Second-Hand-Klamotten-Apps:Konkurrenz für den Kleiderkreisel

"Pick & Weight" Laden in München, 2016

Wer nachhaltig und individuell sein will, kauft aus zweiter Hand wie in diesem Second-Hand-Laden in München – oder eben über Apps.

(Foto: Catherina Hess)
  • In den Markt für Second-Hand-Klamotten drängt ein neuer Anbieter: die finnische Marktplatz-App Zadaa.
  • Zadaa erinnert in vielem an Kleiderkreisel.
  • Den Vorteil des Dienstes soll vor allem in der Internationalität liegen.

Von Veronika Wulf, Berlin

Wenn Modeblogger oder Influencer gleichermaßen ihren Sinn für Stil und für die Umwelt zeigen wollen, dann schreiben sie unter ihre Posts so etwas wie: "Sorry, ist Second Hand." Denn einerseits wollen die Modebewussten immer individueller angezogen sein, andererseits quellen die Innenstädte immer mehr von den immer gleichen Modeketten über. Deshalb ist es nicht überraschend, dass der deutsche Markt für Second-Hand-Klamotten wächst - auch online. Nun drängt dort ein neuer Anbieter hinein: die finnische Marktplatz-App Zadaa.

Wer seine gebrauchten Klamotten weiterverkaufen will, dem mangelt es in Deutschland eigentlich nicht an Angeboten: Vom klassischen Flohmarkt über Ebay, Amazon und Facebook-Gruppen bis hin zu Online-Plattformen, die sich auf Kleidung spezialisiert haben wie Kleiderkreisel, Mädchenflohmarkt, Ubup oder Rebelle. Das schreckte den finnischen Gründer Iiro Kormi nicht ab, mit seinem Start-up Zadaa nach Deutschland zu kommen. "Wir konzentrieren uns darauf, dass die Kleider passen, die du kaufst", sagt Kormi, der gerade 30 Jahre alt geworden ist, Birkenstock-Sandalen trägt und Besucher zum Abschied umarmt, die er vor einer Stunde erst kennengelernt hat. Er sitzt in einem Besprechungszimmer mit schummrigem Licht und stylischen Möbeln in einem dieser Coworking-Spaces in Berlin Mitte, wo die Frau am Empfang nur Englisch spricht und die Mitarbeiter Craftbier gratis bekommen.

Apfel, Birne, Banane, Sanduhr - auf die Körperform kommt es an

Damit die Kleider möglichst passen, muss man bei der Anmeldung in der Zadaa-App Geschlecht, Geburtsjahr, Gewicht, Körper- und Körbchengröße angeben und auswählen, ob die eigene Figur eher einer Birne, einem Apfel, einer Banane, einer Sanduhr oder einer ovalen Form ähnelt. Man kann aber einstellen, dass manche der Angaben für andere Nutzer verborgen bleiben. Doch die App mit dem Kleiderbügel-Logo will ihre Nutzerinnen - es sind hauptsächlich Frauen, die sich anmelden - mit ihren "Style-Zwillingen" zusammenbringen: ähnliche Maße, ähnlicher Geschmack.

Anders als etwa bei Ubup, wo das Portal die Kleider an- und weiterverkauft, schicken sich bei Zadaa die Nutzer die Ware direkt. Zadaa erhebt eine Gebühr von einem Euro, plus einem Servicezuschlag, der je nach Preishöhe zwischen null und zwölf Prozent des Preises liegt. "Das machen wir, weil jede Lieferung mit 10 000 Euro versichert ist", sagt Kormi, "sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer." Die Logistik übernimmt Zadaa, das unterscheidet sie ebenfalls von anderen Anbietern. In Deutschland arbeitet Zadaa mit DHL zusammen, im Inland kostet der Versand bis zu vier Euro, im Ausland acht. Sobald ein Pullover in der App gekauft wurde, bekommt der Verkäufer einen QR-Code, den er lediglich bei der Packstation vorzeigen muss. So muss der Verkäufer keine Briefmarken kaufen, und der Käufer muss seine Adresse nicht verraten.

Dennoch erinnert Zadaa in vielem an Kleiderkreisel. Das beginnt schon beim Slogan. "Unsere Vision ist es, weltweit alle Kleiderschränke zu vernetzen", sagt Kormi. Auf der Kleiderkreisel-Website steht: "Kleiderkreisel vernetzt Kleiderschränke." Zadaa hat zwar seit seinem Start in Deutschland Mitte August 23 000 Nutzer gewonnen und hat nun - zusammen mit jenen in Dänemark und Finnland - insgesamt 250 000. Doch damit ist die App noch weit entfernt von Kleiderkreisel, dessen Nutzerzahlen nach eigenen Angaben in Deutschland bei 5,8 Millionen und in allen zehn Ländern, in denen die einzelnen Plattformen des Mutterkonzerns Vinted vertreten sind, bei etwa 21 Millionen Mitgliedern liegen. Mit einem Marktanteil von 63 Prozent ist Kleiderkreisel in Deutschland der "unangefochtene Marktführer" unter den Second-Hand-Plattformen für Kleidung von Nutzern für Nutzer, heißt es in einer Untersuchung des Forschungsprojekts Peer-Sharing von 2015. Neuere Ergebnisse liegen nicht vor.

Kormi zeigt sich davon wenig beeindruckt. "Irgendwann werden wir Kleiderkreisel auf jeden Fall einholen", sagt er. Den Vorteil von Zadaa sieht er vor allem in der Internationalität. "Du kannst mit dem Handy dänische Flohmarkt-Mode kaufen, ohne nach Dänemark zu fahren." Kleiderkreisel dagegen konzentriert sich auf den deutschsprachigen Markt. Kormi erwartet bis Ende dieses Jahres fast eine halbe Million Nutzer, bis Ende 2019 fünf Millionen, wenn es so weitergeht wie bisher. Denn in den kommenden sechs Monaten will der Finne seine App auch nach Österreich und Holland bringen, danach sollen sechs weitere europäische Länder folgen.

"70 Prozent der Kleider, die die Leute in ihrem Schrank haben, tragen sie nicht."

Das klingt ambitioniert, vor allem, wenn man bedenkt, welche Proteste das Bezahlmodell auslöste, das Kleiderkreisel 2014 vorübergehend einführte - mit Gebühren, die unter den heutigen von Zadaa liegen. Inzwischen kann man bei Kleiderkreisel wählen, ob man einen Käuferschutz möchte oder nicht.

Doch Kleiderkreisel hat auch einige Jahre Vorsprung: Das Mutterunternehmen Vinted wurde 2008 in Litauen gegründet. Kormi rief Zadaa 2015 ins Leben, für das Start-up brach er die Business School ab. Heute hat Zadaa einen Umsatz von fünf Millionen Euro und zwölf Mitarbeiter, davon zwei im Coworking-Space in Berlin. Dass Zadaa nun nach Deutschland gekommen ist, ist kein Zufall. "Soweit ich weiß, sind die Deutschen die Grünsten unter den Europäern", sagt Kormi. Der Nachhaltigkeitsaspekt ist ein wichtiges Argument vieler Second-Hand-Plattformen. Schwierig wird es dann, wenn sie über ganze Ozeane liefern, denn die weiten Transportwege schaden der Umwelt wiederum.

Auch Kormi will sich nach Europa andere Kontinente vornehmen. Er sieht das Problem, doch er sagt: "70 Prozent der Kleider, die die Leute in ihrem Schrank haben, tragen sie nicht." Lieber sorge er dafür, dass diese 70 Prozent genutzt werden, als dass die Leute sie wegwerfen und neue Sachen kaufen - "die wiederum im Ausland produziert wurden", sagt Kormi.

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