Forum:Überraschend wenig Unterschiede

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Passanten in Berlin: Frauen sind statistisch betrachtet häufiger als Männer in Teilzeit selbständig. (Foto: Steffi Loos/Getty)

Ist die Corona-Krise auch eine Wirtschaftskrise vor allem für Frauen? Zumindest für weibliche Selbständige gilt das nicht.

Von Rosemarie Kay und Friederike Welter

Die Folgen der Corona-Pandemie trafen die Selbständigen völlig unvermittelt: eingeschränkte unternehmerische Tätigkeit, Homeschooling, geschlossene Kindergärten und Kitas. Und sie trafen sie in einer Weise, auf die sie sich kaum vorbereiten konnten - auch wenn die Eigenkapitalquote der meisten Unternehmen dank der guten Gewinnsituation in den Vorjahren deutlich höher war als beispielsweise zu Beginn der Finanzkrise 2008/09 und sie damit besser gerüstet waren.

Die Pandemie ist das, was in der Ökonomie als exogener Schock bezeichnet wird. Sie führte zu einer außerordentlichen Wirtschaftskrise. Als besonders tückisch erwies sich die Wandelbarkeit des Virus, die zusätzliche Unsicherheit aufseiten der Unternehmen und der Politik ausgelöst hat. Um die Folgen der Pandemie so weit wie möglich zu begrenzen, wurden seit Frühjahr 2020 mehrfach weitreichende Kontaktbeschränkungen erlassen. Was schon für abhängig Beschäftigte mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen eine große Herausforderung war, stellte auch viele Selbständige vor gewaltige Hürden: Sie mussten sich selbst und - sofern vorhanden - ihre Belegschaft vor der Pandemie schützen. Zugleich mussten sie den Fortbestand ihres Unternehmens, ihre wirtschaftliche Existenz sichern. Und nicht zuletzt mussten sie noch die fehlende Betreuung ihrer Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen auffangen.

Friederike Welter ist Präsidentin des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) und Professorin an der Universität Siegen. (Foto: oh)

Auf den ersten Blick könnte man zu dem Schluss kommen, dass die antipandemischen Maßnahmen die weiblichen Selbständigen in stärkerem Umfang getroffen haben als die männlichen. Schließlich tragen Frauen schon in normalen Zeiten den überwiegenden Anteil an der Haushaltsführung und der Betreuung von Angehörigen. Dies ist Ausdruck der sogenannten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die auch dazu beitragen kann, dass Frauen seltener als Männer einer selbständigen Tätigkeit nachgehen. Unstrittig ist, dass dies ein Grund dafür ist, dass Frauen häufiger als Männer ihre selbständige Tätigkeit in Teilzeit ausüben und dass ihr Betätigungsfeld häufiger im personennahen Dienstleistungsbereich angesiedelt ist. In Branchen also, in denen zwar die Markteintrittsbarrieren niedrig sind, aber deswegen auch ein intensiver Wettbewerb herrscht.

Die von Frauen geführten Unternehmen sind nicht nur häufiger in anderen Branchen zu finden als die von Männern, ihre Unternehmen sind in der Regel auch kleiner und jünger. Damit sind die Unternehmen von Frauen tendenziell krisenanfälliger, auch wenn eine in Vor-Corona-Zeiten durchgeführte Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung zur Krisenresilienz von Firmen im Großraum Frankfurt am Main gezeigt hat, dass frauengeführte Unternehmen nicht häufiger Krisen erlitten haben als die von Männern geführten. Allerdings unterscheiden sich die Krisenursachen und die Maßnahmen, die die Geschlechter zur Krisenbewältigung ergreifen.

Die ökonomische Krise, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde, hat die Wirtschaftszweige in sehr unterschiedlichem Maße getroffen: Ein Großteil von ihnen konnte unter Einhaltung eines Hygienekonzepts weitestgehend unbehindert agieren und im ersten Lockdown erlittene Umsatzeinbußen auch wieder aufholen. Einige Bereiche wie der Lebensmitteleinzelhandel oder die IT-Branche konnten ihren Umsatz sogar ausbauen. In anderen Branchen wie im Gastgewerbe, Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen sowie im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung hat die Pandemie hingegen zu massiven Umsatzeinbrüchen geführt, die aufgrund des Geschäftsmodells zumeist nicht nachholbar sind.

Nimmt man die Umsatzwicklung in den einzelnen Branchen als Indikator für die Betroffenheit von der Corona-Pandemie und stellt dem den Anteil der weiblichen Selbständigen in eben diesen Branchen gegenüber, so lässt sich feststellen, dass weibliche Selbständige in der Gesamtschau nicht stärker von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen worden sein dürften als die männlichen. Nur ein paar Beispiele: Im verarbeitenden Gewerbe, in dem viele Unternehmen zunächst erhebliche Umsatzeinbußen erlitten, sind weibliche Selbständige unterrepräsentiert. Das gilt auch für das Baugewerbe, das bisher gut durch die Krise gekommen ist. Überrepräsentiert sind sie hingegen im Gastgewerbe und womöglich im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen. Für einige Dienstleistungsbranchen mit einem sehr hohen Anteil weiblicher Selbständiger liegen allerdings noch keine Daten zur Umsatzentwicklung vor.

Rosemarie Kay ist stellvertretende Geschäftsführerin des IfM Bonn. (Foto: oh)

Die Krisenbetroffenheit ist jedoch nur die eine Seite. Die andere sind die vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und der Länder. In der Ausgestaltung von Sofort-, November-, Dezember-, Überbrückungs- und Neustarthilfe - die wesentlichen Programme für Selbständige und kleine und mittlere Unternehmen - lässt sich nichts erkennen, was zu einer systematischen Benachteiligung von weiblichen Selbständigen und den von ihnen geführten Unternehmen in der Inanspruchnahme dieser Hilfen führt. Inwieweit sowohl weibliche als auch männliche Selbständige tatsächlich gleichermaßen die Unterstützungen in Anspruch genommen haben, wird jedoch wegen fehlender Daten kaum abschließend zu klären sein.

Als problematisch erwies sich für einige Selbständige, dass diese Hilfen nicht dafür genutzt werden können, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hierfür sollte die Grundsicherung für Arbeitsuchende einspringen. Diese Hilfen wurden jedoch nur selten in Anspruch genommen, womöglich wegen einer generellen Hemmung bei bis dato erfolgreich selbständig Tätigen, einen solchen Antrag zu stellen. Insbesondere weibliche Selbständige dürften aber auch - trotz des erleichterten Zugangs zur Grundsicherung - die Anspruchsvoraussetzungen häufig nicht erfüllt haben, weil sie in einer Partnerschaft leben und ihr Partner über ein entsprechend hohes Einkommen verfügt.

Unabhängig davon zeichnet sich bei den frauengeführten Unternehmen die Hoffnung ab, dass sie - ebenso wie die männergeführten - die Pandemie besser bewältigen als befürchtet. Im vergangenen Jahr wurden weniger Unternehmen geschlossen als in den Vorjahren. Und der Frauenanteil an den Firmenschließungen lag bei 30,7 Prozent und damit nur geringfügig über dem der Vorjahre. Ebenso sind 2020 zwar die Gründungsaktivitäten zurückgegangen, aber auch hier lag der Frauenanteil in etwa auf dem Niveau der Vorjahre.

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