Sanktionen gegen Russland:Das Verhalten der Schweiz ist mit Neutralität nicht zu entschuldigen

Sanktionen gegen Russland: Die Limmat in Zürich. Für Russland ist die Schweiz ein wichtiger Finanzplatz.

Die Limmat in Zürich. Für Russland ist die Schweiz ein wichtiger Finanzplatz.

(Foto: A. Tamboly/picture alliance / Westend61)

Das Land ist eine wichtige Anlaufstelle für Banken, Investoren und Superreiche aus Russland. Jetzt, im Krieg, will die Schweiz die EU-Sanktionen nicht komplett übernehmen. Das ist skandalös.

Kommentar von Isabel Pfaff

Es sind fast jubelnde Sätze, die die Schweizer Botschaft in Russland in ihren jüngsten Wirtschaftsbericht aus dem letzten Jahr geschrieben hat: Der Schweizer Finanzplatz erfreue sich bei russischen Banken, Investoren und Sparern "traditionell großer Beliebtheit". Und: "Die Schweiz ist für wohlhabende Russen seit Jahren weltweit mit Abstand die wichtigste Destination für die Verwaltung ihrer Vermögen." Und dann ist da natürlich noch der Rohstoffhandel, in dem die Schweiz eine prominente Drehscheiben-Rolle einnimmt: Ungefähr 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels erfolgt über die Schweizer Finanzdienstleistungszentren Genf, Zug, Lugano und Zürich, heißt es im Bericht.

Auch wenn sie zuweilen so tut: Die Schweiz ist kein kleiner, unwichtiger Akteur in diesem Konflikt. Sie nimmt viel mehr eine Schlüsselposition ein, insbesondere bei der russischen Elite, die die Alpenrepublik auch bei wichtigen medizinischen Eingriffen ansteuert oder gern ihre exklusiven Ferien in Genf, Graubünden oder im Berner Oberland verbringt. Die Eidgenossenschaft hat also einige Hebel in der Hand, mit denen sie die russischen Machthaber empfindlich treffen kann. Und: Sie hat den russischen Völkerrechtsbruch, den Angriff auf die Ukraine, klar benannt und verurteilt.

Umso mehr überrascht es, dass sich die Schweizer Regierung, der Bundesrat, dagegen entschieden hat, sein Potenzial hierbei voll auszuschöpfen. Man werde die "Umgehungsverhinderungsmaßnahmen", die die Schweiz nach der Besetzung der Krim 2014 verhängt hat, verschärfen - aber die von der EU am Mittwoch verhängten Sanktionen nicht vollumfänglich übernehmen. Das heißt unter anderem, dass die Schweiz im Gegensatz zu ihren Nachbarstaaten darauf verzichtet, russische Vermögen einzufrieren - zumindest vorerst.

Ausgerechnet bei diesem Völkerrechtsbruch wählt die Schweiz einen Sonderweg

Wohlgemerkt: Zuletzt flossen pro Jahr 2,5 Milliarden Dollar von russischen Privatpersonen auf Schweizer Konten. Und wie spätestens die jüngst von der Süddeutschen Zeitung publizierten Suisse Secrets gezeigt haben, legen Schweizer Banken nicht immer die nötige Sorgfalt an den Tag, wenn es um die Prüfung möglicherweise problematischer Kunden und Gelder geht.

Natürlich kann man auch die EU-Sanktionen kritisch und als ungenügend bewerten. Nichtsdestotrotz hat die Schweiz mit ihrem Sonderweg klargemacht, dass sie sich ausgerechnet bei diesem eklatanten Völkerrechtsbruch lieber zurücknehmen möchte - während sie sich in anderen Fällen, Belarus oder Syrien zum Beispiel, der EU einfach angeschlossen hat. Das ist skandalös und übrigens auch nicht mit der Neutralität und einer möglichen Vermittlerrolle der Schweiz zu erklären.

Es geht jetzt darum, so viel Druck wie möglich aufzubauen, um Gewalt und Kriegsverbrechen zu stoppen. Die auch am Freitag wieder vom Bundesrat betonten "Gesprächskanäle", die die Schweiz offen halten wolle, interessieren gerade wenig. Stattdessen können die sanktionierten Personen im Moment noch ihr Geld aus der Schweiz abziehen und womöglich in den Krieg stecken. Das Land sollte sich gut überlegen, ob sein Einsatz diesem Krieg angemessen ist.

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