Süddeutsche Zeitung

Nach Corona:Bloß weg damit

Eine Frage, eine Antwort: Warum misten in der Pandemie so viele Menschen aus - und wer profitiert davon?

Von Vivien Timmler

Die Jeansjacke? Ewig nicht angehabt. Die DVDs verstauben auch alle im Regal. Und der rostige Grill? Wurde längst durch ein neues Modell ersetzt und steht seitdem nur im Weg rum. Also weg damit!

Dass Menschen ungenutzte Dinge ausmustern, ist an und für sich freilich kein Corona-Phänomen. In der Pandemie jedoch hat das Bedürfnis der Deutschen, sich von Altem und Gebrauchtem zu trennen, eine neue Dimension angenommen. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung hat die Zeit seit Beginn der Pandemie dafür genutzt, mal wieder richtig auszumisten. Das geht aus Daten des Instituts für Handelsforschung (IFH) Köln hervor. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es sogar 80 Prozent.

Irgendwie ist es ja auch logisch: Die meisten Menschen haben 2020 so viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht wie ihr ganzes bisheriges Leben nicht. Da stört es plötzlich, wenn der Kleiderschrank nur so überquillt und man das Kellerabteil quasi nicht mehr unfallfrei betreten kann. Hinzu kommt, dass die tägliche Konfrontation mit vermeintlichen Alltagsgegenständen dem ein oder anderen vor Augen geführt hat, was eben doch keinen Platz mehr in eben jenem Alltag hat.

Den IFH-Daten zufolge sind das in den meisten Fällen Kleidungsstücke, gefolgt von Schuhen und Büchern. Bei Ebay-Kleinanzeigen waren im vergangenen Jahr neben Fahrrädern und Gartenzubehör vor allem Gesellschafts- und Videospiele sowie Bücher und Filme gefragt. "Offensichtlich haben viele die Zeit genutzt, ihre Wohnung aufzuräumen und sich von ungenutzten Dingen zu trennen", so ein Sprecher der Plattform.

Gründe dafür, Gebrauchtes nicht zu horten oder wegzuwerfen, sondern weiterzuverkaufen, gibt es viele. Neben der Motivation, mit dem alten Kram doch noch ein bisschen Geld zu machen, spielt Umfragen zufolge auch das Streben nach mehr Umwelt- und Klimaschutz eine immer größere Rolle. Zu dem Ergebnis kommt auch eine Studie des Wuppertal-Instituts. Wer weiterverkauft, verhindert schließlich in den meisten Fällen, dass neue Ware in den Umlauf kommt.

Die Profiteure dieser Entwicklung sind vor allem die gängigen Online-Gebrauchtwaren-Plattformen wie Momox, Vinted, Mädchenflohmarkt und - allen voran - Ebay-Kleinanzeigen. Ernsthafte Sorgen, dass das Geschäft bald einbrechen könnte, weil so langsam alle Deutschen ausgemistet haben, macht man sich dort übrigens nicht. Betrachte man den Second-Hand-Umsatz in Relation zur Neuware, die jedes Jahr verkauft werde, sei da nach wie vor viel Potenzial, heißt es etwa bei Momox. Na dann: fröhliches Frühjahrsputzen.

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