Es liegt in der Natur der Einsamkeit, dass es schwer ist, mit anderen Menschen über dieses Gefühl zu sprechen. Bei der Arbeit gilt das umso mehr, schließlich soll man dort produktiv sein und sich auf nichts anderes konzentrieren. Doch wie verbreitet das Thema Einsamkeit auch dort ist, zeigt der „2024 State of the Global Workplace“-Report des Forschungsinstituts Gallup: Jeder fünfte Arbeitnehmer weltweit fühlt sich einsam. Auch die Unternehmensberatung KPMG kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Eine von fünf befragten Personen habe keinen einzigen Freund bei der Arbeit.
Arbeitsplätze, vor allem schlechte, können selbst soziale Menschen einsam machen: „Eine toxische Umgebung oder auch nur das Gefühl, ständig allein vor sich hin zu arbeiten, kann isolierend wirken“, sagt die neuseeländische Professorin Sarah Wrigth im SZ-Interview. Gemeinsam mit ihrer Forschungspartnerin Constance Noonan Hadley, Professorin an der Boston University und Gründerin der arbeitspsychologischen Forschungsinstituts Institute for Life at Work, hat Wright einen Selbsttest entwickelt: den sogenannten Work Loneliness Scale. Damit können Menschen bestimmen, ob sie einsam im Job sind. Der Test soll auch Arbeitgebern helfen, zu überprüfen, ob es in ihrem Unternehmen ein Problem mit Einsamkeit gibt.
Das Institute for Life at Work hat den Selbsttest auch ins Internet gestellt, man findet ihn hier. Wer einverstanden ist, dass die Daten anonymisiert gesammelt und für die Forschung verwendet werden, kann fünf Fragen auf Englisch beantworten – und herausfinden, wie einsam er oder sie am Arbeitsplatz ist.
Herkömmliche Einsamkeits-Tests sind nicht auf den Job ausgelegt
Im Prinzip fragt der Test nur wenige Punkte ab. Diese sollen genügen, um sich selbst und sein Team auf der Einsamkeitsskala einzuordnen. Darunter: Fühlt man sich, als würde man als Arbeitsplatz als die Person gesehen, die man wirklich ist? Oder: Hat man genug Leute im Job, auf die man sich verlassen kann, wenn man mal Unterstützung braucht?
Hintergrund für den Selbsttest der Forscherinnen ist, dass viele bestehende Messinstrumente für Einsamkeit, etwa der UCLA Loneliness Scale, nicht für den Arbeitsplatz entwickelt wurden. Diese Tests messen deshalb häufig auch Aspekte wie Intimität in Beziehungen, die am Arbeitsplatz meist keine Rolle spielen und von Mitarbeitenden als übergriffig empfunden werden. Die Work Loneliness Scale berücksichtigt die Besonderheiten moderner Arbeitsplätze, einschließlich hybrider oder vollständig aus dem Home-Office arbeitender Menschen. „Unsere Skala verankert Einsamkeit an einem Ort: dem Arbeitsplatz“, sagt Wright.
Wright hat sie auf der Grundlage von qualitativen Studien und Interviews mit Mitarbeitenden und Führungskräften eine Vielzahl von möglichen Messpunkten identifiziert und die relevantesten fünf Aussagen ausgewählt, die typische Erfahrungen von Einsamkeit im Arbeitskontext abdecken. Kern ist die Frage, ob man sich am Arbeitsplatz als Teil des Teams wahrnimmt, sagt Wright. „Es geht darum, ob Menschen das Gefühl haben, am Arbeitsplatz verbunden und unterstützt zu sein.“ Die Wissenschaftlerin hofft, dass die Skala dazu beitragen kann, die spezifischen Ursachen und Auswirkungen von Einsamkeit im Berufsumfeld besser zu verstehen - und damit langfristig die Unternehmenskultur zu verbessern.