Debatte über Rechtsextremismus:Selbst Söder lobt die Gamer-Community

Lesezeit: 2 Min.

Gamer auf der Spielemesse Gamescom. Bundesinnenminister Seehofer hat für seine Aussagen über die Gamer-Szene am Wochenende viel Kritik einstecken müssen. (Foto: dpa)
  • Innenminister Horst Seehofer (CSU) sieht sich nach seinen Aussagen über die Gamer-Szene im Zusammenhang mit dem Anschlag von Halle massiver Kritik ausgesetzt.
  • Selbst CSU-Chef Söder warnt vor Pauschalurteilen und lobt die Gamer.
  • Doch das Problem ist komplex: Die digitale Verkaufsplattform Steam hat seit Jahren ein Problem mit rechtsextremen Inhalten.

Von Simon Hurtz und Caspar von Au, Berlin/München

In weniger als einer halben Minute hat Horst Seehofer (CSU) es geschafft, eine fast 20 Jahre alte Debatte wiederzubeleben. 29 Sekunden dauert der Videoausschnitt, den die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" am Wochenende auf Twitter teilte. Darin fordert der Innenminister, man müsse nach dem Anschlag von Halle die "Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen". Der rechtsradikale Terrorist von Halle inszenierte seine Morde wie in einem Computerspiel, nutzte in seinem Pamphlet Begriffe aus der Gaming-Welt und streamte die Tat live im Netz.

Seitdem wird in Deutschland wieder diskutiert, ob Games gefährlich sind. Die letzte große "Killerspiel-Debatte" gab es nach dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002. Ungeachtet fehlender wissenschaftlicher Belege war es damals eine weit verbreitete Ansicht, dass Computerspiele Gewalt fördern können.

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Auf diese Aussage bezieht sich auch Youtuber Peter Smits, Teil des populären Gaming-Kollektivs PietSmiet. Er schreibt auf Twitter, Seehofer lenke vom echten Problem ab: Rechtsextremismus. Für Politiker sei es leichter, Videospielen die Schuld zuzuschieben, statt an gesellschaftlichen Ursachen zu arbeiten. Die meiste Aufmerksamkeit erhielt aber Smits Kollege, der Youtuber Rezo, der Seehofer direkt angriff. Der Innenminister und seine Mitarbeiter seien "krass inkompetent".

Auch Parteifreunde kritisieren die Aussagen des Innenministers

Aber Kritik kam sogar aus Seehofers eigener Partei. CSU-Chef Markus Söder warnte nach einer Vorstandssitzung in München vor Pauschalurteilen: "Die Gamer, und das sind viele, viele junge Leute, die machen da großartige Sachen." Die CSU-Vizechefin Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt, erinnerte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung daran, dass in Bayern und Deutschland viel für die Games-Förderung gemacht werde. Das lasse man sich nicht mit "einem Satz" kaputtmachen - das wäre so, als wenn man "mit dem Arsch" einreiße, was man jahrelang aufgebaut habe, sagte Bär, ohne Seehofers Namen zu nennen.

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Auch der Branchenverband Game, Veranstalter der Kölner Messe Gamescom, verteidigt die Spieler. "Wenn die Hälfte der Gesellschaft Computer spielt, sind darunter leider genauso Rechtsextreme, wie es sie auch sonst in unserer Gesellschaft gibt", sagt Verbands-Geschäftsführer Felix Falk. Die absolute Mehrheit der Community lehne aber jede Form von Extremismus und Rechtsradikalismus ab. Games-Unternehmen würden daher, so Falk, die Verwendung bestimmter Namen und Symbole untersagen, Meldefunktionen einrichten und entsprechend Inhalte entfernen oder Accounts sperren.

Auf Steam vernetzen sich Nutzer in rechten Gruppen und posten Hakenkreuze

Allerdings geht nicht jedes Unternehmen mit derselben Sorgfalt gegen rechtsextreme Inhalte vor. Besonders die Verkaufsplattform Steam steht seit vielen Jahren deswegen wiederholt in der Kritik. Auf Steam können Nutzer Computerspiele digital erwerben und auch miteinander spielen und chatten. Die Plattform zählt mehr als 100 Millionen Nutzer, dahinter steht der Spielehersteller Valve (unter anderem "Counter-Strike" und "Dota 2").

Wer gezielt danach sucht, findet dort schnell Nutzer, die unter unverhohlen rassistischen Pseudonymen auftreten. Andere vernetzen sich in einschlägigen Gruppen, zum Beispiel der rechtsradikalen Identitären Bewegung, oder posten sich gegenseitig Hakenkreuze aus Emojis und anderen in Deutschland strafbaren oder fragwürdigen Symbolen auf die Pinnwände ihrer Steam-Profile. In den Regeln der Plattform heißt es zwar, Rassismus und Diskriminierung seien verboten, aber offenbar verhindert Steam derartige Postings nicht.

Rechtlich fällt die Plattform nicht unter das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz, das Hetze im Internet unterbinden soll. Gemäß einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Bundestag sind Online-Spiele und Verkaufsplattformen von dem Gesetz ausgenommen, weil ihr primärer Zweck nicht das Teilen von Inhalten ist.

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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