Schweden:So entsteht die erste Gesellschaft ohne Bargeld

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Alles läuft über den Bildschirm. Beim Bezahlen per Handy gibt es mittlerweile ein eigenes Wort im Schwedischen: Wer so Geld überweist, der "swisht". (Foto: picture alliance/Associated Press)
  • Das öffentliche Leben in Schweden findet oft ohne Bargeld statt. Viele begrüßen den Trend.
  • Doch einige Rentner- und Verbrauchergruppen machen sich Sorgen. Und Politiker stellen sich die Frage: Auf welches Zahlungsmittel ist eigentlich Verlass?

Von Silke Bigalke, Stockholm

Am 24. März 2023 könnte es so weit sein, das Aus für die Schwedische Krone. Der Wissenschaftler Niklas Arvidsson hat das Datum ausgerechnet: In spätestens fünf Jahren spielt Bargeld in Schweden demnach keine Rolle mehr, weil kein Händler es mehr annimmt. Viele akzeptieren schon heute nur noch EC- und Kreditkarten.

In Schweden könnte so die erste bargeldlose Gesellschaft der Welt entstehen. Das liegt zum einen daran, dass weder Geschäfte noch Banken dazu verpflichtet sind, Münzen und Scheine anzunehmen. Es liegt aber auch daran, dass die technikaffinen Schweden lieber mit Karte, mit Apps oder Online-Überweisung zahlen. Swish, Klarna, iZettle sind alles schwedische Erfindungen.

Die Entwicklung geht unerwartet schnell. Der Wert des Bargelds, das in Schweden noch im Umlauf ist, ist seit 2007 um deutlich mehr als die Hälfte gesunken. Bereits heute könnten sieben von zehn Schweden gut ohne leben, hat kürzlich eine Umfrage der Zentralbank ergeben. Vier von zehn Befragten gaben dabei an, im vergangenen Monat kein einziges Mal bar gezahlt zu haben.

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In Schweden könnte die erste bargeldlose Gesellschaft der Welt entstehen. Schon jetzt akzeptieren viele Händler nur noch eine Bezahlung per Karte, Apps oder Online-Überweisung.

Kein Bargeld in der Hälfte der Bankfilialen

Kritik kam bisher nur von Menschen, die kein Konto oder kein Internet haben. Die Senioren-Organisation PRO hat bereits 2016 Unterschriften für eine Petition gesammelt, um das Bargeld zu retten. In weniger als einem Monat kamen damals 140 000 Namen zusammen. In der Gruppe "Kontantupproret", Bargeldaufstand, versammeln sich neben Rentnerverbänden auch kleine Unternehmen und Verbrauchergruppen. Die Gruppe beklagt, dass die schwedischen Banken das Land in die Bargeldlosigkeit drängen würden, weil sie an der baren Krone nicht verdienten.

Tatsächlich geben mehr als die Hälfte der Bankfilialen im Land weder Bargeld aus noch nehmen sie welches an. Auch deswegen hängen immer mehr Geschäfte "no-cash"-Schilder an ihre Kassen - sie werden die Münzen und Scheine selbst kaum los. Busfahrer, aber auch Tickets an Automaten, Parkscheine, sogar öffentliche Toiletten kann man immer öfter nur noch mit Karte bezahlen.

Wer lieber bar bezahlt oder keine Alternative hat, stößt dabei im Alltag auf ungeahnte Probleme. Doch inzwischen gibt es in Schweden auch viel grundsätzlichere Bedenken gegen einen Trend, bei dem das gesetzliche Zahlungsmittel ausgehebelt und ganz durch private Angebote ersetzt wird. Politiker und Zentralbanken stellen die Frage: Wenn Bargeld nichts mehr gilt, auf welches Bezahlmittel kann man sich dann in Schweden noch jederzeit verlassen?

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