Süddeutsche Zeitung

Schweden:Fast gleich

Kaum ein anderes Land setzt sich so sehr für die Gleichstellung von Frauen ein wie Schweden. Am Ziel sehen sie sich dort aber noch lange nicht.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Für schwedische Politiker ist Gleichstellung längst Pflichtthema. Die Regierung in Stockholm nennt sich stolz die "erste feministische Regierung der Welt". Premierminister Stefan Löfven, ein Sozialdemokrat, hat bereits im Wahlkampf betont, er sei Feminist. Später holte er genau so viele Frauen wie Männer in sein Kabinett. Alle Ministerinnen und Minister mussten ein "Gender-Equality"-Training ablegen, um den Gleichheits-Gedanken zu verinnerlichen. Außenministerin Margot Wallström etwa verfolgt gezielt eine "feministische Außenpolitik". Ihr Ziel ist es, die Rechte von Frauen weltweit zu stärken.

Schweden sieht sich als Vorbild. Im internationalen Vergleich steht es in Gleichstellungsfragen auch ganz gut da. Zu verdanken haben die Schweden das hauptsächlich wegweisenden Reformen aus den Siebzigerjahren, die den Frauen mehr finanzielle Unabhängigkeit verschaffen sollten. Seither werden sie nicht mehr gemeinsam mit ihren Ehemännern besteuert. Den ersten Vatermonat, den Väter nicht an die Mütter abgeben durften, hat Schweden 1995 eingeführt. Heute sind es drei Monate. Dank dieser frühen Reformen ist der Anteil arbeitender Frauen in Schweden mit 78,3 Prozent der höchste innerhalb der EU, Stand 2015.

Während andere Nationen mit einer solchen Statistik wohl schon ziemlich zufrieden wären, beklagen die Schweden weiterhin Lücken: Drei Viertel der Elternzeit werden immer noch von Frauen genommen. Und im Durchschnitt verdienen Frauen in Schweden etwa 13 Prozent weniger als Männer - in Deutschland sind es 22 Prozent. Aus dieser Lücke ist eine Bewegung entstanden, die 16:00-Bewegung: Geht man von einem achtstündigen Arbeitstag aus, der um 17 Uhr endet, dann arbeiten schwedische Frauen ab 16 Uhr umsonst - im Vergleich zum Gehalt der Männer. Berücksichtigt man, dass Frauen oft andere Branchen wählen als Männer, erhalten sie für die gleiche Arbeit immer noch fünf Prozent weniger Lohn. Hinzu kommt: Etwa 29 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in börsennotierten Unternehmen und nur fünf Prozent der Geschäftsführer in Schweden sind Frauen. Die rot-grüne Regierung wollte daher eine Quote von mindestens 40 Prozent einführen. Firmen, die diese bis 2019 nicht erfüllten, hätten dann eine Strafe von bis zu fünf Millionen Kronen zahlen müssen, etwa 512 000 Euro. Das Parlament stimmte jedoch gegen den Vorschlag. Um die Lücken schneller zu schließen, richtet die Regierung derzeit in Göteborg eine Behörde für Geschlechtergleichstellung ein.

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SZ vom 08.07.2017
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