Sebastian von Bomhard:Dieser Mann klagt gegen Überwachung

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SpaceNet-Chef Sebastian von Bomhard. (Foto: SpaceNet)

Internetunternehmer Sebastian von Bomhard sagt über die neuen Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung: "Man muss kein Aluhut sein, um das bedenklich zu finden."

Von Guido Bohsem, Berlin

Es gibt ein paar Dinge an der Vorratsdatenspeicherung, die Sebastian von Bomhard so richtig aufregen. Dazu gehören natürlich auch die rechtlichen Fragen, der Schutz der Grund- und Bürgerrechte in Deutschland und Europa. Doch sind es vor allem die Ungereimtheiten des neuen Gesetzes, die den Vorstand des Münchner Internetanbieters Spacenet wütend machen. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte eines Kunden, der häufig ins Visier der Behörden gerät, weil seine Datenspur immer wieder auf verdächtigen Seiten auftaucht.

"Kein Wunder", sagt Bomhard, "der Mann liefert Banner aus". Sein Kunde hat sich darauf spezialisiert, alle möglichen Internetseiten automatisch mit Werbung zu versorgen. Unter den Seiten befänden sich auch anrüchige oder kriminelle Adressen, weshalb die Polizei immer wieder mal bei Spacenet nach den Daten des Kunden frage. Auch alle anderen Anfragen, drehten sich um kleinere und mittlere Kriminalermittlungen: "Da fühle ich mich veralbert, wenn man vorher sagt, es gehe um Terror, nationale Sicherheit und den Fortbestand der Galaxie."

Bomhard will nicht wieder speichern und hat sich deshalb entschlossen, gegen die Vorratsdatenspeicherung zu klagen, die der Bundestag Ende 2015 beschlossen hat. Nicht etwa vor dem Verfassungsgericht, was ihn kein Geld kosten würde, sondern vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Sein Ziel ist, die Sache dadurch so schnell wie möglich wieder vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen. Der hatte 2014 die frühere EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung beanstandet.

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Nach Worten des Verfassers der Klageschrift, Matthias Bäcker vom Karlsruher Institut für Technologie, wird auch das neue deutsche Gesetz den Ansprüchen des EuGH nicht gerecht. Oliver Süme vom Internet-Wirtschaftsverband Eco sagt, den Unternehmen fehle deshalb jegliche Planungssicherheit. "Sie werden gezwungen, ein Millionengrab zu schaufeln." Allein die Anfangskosten würden die gut 2200 betroffenen Unternehmen knapp 600 Millionen Euro kosten. Das wären mehr als doppelt so viel wie sie 2007 für die erste Fassung der Vorratsdatenspeicherung investieren mussten. Der Verband unterstützt Bomhard bei der Klage.

40 Euro soll das Unternehmen pro Abfrage bekommen

Für Spacenet rechnet Bomhard mit einem Investitionsaufwand in Höhe eines sechsstelligen Betrages. Hinzu kämen noch die Kosten des laufenden Betriebs. Das würden seine Kunden am Preis spüren, sagt er. "Dafür, dass wir seine Daten weitergeben, verlangen wir auch noch mehr Geld." Was der Staat dem Unternehmen für eine Abfrage zahle, sei lächerlich. 40 Euro sind geplant.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Vorratsdatenspeicherung 2010 verworfen und strenge Auflagen vorgeschrieben, falls der Gesetzgeber sie doch wieder einführen wolle. Vieles davon wird Rechtsprofessor Bäcker zufolge im neuen Gesetz berücksichtigt. Doch habe das Gericht damals nicht die rasante Entwicklung der Technik absehen können.

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Sein Unternehmen sei durch die neue Vorratsdatenspeicherung gezwungen, viel zu viel preiszugeben, sagt Bomhard. Sogar ihm, einem Pionier des Internets, werde mulmig angesichts der Datenmenge und der immer besseren Möglichkeiten, sie auch auszuwerten. "Man muss kein Aluhut sein, um das bedenklich zu finden", sagt der Mann, der 1993 den Verein muc.de gründete und damit das erste Internet nach München brachte (jedenfalls, wenn man vom universitären Bereich absieht). Als Aluhut-Träger bezeichnet man Menschen, die an allerlei Verschwörungs- und Verfolgungstheorien glauben. Der 54-jährige Bomhard sagt, er werde immer skeptischer: "Je älter ich werde, desto mehr Alu habe ich im Hut."

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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