Sears:Schlechte Zeiten für Kaufhäuser

Sears: Sears-Kaufhaus in Los Angeles: Hohe Mieten und sinkende Kundenzahlen belasten den Konzern.

Sears-Kaufhaus in Los Angeles: Hohe Mieten und sinkende Kundenzahlen belasten den Konzern.

(Foto: Mark Ralston/AFP)

Die Warenhauskette Sears, eine Ikone des amerikanischen Einzelhandels, steht vor dem Aus: Nach 125 Jahren geht das Unternehmen in die Insolvenz.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Schön war er ja nie gewesen, der beige-braune Betonklotz am Ortsausgang - und doch: Fragte man die Amerikaner, welche Firmen den wirtschaftlichen Aufstieg ihres Landes nach Kriegsende am besten symbolisieren, dann fiele neben Namen wie Coca-Cola, McDonald's und Macy's vermutlich auch der des Einzelhändlers Sears. Jahrzehntelang waren die Kaufhäuser des Konzerns für viele Bürger der Nabel der Shopping-Welt gewesen, der die Fahrt zu anderen Geschäften weitgehend überflüssig machte. Vom Heimtrainer bis zur Schrotflinte, von der Mandoline bis zur Motorsäge, vom Abendkleid bis zur Waschmaschine: Sears hatte es. Der Sears Tower in Chicago, der längst nicht mehr so heißt, war mit 527 Metern einst gar das höchste Gebäude der Welt. Jetzt das so ruhmreiche Unternehmen Insolvenzantrag gestellt.

Sears ist damit nach dem Spielwarenhändler Toys'R'Us der nächste Altstar, der dem Strukturwandel im Einzelhandel zum Opfer fällt. Während die Branche früher von Kaufhauskonzernen dominiert wurde, die ihre Waren in Katalogen vom Gewicht eines Ziegelsteins feilboten, ist heute der Online-Konzern Amazon unumstrittener Marktführer. Amazon gilt gerade bei jungen Kunden nicht nur als moderner und flexibler, das Unternehmen hat vielmehr darüber hinaus auch eine Reihe handfester Kostenvorteile: So fallen etwa weder Mieten für große Einkaufszentren noch Gehälter für Einzelhandelsfachpersonal an.

Wie es mit Sears nun weitergeht, ist offen. Insolvenzverfahren sind in den USA darauf ausgerichtet, das betroffene Unternehmen möglichst zu erhalten und fortzuführen. Dazu müssen die Geldgeber ihre Ansprüche zunächst zurückstellen und der Firma Zeit lassen, Kredite umzustrukturieren und ein neues Geschäftskonzept zu entwickeln. Im Fall Sears allerdings erscheint eine Fortführung im bisherigen Stil kaum möglich. Laut Insolvenzantrag ist das Unternehmen mit zehn Milliarden Dollar verschuldet, fast 200 der zuletzt noch gut 800 und einstmals 4000 Geschäfte sollen in den nächsten Monaten schließen. Für viele der noch rund 90 000 Mitarbeiter bedeutet das wohl die Entlassung.

Von ehemals 4000 Geschäften sind noch 500 übrig

Firmenchef Edward Lampert, der 2004 den Zusammenschluss von Sears mit dem ebenfalls darbenden Discounter Kmart eingefädelt hatte und bis heute über seinen Hedge-Fonds ESL Investments größter Geldgeber des Konzerns ist, trat von seinem Amt zurück. Er bleibt allerdings Aufsichtsratsvorsitzender und plant offenbar, das Unternehmen zu verschlanken und um einen Kern von profitablen Einkaufszentren neu aufzubauen. In einer schriftlichen Erklärung gestand der Manager, der "Eddie" gerufen wird, ein, dass sein bisheriger Plan zur Sanierung der 130 Jahre alten Firma "noch nicht die Ergebnisse gebracht hat, die wir uns gewünscht hatten".

Dabei war es gar nicht so, dass Lampert die Gefahr, die von Amazon ausging, nicht hätte kommen sehen. Im Gegenteil, er investierte früh in den Ausbau des Internet-Angebots und sah sich gegenüber dem Emporkömmling aus Seattle sogar im Vorteil. Nicht nur, dass Sears den Kunden schon immer angeboten hatte, sämtliche Waren bis in den hintersten Winkel des Landes zu liefern. Vielmehr, so die Hoffnung, ließen sich die Warenhäuser im ganzen Land auch im Online-Zeitalter trefflich als regionale Verteilzentren nutzen. Zwar sparte Lamperts Konzept tatsächlich Transportkosten, es führte aber auch dazu, dass manches Geschäfte schon bald eher an eine Lagerhalle erinnerten, als an ein schickes Warenhaus. Das Ergebnis waren weiter sinkende Kundenzahlen, die den Konzern weit mehr Umsatz kosteten, als er an anderer Stelle zusätzlich generieren konnte.

Lampert versuchte es mit Ideen, die zwar im Finanzgeschäft gelegentlich Erfolg bringen, aber offensichtlich nicht im Einzelhandel: Er nahm Kredite auf, verkaufte wertvolle Firmenteile und ließ einzelne Abteilungen im Kampf um Ladenfläche und Werbezeit miteinander konkurrieren. Das Resultat jedoch war nicht mehr Effizienz, sondern innerbetrieblicher Streit, der so weit ging, dass sich Mitarbeiter der Schmuckabteilung auf Anweisung ihrer Chefs dumm stellten, wenn Kunden sie nach dem Weg zur Wursttheke fragten.

Firmenchef Lampert war nur selten in der Zentrale, er lebte lieber in Florida

Kritiker warfen Lampert zudem schon immer vor, sich nicht genügend um Sears zu kümmern. So führte er das Unternehmen meist von Florida aus, die Konzernzentrale in Illinois soll er all die Jahre kaum betreten haben. Andere bemängelten, der heute 56-Jährige habe einen nicht geringen Teil seiner Zeit damit verbracht, seine eigenen Investitionen vor dem seit Jahren drohenden Insolvenzverfahren in Sicherheit zu bringen. Lampert, an der Elite-Universität Yale einst Zimmergenosse des heutigen US-Finanzministers Steven Mnuchin, wies die Vorwürfe stets zurück.

Auch wenn die Geschäfte von Sears und Kmart dank eines neuen Kredits vorerst geöffnet bleiben: Mancherorts in den USA machte sich beim Blick auf den taumelnden Riesen am Montag bereits Nostalgie breit. Die Insolvenznachricht "weckt so viele Erinnerungen", schrieb etwa Mohamed El-Erian, der Chefberater des Versicherungskonzerns Allianz, im Kurzmitteilungsdienst Twitter, schließlich habe er seine ersten eigenen Haushaltsgeräte allesamt bei Sears gekauft. "Als ich aufwuchs", so El-Erian, "war das eine Art Ikone".

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