten nicht zu einer umweltfreundlichen Alternative", sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Seine Empfehlung: Mehrwegtragetaschen, Rucksäcke, Trageboxen oder Fahrradkörbe.
Kurzum: Ja, einige Unternehmen werden Plastik- durch Papiertüten ersetzen, vor allem in Bekleidungsgeschäften. Aber zu einem Massenphänomen wird es voraussichtlich nicht. Denn betriebswirtschaftlich rechnet sich die Umstellung nicht. Auf diesen Effekt hofft man im Umweltministerium, es räumt der Papieralternative keine große Chance ein: "Nennenswerte - ökologisch nicht sinnvolle - Substitutionseffekte erwarten wir nicht", sagt ein Sprecher. Am Ende wird es am Kunden, und nicht nur an der Industrie liegen, den Verbrauch von Plastik- und Papiertüten zu verringern.