Schweizer Bankgeheimnis:Schleier gelüftet

Je größer der mögliche Schaden, umso größer die Bedeutung eines Problems. Das gilt für den Nahost-Konflikt genauso wie für die Schweizer Finanzbranche. Doch das Erpressungspotenzial der Bankenbosse schwindet, ihre Bedeutung wird relativiert.

Ein Kommentar von Wolfgang Koydl

Was haben der Nahost-Konflikt und das Schweizer Bankgeheimnis gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den zweiten Blick treten jedoch Parallelen zutage: Die Bedeutung eines Problems, eines Konflikts oder eben einer Wirtschaftsbranche steht in direktem Verhältnis zu deren Fähigkeit, Schaden zu verursachen oder auch nur anzudrohen. Daraus resultiert ein nicht unerhebliches Erpressungspotenzial.

Der Streit zwischen Israelis und Arabern absorbierte auch deshalb so viel politische Energie des Westens, weil der Treibstoff der Weltwirtschaft - das Öl - zu großen Teilen aus dieser Region stammte. Doch je mehr sich die Amerikaner in die Energie-Autarkie fracken, desto stumpfer wird die nahöstliche Öl-Waffe.

Ähnlich unangreifbar wie einst die Ölscheichs waren bisher die Schweizer Bankenbosse. Denn sie verkündeten stets, dass ihre Banken 17 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes beitrügen. Fallen wir - zum Beispiel, weil das Bankgeheimnis aufgehoben wird -, dann reißen wir das ganze Land mit, so ihre Argumentation. Nun belegen neue Zahlen, dass der Anteil der Finanzbranche an der eidgenössischen Wirtschaft eher bei weniger existenzbedrohenden sechs Prozent liegt. Im Märchen verlor der furchterregende Zauberer von Oz seine Macht, als Dorothy hinter dem Vorhang ein mickriges Männchen entdeckte. Nun wird auch in der Schweiz der Schleier gelüftet.

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