Selbstanzeige:Reue, die vielleicht zu spät kommt

Selbstanzeigen bewahren Steuersünder nach geltendem Recht vor Strafen. Ob im aktuellen Skandal eine solche Eigenbezichtigung dem Betroffenen noch nützt, dürfte von Fall zu Fall aber strittig bleiben.

Paul Katzenberger

Als beim früheren Postchef Klaus Zumwinkel am vergangenen Donnerstag die Polizei klingelte, dürfte ein paar Hundert weiteren Steuersündern mulmig geworden sein. Denn wie mittlerweile bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum derzeit gegen etwa 700 teils prominente Verdächtige, die bis zu 3,4 Milliarden Euro am Fiskus vorbei nach Liechtenstein geschleust haben sollen.

Da dies nun ohnehin bekannt ist, riet das Bundesfinanzministerium den betroffenen Steuerflüchtigen, noch rechtzeitig eine Selbstanzeige einzureichen. Denn wer sich selbst anzeigt, kann im Rahmen des Paragrafen 371 der Abgabenordnung eine Strafverschonung erwirken.

Bei dieser Regelung gibt sich der Staat ganz pragmatisch: Er gibt seinen Strafanspruch auf und kommt dadurch an Steuern, die ihm sonst entgingen.

"Subjektiv nicht enttarnt"

Allerdings wirkt eine Selbstanzeige nur dann strafbefreiend, wenn sich der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Anzeige "subjektiv nicht enttarnt" fühlt. Was das genau heißt, ist im Einzelfall zu prüfen. Ist ein Verfahren bereits eingeleitet, darf der Täter zumindest nicht angenommen haben, dass er selbst davon betroffen ist.

Laufen die Ermittlungen bereits, kann der Steuerflüchtling häufig natürlich nur schwer beweisen, dass er nicht damit rechnen konnte, selbst im Visier der Fahnder zu sein. "Es ist schwer zu belegen, wann der Täter weiß, wann die Tat entdeckt wurde. Da fangen dann häufig die Probleme an", sagt Jochen Hundsdoerfer vom Institut für Betriebswirtschaftliche Prüfungs- und Steuerlehre der Freien Universität Berlin.

Immerhin wirkt eine Selbstanzeige noch strafmindernd, wenn der Steuersünder bereits im Bild darüber ist, dass gegen ihn ermittelt wird. Er kann so einen Strafabschlag bis zur Hälfte der hinterzogenen Summe erwirken.

"Kooperatives Verhalten"

"Das ist dann aber keine Steuerbefreiung im Rahmen der Abgabenordnung mehr", erklärt Hundsdoerfer. Vielmehr werde die Selbstanzeige dann nach strafrechtlichen Grundsätzen als "kooperatives Verhalten" bewertet.

In jedem Fall sollte der Steuerflüchtling bei der Selbstanzeige liquide sein. Denn er muss seine Steuerschuld auf einen Schlag zurückzahlen - selbst wenn es sich dabei um einen Millionenbetrag handelt.

Teuer können Selbstanzeigen ohnehin schnell werden: Denn wer eine Steuerschuld für die vergangenen drei Jahre anzeige, müsse möglicherweise damit rechnen, dass die Finanzverwaltung auch die letzten zehn Jahre prüfe, erklärt Hundsdoerfer.

Die Selbstanzeige kann sich für die Betroffenen daher als rechtliches Minenfeld entpuppen. Es sei häufig umstritten, wie weit die Befugnisse der Finanzverwaltung tatsächlich reichten, so Hundsdoerfer: "Bei drei Jahren Selbstanzeige geht eine Prüfung des vierten zurückliegenden Jahres sicher ok. Aber prüft das Finanzamt dann noch die vergangenen zehn Jahre inklusive der Steuerbelege aller Familienmitglieder, dann überschreitet es wahrscheinlich seine Kompetenzen."

Zehn Jahre zurück einkassiert werden

Doch von Überschreitungen dieser Art ist die Finanzverwaltung eben auch nur schwer abzuhalten. Immerhin können auch endgültige Steuerbescheide zehn Jahre zurück einkassiert werden, wenn eine Steuerhinterziehung nachweisbar ist.

Sowohl die Große Koalition als auch die rot-grüne Vorgängerregierung hatten in den vergangenen Jahren mehrmals versucht, die Steuerflucht durch schärfere Gesetze sowie durch großzügige Amnestieangebote einzudämmen.

Die Erfolge waren bislang jedoch bescheiden: Als im April 2005 die von der rot-grünen Regierung eingeräumte Steueramnestie auslief, hatte der Staat statt der erhofften fünf Milliarden Euro nur etwas über eine Milliarde Euro an Mehreinnahmen im Steuersäckel.

Ob sich die Steuersünder im aktuellen Fall nun rasch selbst anzeigen, bleibt abzuwarten. Auch ohne Selbstanzeigen rechnen die zuständige Staatsanwaltschaft und das Bundesfinanzministerium mit Steuernachzahlungen von 300 bis 400 Millionen Euro. Das nach Liechtenstein verschobene Kapital schätzten sie auf mehr als drei Milliarden Euro.

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