"Erheblicher und vertiefter Abklärungsbedarf": Diese vier Worte finden sich gleich mehrmals in der Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft, die sich gegen vier Manager der schweizerischen Tochter der russischen Gazprombank richtet. Alle vier, darunter der Konzernleiter und zwei Geschäftsleitungsmitglieder, hätten nicht genug Sorgfalt bei Finanzgeschäften walten lassen, schreiben die Ermittler, obwohl es eben ziemlichen Abklärungsbedarf gegeben hätte.
Denn einer ihrer Kunden war über mehrere Jahre Sergej Roldugin, ein berühmter russischer Cellist und Dirigent - aber vor allem und bekanntermaßen ein enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
"Es ist notorisch, dass der russische Präsident Putin offiziell nur ein Einkommen von gut 100 000 Franken hat und nicht vermögend ist, tatsächlich jedoch über enorme Vermögenswerte verfügt, welche von ihm nahestehenden Personen verwaltet werden", schreibt die Staatsanwaltschaft in der erst jetzt bekannt gewordenen Anklageschrift vom November 2022. Sergej Roldugin gilt als eine solche Person - spätestens seit der Veröffentlichung der "Panama Papers" 2016, die auf Daten eines panamaischen Offshore-Dienstleisters beruhen, die der SZ zugespielt wurden. Roldugin soll nicht nur mit Putin befreundet und der Patenonkel seiner Tochter sein, sondern eben auch der Strohmann, der Teile des gewaltigen Präsidentenvermögens verwaltet.
Die Geschichte, die die Zürcher Staatsanwaltschaft jetzt vor Gericht bringt, betrifft zwei Konten, die 2014 bei der Schweizer Gazprombank eröffnet wurden. Der wirtschaftlich Berechtigte in beiden Fällen: Sergej Roldugin. Schon damals, so schreibt die Zürcher Staatsanwaltschaft, gab es Hinweise auf Roldugins Nähe zu Putin, denen die Banker der Schweizer Gazprombank unbedingt hätten nachgehen müssen. Im Lauf der Geschäftsbeziehung, die bis 2016 andauerte, gab es laut Anklage mehrere zusätzliche Hinweise, dass Roldugin möglicherweise nicht der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigte der Konten sei - doch die Beschuldigten genehmigten die Fortführung der Konten weiter, über die im Lauf der zwei Jahre Millionenbeträge flossen. Für diese mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften fordert die Staatsanwaltschaft nun für alle Beschuldigten eine bedingte Freiheitsstrafe von je sieben Monaten.
Die Sache, über die zuerst der Spiegel und die Schweizer Tamedia-Zeitungen berichteten, klingt kompliziert und kleinteilig. Doch der Fall, der am 8. März vor das Zürcher Bezirksgericht kommen wird, rührt mutmaßlich an die Methoden, mit denen Putin seine politische und finanzielle Macht sichert. Das Verfahren in Zürich könnte einen Baustein in diesem Konstrukt ausleuchten.