Schweizer Schokolade:Lizenz zum Abbrechen

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Same, same, but different? Die Schokoriegel von Toblerone und Swissone im Vergleich. (Foto: Isabel Pfaff)

Ein Berner Unternehmer verkauft Schokoladenriegel, deren Form ein bisschen an Toblerone erinnern. Jetzt muss ein Gericht entscheiden.

Von Isabel Pfaff, Muri

Vernon Stuber sitzt in einem großen Büro im Berner Vorort Muri und ärgert sich. "Das verwechselt doch keiner!", ruft er. Vor ihm liegen zwei verpackte Schokoriegel, einer gelb mit roter Schrift, der andere cremeweiß mit goldener Verschlusskappe. Die Riegel sind etwa gleich lang, in beiden Packungen steckt Mandelnougat-Schokolade zum Abbrechen. Stuber, 60 Jahre alt, hellbrauner Pullover, weicher Berner Akzent, holt noch einmal tief Luft. "Wir wollen nicht Toblerone sein!", versichert er und nimmt sich die gelbe Packung, liest ab. "Schauen Sie doch mal, Zucker ist hier die erste Zutat." Dann die weiße: "Bei uns ist die erste Zutat immer Kakaomasse."

Stuber ist der Erfinder des cremeweiß verpackten Riegels namens "Swissone". Am 1. August dieses Jahres hat er sein Produkt lanciert, in drei Varianten: Milchschokolade, dunkle Schokolade und eben jene mit Mandelnougat, die von der Rezeptur her tatsächlich ein wenig an Toblerone erinnert. Auch die Form - aneinandergereihte Schokoladenberge zum Abbrechen - ähnelt zumindest der Idee nach dem berühmten Riegel mit dem Matterhorn-Logo, auch wenn die einzelnen Stücke nicht zackig, sondern abgerundet sind. Stuber hat zehn Jahre seines Lebens in Australien verbracht, er nennt die Oper in Sydney, Wellen oder Sanddünen als Vorbild.

Das US-Unternehmen Mondelez, dem die 1908 in Bern erfundene Marke Toblerone heute gehört, überzeugt das nicht. Wie die Schweizer Handelszeitung zuerst berichtete, hat der Konzern im August Klage beim Berner Handelsgericht eingereicht: Stuber und seine Firma Cocoa Luxury SA würden sich zu sehr an die ikonische Form der Toblerone anlehnen. Das verletze die Marke, außerdem bestehe die Gefahr der Verwechslung und der Rufausbeutung. "Die wollen uns weghaben", sagt Vernon Stuber. "Die angeblich so unumstößliche Marke kämpft gegen ein kleines Start-up."

Doch ganz so klein und unbedarft, wie das vielleicht klingt, ist Stubers Unternehmen nicht. Der ausgebildete Verlagskaufmann hat sich auf die Entwicklung von Lebensmittel-Marken spezialisiert. Schon in Australien hat er Schokolade hergestellt und vertrieben, eine seiner Marken hat er inzwischen an Nestlé verkauft. Nach seiner Rückkehr wollte er es auch in der Schweiz probieren. "Es ist ja so: Keine Schokolade hat einen so guten Namen wie die aus der Schweiz." Dabei, so klagt er, seien die meisten Sorten auch nicht mehr das, was sie einmal waren, viel zu viel Zucker drin. Er wolle mit seinem Produkt "zurück zu den Wurzeln der Schweizer Schokoladenkunst". Also: mehr Kakao und weniger Zucker. Stuber entwickelte Idee, Marke und Rezeptur, suchte sich einen Schweizer Hersteller, tat sich mit Designern zusammen und brachte schließlich seine Dreier-Serie heraus - als "moderner, virtueller Unternehmer", wie er sagt, der so gut wie alles outsourct.

Und verglichen mit den großen Playern auf dem Schweizer Schokoladenmarkt - etwa Lindt, Cailler oder eben Toblerone - kommt Swissone tatsächlich gut weg, was den Zucker- und Kakaogehalt in klassischen Milchschokoladen angeht. Darüber hinaus prangt auf den Stuber-Riegeln ein Fairtrade-Logo, und die Verpackungsfolie ist biologisch abbaubar. So viel Nachhaltigkeit hat ihren Preis: Swissone kostet drei Mal so viel wie ein Toblerone-Riegel des gleichen Gewichts.

Allerdings: Die Argumente der Toblerone-Besitzer in Bezug auf Marke und Erscheinungsbild von Swissone wirken nicht ganz aus der Luft gegriffen. Wer sich die Social-Media-Auftritte von Vernon Stubers Firma ansieht, entdeckt, dass der Unternehmer in den Anfängen durchaus mit Berg-Logos herumgespielt hat. Einen Facebook-Post vom Juni hat er sogar mit dem Hashtag "Schreckhorn" versehen, einer Anspielung auf den Viertausender in den Berner Alpen.

"Darf etwa nur Toblerone mit Bergen Werbung machen?", verteidigt sich Stuber. Er blättert in einem Ordner, zeigt Fotos von anderen Herstellern, die mit dem Matterhorn werben. Und Bilder von weiteren gezackten Schokoladenprodukten. "Hier, kennen Sie das?" Ein Riegel aus Milchschokolade und Mandelnougat, vertrieben von der größten Schweizer Supermarktkette. "Und diese Marke toleriert Mondelez!"

Tatsächlich ist nicht wirklich ersichtlich, warum es die Toblerone-Mutter Mondelez ausgerechnet auf Vernon Stubers Riegel abgesehen hat. Zumal der Konzern umgekehrt wenig Respekt zeigt: Erst vor Kurzem scheiterte Mondelez mit seinem Versuch, den Markenschutz des Schokoladenquadrats von Ritter Sport aufheben zu lassen. Fragen zum Fall Swissone will der Konzern nicht beantworten. "Viele Elemente der Marke Toblerone, wie Name, Produktform und das Design und die Form der Verpackung sind markenrechtlich geschützt", teilt eine Sprecherin mit. Darüber hinaus kommentiere man grundsätzlich keine laufenden Verfahren.

Nun muss also das Gericht entscheiden. Vernon Stuber, der sonst eher nicht zum Tiefstapeln neigt, wagt keine Prognose. In Bern, der Heimat der Toblerone, könnte das Gericht durchaus eher in Mondelez' Sinn entscheiden. Aufgeben will er aber auch dann nicht. "Durch unsere Größe wären wir schnell mit einer neuen Form wieder auf dem Markt."

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