Seehofers Energiepolitik:Deutschlands neue Teilung

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Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei einem Besuch bei Stromtrassengegnern in Neuburg. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Bayerns Ministerpräsident Seehofer beharrt auf seinem Nein zu neuen Stromtrassen in den Süden. Damit riskiert er die Spaltung des Strommarktes. Gerade die Baden-Württemberger sind sauer.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Mike Szymanski, Berlin/München

Den Herren der deutschen Stromnetze traut Horst Seehofer bestenfalls so weit, wie ein Elektron lang ist. "Um nichts anderes als eine Geldanlage mit sicherer Rendite" gehe es den hiesigen Netzbetreibern, sagte Bayerns Ministerpräsident kürzlich der SZ. Deshalb wolle er auch alle neuen Stromtrassen durch Bayern noch einmal auf den Prüfstand stellen, sowohl die 800 Kilometer lange Nord-Süd-Leitung Suedlink als auch die "Gleichstrompassage Süd-Ost", die von Sachsen-Anhalt nach Augsburg führen soll. Gerade von Letzterer hält Seehofer nichts.

Insofern dürfte auch der alarmierende Vortrag an Seehofer abprallen, den Boris Schucht vor einiger Zeit gehalten hat, der Chef des ostdeutschen Netzbetreibers 50Hertz. Titel: "Hintergründe und Auswirkungen einer innerdeutschen Preiszonenaufteilung". Die Folien liegen der SZ vor. Schucht beschreibt darin ganz nüchtern eine neue Teilung Deutschlands, diesmal beim Strom. Ohne die Süd-Ost-Passage, die zu großen Teilen von 50Hertz gebaut werden würde, "droht ein chronischer Engpass in Deutschland und damit eine innerdeutsche Preiszonenaufteilung", heißt es darin.

Und das zulasten Bayerns. "Im Norden, wo ein Überschuss an günstiger Energie vorliegt, sinken die Preise, und im Süden steigen sie." Den Preisunterschied taxiert der Netzbetreiber auf 0,6 Cent je Kilowattstunde - was sich für einen Durchschnittshaushalt in Süddeutschland auf rund 20 Euro im Jahr läppern würde. Eine Studie der EU, die der Spiegel zitiert, taxiert die Mehrbelastungen süddeutscher Stromkunden im Fall einer Marktspaltung sogar auf bis zu zehn Prozent.

Muss der Süden für Seehofers Eskapaden zahlen?

Unter Experten wird eine solche Spaltung des Strommarktes schon länger diskutiert, auch das Bundeswirtschaftsministerium hatte in internen Gesprächen bereits davor gewarnt. Zum einen strapaziert deutscher Windstrom auf dem Weg nach Süden immer stärker die Netze der Nachbarländer und sorgt dort für Verdruss - während in Norddeutschland und zur See neue Windparks entstehen. Zum anderen würde der Verzicht auf neue Leitungen die Verbraucher über kurz oder lang teuer zu stehen kommen - und zwar überall im Land. Denn ohne neue Stromleitungen steigen die Kosten für Eingriffe in den Strommarkt. Das sogenannte Engpassmanagement würde wichtiger, das flexible An- und Abfahren von Kraftwerken. Das kostet schon jetzt dreistellige Millionensummen, Tendenz steigend. Da wäre die Teilung des Strommarktes günstiger - jedenfalls für Kunden nördlich des Mains. "Es kann nicht sein, dass der Rest der Republik für die Eskapaden des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer zahlt", warnt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer.

Entsprechend wenig Freunde macht sich Seehofer derzeit auch im ebenfalls südlichen Baden-Württemberg. "Bayerns Ministerpräsident macht Politik gegen sein Land", sagt dort der grüne Umweltminister Franz Untersteller. "Er betreibt eine Politik der Deindustrialisierung." Seehofer selbst wiederum sitzen Bürgerinitiativen im Nacken, die sich gegen die "Monstertrassen" durch Bayern wehren. Und den Netzbetreibern traut er eben nicht.

Reden statt planen

Die Debatte über unterschiedliche Preiszonen jedenfalls beeindruckt die Bayern nicht weiter. "Damit wird immer wieder gedroht", sagte Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Sonntag der SZ. Ohnehin müsse die Bundesregierung einer solchen Aufteilung des Marktes zustimmen, und an der ist die CSU schließlich beteiligt. Die neuen Trassen dagegen will sie nun noch mal gründlich prüfen, der "erheblichen Eingriffe in die Natur" wegen. Schließlich verliere die Energiewende sonst an Akzeptanz.

Und so wird geredet statt geplant: diesen Dienstag beim Koalitionsausschuss in Berlin, danach mit Betroffenen in Bayern, für ein paar Monate. "Diese Zeit", sagt Aigner, "sollten wir uns gönnen."

© SZ vom 06.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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