Süddeutsche Zeitung

Schwelende Euro-Krise:Europa sitzen die Spekulanten im Kreuz

Für Spanien wird es immer teurer, Geld am Markt zu leihen. Italien steckt wieder tief in der Krise, selbst Frankreich verfehlt seine Ziele. Und dann immer wieder: Griechenland. Unter den mächtigen Volkswirtschaften der Währungsunion ist Deutschland mittlerweile das einzige Land, in dem die Wirtschaft wächst. Die Zukunft des Euro entscheidet sich nun an einer Frage: Ist Deutschland bereit, den schwachen Ländern dauerhaft zu helfen?

Cerstin Gammelin

Täglich grüßt sie wieder, die Krise des Euro-Klubs. Für Spanien wird es immer teurer, Geld am Markt zu leihen. Die Wirtschaft schrumpft, die Menschen verlieren Jobs. Keiner mag sich mehr festlegen, wie lange das Land das noch ohne Hilfe aushalten kann. Und dann immer wieder: Griechenland. Trotz aller schon geschnürter Sparpakete fordert die Europäische Kommission die Regierung in Athen jetzt auf, Löhne für Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft bis 2014 um weitere 15 Prozent reduzieren zu lassen - um sich überhaupt die Chance zu erhalten, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ob das auf offene Ohren stößt in einem Land, das im Wahlkampf steckt, darf bezweifelt werden.

So verwundert es nicht, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) ausspricht, was viele denken: Die Krise in Europa ist nicht vorüber, sie kann jederzeit wieder eskalieren. Das hat viele Gründe. Einer von ihnen ist weiterhin die Schwäche Italiens, der drittgrößten Volkswirtschaft des Euro-Klubs.

Das Land schien auf dem besten Wege, wieder auf die Beine zu kommen - bis die Prognose aus Washington die Hoffnung zerstörte. Die Regierung in Rom werde weder in diesem noch im kommenden Jahr ihre Haushaltsziele erreichen, meldete der IWF. Und, anders als angekündigt, werde Italien frühestens 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen können - fünf Jahre später, als es Interimspremier Mario Monti versprochen hat.

Neben den kleinen Ländern Griechenland, Portugal und Irland, die derzeit ohnehin von Euro-Klub und IWF finanziert werden, kriselt es also in der dritt- und in der viertgrößten Volkswirtschaft der Währungsunion. Also alles wie im vorigen Jahr? Nein, so einfach ist es nicht. Washington hatte eine weitere Nachricht parat, die zeigt, wie tief sich die Krise auch in richtig starke Volkswirtschaften gegraben hat. Auch Frankreich wird möglicherweise seine Defizitziele verfehlen.

Die schlechte Nachricht ging beinahe im Getöse des französischen Wahlkampfs unter. Weder in diesem Jahr noch im kommenden Jahr werde die zweitgrößte Volkswirtschaft des Euro-Klubs die selbstgesteckten Ziele erreichen, sagt der IWF. Anstatt das Defizit 2013 wieder unter die erlaubten drei Prozent, bezogen auf die Wirtschaftskraft, zu drücken, werde es bei 3,9 Prozent liegen.

Unter den mächtigen Volkswirtschaften der Währungsunion ist Deutschland mittlerweile das einzige Land, in dem die Wirtschaft wächst, das seine Haushaltsziele einhalten kann und wo so viele Menschen wie noch nie Jobs haben. Und genau diese Zweiteilung - die großen Volkswirtschaften Frankreich, Spanien und Italien auf der einen Seite, auf der anderen das Schwergewicht Deutschland - steht symbolisch für das Grundproblem des Euro-Klubs. Es lautet: Wie kann eine Währungsunion dauerhaft funktionieren, wenn sich die Volkswirtschaften immer weiter auseinanderentwickeln?

Heikle Frage

Es ist die Frage, die sich der Euro-Klub schon bei seiner Gründung stellte, die Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker seitdem regelmäßig wiederholt - und auf welche die Länder noch keine Antwort gegeben haben. Aus gutem Grund: Die Frage klingt einfach, aber sie ist höchst heikel, weil sie ans Eingemachte geht.

Ihre Antwort ist verbunden mit einem Ja oder einem Nein zu einer europäischen Transferunion. Sollen starke Länder den schwächeren dauerhaft helfen, um die Spannungen zwischen ihnen nicht so groß werden zu lassen, dass der Verbund reißt? An der Antwort wird sich entscheiden, ob Griechenland, Portugal, aber auch Spanien im Klub bleiben werden.

Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister, übertreibt also gehörig, wenn er erklärt, die Krise sei vorüber. Die Krise war nie vorüber, sie war in den vergangenen Wochen nur ein wenig vergessen. Erschöpfung hatte sich breitgemacht nach ewigen Debatten über griechische Rettungspakete, Troika-Berichte und Schuldenerlass, über die Höhe von finanziellen Brandmauern und komplizierten Sparvorschriften.

Mit den Euro-Rettungsschirmen, dem Eine-Billion-Euro-Kredit der Europäischen Zentralbank und dem strikten Fiskalpakt hat der Euro-Klub die akuten Symptome der Schuldenkrise bekämpft. Er hat Zeit gewonnen, die er nutzen muss, um das Auseinanderentwickeln der Euro-Länder endlich zu stoppen. Das bedarf einer klaren Ansage. Mit beliebigen Selbstverpflichtungen wie dem Euro-Plus-Pakt oder kraftlosen Beschäftigungspaketen wird es nicht gelingen.

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SZ vom 19.04.2012/afis
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