Schweres Erbe:Mein Vater, der Steuersünder

Uropas Knarre, Omas Hitlerbuch, Opas Koks: Es gibt Dinge, die will man nicht geschenkt haben. Wer sie vermacht bekommt, sollte wissen, wie er sie loswird. Und auch wer Schulden oder Schwarzgeld erbt, hat nichts zu lachen.

Von Silke Bigalke

Der Vater war ein Patriarch, ließ sich nie reinreden. Er saß im Vorstand eines großen Unternehmens, verdiente gut. Mit der Familie sprach er nie über Geld. Es sei ihm stets wichtig gewesen, Steuern zu sparen, so viel weiß sein Sohn Andreas Bürger, der eigentlich anders heißt und anonym bleiben will. Denn Bürger hilft seinem heute 82-jährigen Vater dabei, sich selbst wegen Steuerhinterziehung anzuzeigen. Er will den Vater vor Strafe schützen. Es geht um mehrere Millionen Euro in der Schweiz und um die Geheimnisse eines überforderten alten Mannes.

Die meisten geheimen Konten in der Schweiz, Österreich und Luxemburg gehören Senioren, berichten Steuerberater. Deutsche Anleger und Unternehmen verstecken im Ausland immer noch 400 Milliarden Euro vor dem Fiskus, schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft. Es ist Schwarzgeld, das nun zunehmend zur Sorge der nächsten Generation wird.

"Wenn es um Selbstanzeigen geht, sitzen wir meistens mit der Kindergeneration da, die entweder ihre Eltern zur Einsicht drängt oder das Schwarzgeld bereits geerbt hat", sagt Peter Lüdemann, der sich um die Selbstanzeige von Andreas Bürgers Vater kümmert und dem Beratungsunternehmens Ecovis vorsteht. Ecovis habe dieses Jahr bereits 100 Selbstanzeigen betreut. 99 Prozent der Inhaber schwarzer Konten seien im Rentenalter, schätzt Lüdemann.

So wie Bürgers Vater. Der bekam es mit der Angst zu tun, Angst vor dem Gefängnis. Seine Schweizer Bank, eine kleine Privatbank, hatte ihm eröffnet, dass sie ihn nicht mehr vor der Steuerfahndung schützen könne. Der 82-Jährige, der seit einem Schlaganfall nicht gut sprechen kann, beichtete in seiner Verzweiflung alles dem Sohn. "Das ist auch eine emotionale Belastung. Man merkt plötzlich, dass der Vater jahrelang Dinge verheimlicht hat, auch meiner Mutter gegenüber", sagt Bürger. Die musste früher mit einem kleinen Haushaltsgeld auskommen, während ihr Gatte heimlich große Summen ins Ausland schaffte.

"Das Vertrauen ist angeknackst", sagt der Sohn, der mit weiteren Überraschungen rechnet. Er sucht die Unterlagen für eine Selbstanzeige zusammen, die muss unbedingt vollständig sein. Doch Buch geführt hat der Vater zuletzt kaum noch, vieles kramt Bürger aus einer losen Zettelsammlung in einem großen Karton. Er tut das, um seinem Vater zu helfen. Aber auch, weil er den Schlamassel sowieso irgendwann erben wird.

Generationenkonflikt beim Steuerberater

In vielen Büros deutscher Steuerberater ist ein Generationenkonflikt ausgebrochen: Die Kinder wollen kein Schwarzgeld erben, und die Eltern sträuben sich, es weiß zu waschen. "Es ist häufig so, dass sie den Schritt zur Selbstanzeige nicht gehen wollen", sagt Franz Bielefeld, Steuerstrafverteidiger in der Kanzlei Rölfs-Partner. Und die künftigen Erben könnten sie nicht zwingen, haben "keine rechtliche Handhabe".

Besonders heikel ist es, wenn die Kinder eine Vollmacht unterschrieben haben, um den betagten Eltern bei den Finanzen zu helfen. "Ab hier wird es schwierig: Die Frage wird sein, wann beginnt die Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wann beginnt die Mittäterschaft", sagt Alexander Littich, Rechtsanwalt bei Ecovis. Für Beihilfe zur Steuerhinterziehung reicht es bereits aus, wenn der Sohn den tatterigen Vater zur Bank gefahren hat oder Unterlagen für das Konto an seine Adresse geschickt wurden.

Eltern und Kinder werden zur Schicksalsgemeinschaft: Steuerberater empfehlen, bei einer Selbstanzeige der Eltern die Kinder vorsorglich mit anzuzeigen, wenn diese eine Vollmacht hatten. Verweigern die Eltern jedoch eine Selbstanzeige, können sich die Kinder nur reinwaschen, wenn sie die Eltern ans Messer liefern. Denn sobald das Finanzamt durch eine Seite von dem Fall weiß, wird eine strafbefreiende Selbstanzeige für die andere unmöglich.

Viele halten Schwarzgeld für ihr gutes Recht

Trotzdem bleiben viele Senioren stur. "Viele empfinden es als ihr gutes Recht, Geld im Ausland zu haben, weil sie das immer so gemacht haben", sagt Steuerberater Lüdemann. Er schätzt, dass es bis zu einer Million deutscher Schwarzgeldkonten in den Nachbarländern gab, bevor die ersten Steuer-CDs auftauchten. Ein großer Teil davon wurde eingerichtet, als 1993 die Kapitalertragsteuer kam. Deutsche Banken spielten dabei eine wichtige Rolle. "In den 90erJahren wurden Auslandskonten sogar von diversen Banken im Fernsehen beworben", sagt Strafverteidiger Bielefeld.

Auch der Vater von Andreas Bürger hat lange nicht eingesehen, dass er etwas unternehmen muss. Bürger vermutet, dass bereits seine Großeltern Geld in der Schweiz hatten. "Mein Vater hat lange gedacht, er sitzt das aus. Nach dem Motto: nach mir die Sintflut", sagt er.

"Bewaffnete Männer in Lederjacken"

Eine Haltung, für die viele Erben nun büßen müssen. So wie eine 78-jährige Mandantin von Steuerberater Lüdemann: Deren Gatte war verstorben, und plötzlich stand die Steuerfahndung vor der Tür, "bewaffnete Männer in Lederjacken", sagt Lüdemann. Es ging um 300.000 Euro in der Schweiz, von der die Frau nach eigenem Beteuern nichts wusste. Bezahlen musste sie trotzdem, nicht nur mit einem Riesenschrecken, sondern auch mit 33.000 Euro Nachzahlung und 45.000 Geldstrafe.

Häufig erfahren die Erben erst nach dem Tod eines Angehörigen von dessen illegalen Konten. Dieser hinterlässt in der Regel seiner Schweizer Bank die Adresse der Nachfahren - die dann per Post über das heikle Erbe informiert. "Viele trauen sich nicht, ihr Auslandskonto ins Testament zu schreiben, lassen sich keine Kontoauszüge zuschicken, verdrängen das Problem", sagt Steuerberater Franz Kirschner, Gründer der Kanzleigruppe KPWT. Er hat gerade erst einen betagten Mandanten betreut, der die Nummer seines Schweizer Kontos vergessen hatte. "Ich möchte nicht wissen, wie viele ältere Leute nichts mehr von ihren Konten in der Schweiz wissen. Und die Banken freuen sich über das Geld." Dann nämlich, wenn die Erben nie davon erfahren - was Kirschner in vielen Fällen für möglich hält. Oft stolpern sie nur zufällig über einen Hinweis auf das Schwarzgeld. Der Klassiker: Eine Telefonnummer im Adressbuch des Toten entpuppt sich als Schweizer Nummernkonto.

Sobald sie davon erfahren, sollten sich Erben beim Finanzamt melden, wenn sie sich nicht selbst strafbar machen wollen. Sie berichtigen die Steuererklärungen für den Verstorbenen - und müssen dafür bis zu zehn Jahre zurückgehen. Das kann teuer werden: Der Erbe zahlt die Einkommensteuer für den Verstorbenen nach, versteuert die eigenen Kapitalerträge seit dem Tod des Erblassers und zahlt womöglich Erbschaftsteuer nach. "Ich habe erlebt, dass Erben fassungslos waren, weil von dem Erbe fast nichts übrig geblieben ist", sagt Sauer-Schnieber von der Steuergewerkschaft.

Verzicht statt Stress?

Ist es da nicht besser, sich den Stress zu sparen und zu verzichten? Man kann ein Erbe ausschlagen, wenn das Vermachte eher Last ist als Wohltat. Für diese Entscheidung bleiben jedoch nur sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Erbe offiziell benachrichtigt wird. Dass er nun womöglich auch geheime Auslandskonten besitzt, erfährt er meistens erst, wenn es zu spät ist.

Dann hat er den Stress, eine vollständige Selbstanzeige abzugeben - denn nur die befreit von Strafe. Ein großes Problem, wenn der Verstorbene keine Unterlagen hinterlassen hat. "Etwas wird man immer finden, eine Adresse einer Bank, eine Kontonummer, irgendwas", sagt Sauer-Schnieber. Am Ende könne man immer noch zur Bank des Verstorbenen ins Ausland fahren und dessen Berater befragen. "Es muss der ernsthafte Wille da sein, das wirklich zu ermitteln."

Noch komplizierter wird es, wenn es mehrere Erben gibt, die unterschiedlich mit dem Vermächtnis umgehen wollen. Vererbt ein Steuerhinterzieher sein Schwarzgeld an drei Kinder, müssen sich alle drei quasi gleichzeitig ans Finanzamt wenden. Nur so bleiben alle sicher straffrei. "Über die Frage, ob ein Konto aufgedeckt werden soll oder nicht, haben sich schon viele zerstritten", sagt Anwalt Bielefeld. "Ich habe Fälle erlebt, wo jahrelange Prozesse ganze Familien zerstört haben." Kein schönes Erbe.

Papas Schulden, Uropas Knarre, Omas Hitlerbuch

Ein letzter Wille bringt den Nachkommen nicht immer Segen. Wer seinem Kind alles vermacht, hinterlässt ihm auch alle offenen Rechnungen, alle Schulden. Wenn der Bedachte absehen kann, dass ihn sein Erbe in den Ruin treibt, sollte er es ausschlagen. Dazu hat er sechs Wochen Zeit, von dem Moment an, in dem er vom Erbe erfährt. Das Problem: "Die Ausschlagungsfrist ist oft viel zu kurz", sagt Paul Grötsch, Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht. Zu prüfen, was beispielsweise Immobilien aus dem Nachlass wert sind, dauert länger.

Das Dilemma: Der Erbe kann nur alles ausschlagen oder alles annehmen. Er sollte also genau rechnen, ob am Ende ein Plus oder ein Minus übrig bleibt. Irrt sich der Hinterbliebene dabei, kann er beim Nachlassgericht anfechten, dass er das Erbe angenommen hat. Dann nämlich, wenn sich die Schulden als größer herausstellen, als er ahnen konnte. Und es gibt eine zweite Möglichkeit: Wer sein Erbe angenommen hat und unsicher ist, was dessen Wert betrifft, kann manchmal die eigene Haftung für den Nachlass beschränken. So verhindert er, dass er mit dem eigenem Vermögen für die Schulden des Verstorbenen einspringen muss.

Uropas Knarre

Auf manchem Dachboden liegt ein Gewehr oder ein Revolver, von dem niemand wusste, dass der Urgroßvater ihn besaß. Finden Erben Waffen, müssen sie das ihrem Landratsamt mitteilen, es gibt dort Mitarbeiter, die sich um Waffenrecht kümmern. Hat der Verstorbene die Waffe legal besessen, können Erben sie behalten: Wenn sie das Erbe annehmen, müssen sie sich innerhalb eines Monats beim Landratsamt eine Waffenbesitzkarte ausstellen lassen. Ein zertifizierter Waffenhändler muss außerdem den Lauf blockieren - für jeden Lauf kann das bis zu 300 Euro kosten. Viele Erben verkaufen die Waffen deshalb.

Wichtig ist, dass der Käufer eine Waffenhandelserlaubnis besitzt oder zum Kauf bestimmter Waffen berechtigt ist, wie ein Jäger oder Sportschütze. Gibt es zur Waffe keine Besitzkarte des Urgroßvaters, prüft das Landratsamt, ob sie registriert ist. Wenn auch die Kriminalpolizei sie nicht in ihrer Sachfahndungsliste findet, gehen die Behörden davon aus, dass die Waffe illegal besessen wurde. Eine illegale Waffe kann man nicht vererben. Der Finder darf sie nicht behalten, hat aber die Möglichkeit, sie zu legalisieren und einem Berechtigten zu überlassen.

Omas Hitlerbuch

In verstaubten Bücherregalen finden sich beim Gang durch die geerbte Wohnung manchmal nicht nur Klassiker wie Goethe oder Shakespeare, sondern auch ganz andere Werke: Wer auf Relikte aus der NS-Zeit wie zum Beispiel Hitlers Schrift "Mein Kampf" oder im Keller auf Armbinden mit Hakenkreuz stößt, macht sich durch den Besitz allein zwar nicht strafbar. "Aber wer meint, seine Erbstücke öffentlich zur Schau stellen zu müssen und auf der Straße zum Beispiel einen Anstecker mit Hakenkreuz trägt, kann angezeigt werden", sagt Simone Paulmichl vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Dann drohen bis zu drei Jahre Freiheits- oder eine Geldstrafe.

Der Verkauf der NS-Gegenstände ist ebenfalls nicht erlaubt, außer zu Forschungszwecken. Verkäufer sollten sich deswegen eine Bestätigung vom Abnehmer unterschreiben lassen, dass der zum Beispiel nachweislich an einem historischen Lehrstuhl arbeitet. Einrichtungen wie das Institut für Zeitgeschichte nehmen manche Dokumente zudem für ihr Archiv sowie Ausstellungen entgegen. Ob ein Gegenstand historischen Wert hat, können Erben durch einen kurzen Anruf herausfinden.

Großtantes Burg, Opis Koks

Wer sich nach der Testamentseröffnung der unbekannten Großtante als Schlossherr sieht, freut sich womöglich zu früh. Bevor man das Erbe annimmt, sollte man von einem Architekten, Gutachter oder Handwerker genau prüfen lassen, ob sich Schwamm und Holzwurm ausgebreitet haben, ob das Gebälk hält und die Böden noch tragen. "Möglicherweise ist das Gebäude zwar Millionen wert, Sie müssen dafür aber erst mal Millionen reinstecken", sagt Gerhard Wagner, Geschäftsführer des Vereins Deutsche Burgenvereinigung: "Eine Ruine im Wald würde ich tunlichst ablehnen." Die Behörden für Denkmalpflege machen außerdem genaue Vorschriften.

Ohnehin sei es schwierig, den Wert eines Schlosses zu bestimmen, auch wenn man es nicht behalten, sondern weiterverkaufen will. Viel hängt davon ab, wo das Gebäude steht und wofür es genutzt werden kann - ob es beispielsweise für Eventveranstalter oder Hotelbetreiber von Interesse ist. Die Treuhandanstalt habe Schlösser auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zum Teil für eine D-Mark verkauft, erinnert sich Wagner. "Im kapitalistischen Sinne waren die nichts wert. Im Sinne der Denkmalpflege natürlich schon."

Opis Koks

Weißes Pulver - und nein, es ist definitiv kein Salz. Wenn Erben in einer Schublade Koks, Cannabis oder andere Drogen finden, mit denen sich der Großvater die Rente versüßt hat, gilt der Grundsatz: Auf keinen Fall zur nächsten Polizeidienststelle laufen. Stattdessen lieber direkt bei den Beamten anrufen und sie auffordern, vorbeizukommen. So können sich die Polizisten selbst ein Bild machen und der Finder steht nicht gleich unter dem Verdacht, sich den Stoff vielleicht doch zur eigenen Verwendung besorgt und nun plötzlich Panik bekommen zu haben. Deswegen sollten Betroffene die Verpackungen am besten gar nicht erst anfassen, das hilft der Polizei bei der Spurensicherung.

Wer im Affekt die Tüten direkt einpackt und auf das Präsidium trägt, sollte den Beamten den Fund ganz genau schildern und seine Situation erklären. Dass man sich trotzdem verdächtig macht, ist relativ unwahrscheinlich. "Schließlich ist kein Drogendealer so unintelligent und bringt seine Ware höchstpersönlich bei der Polizeidienststelle vorbei", sagt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums München. Sich umgehend zu melden, sei aber in jedem Fall dringend zu empfehlen.

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