Süddeutsche Zeitung

Schwangere Influencerin:Die Wirtschaft liebt das Bibibaby

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Von Angelika Slavik

Das junge Paar schlendert also durch den Wald, Musik düdelt im Hintergrund, die Klamotten sind farblich aufeinander abgestimmt. Er pflückt ihr ein Blümchen, sie rettet eine Raupe, sie tanzen im Sonnenschein über eine Wiese. Es sieht aus wie einer dieser Werbespots für Lebensversicherungen oder Waschpulver. Aber das Video trägt den Titel "Changes" und teilt der interessierten Weltöffentlichkeit mit: Bianca Heinicke, 25 Jahre alt und Deutschlands größter Youtube-Star, ist schwanger.

Mehr als fünf Millionen Menschen haben Heinickes Youtube-Kanal "Bibis Beauty Palace" abonniert, weitere 5,8 Millionen folgen ihr auf Instagram. Influencer sind Menschen, die ihr Geld damit verdienen, möglichst viele Anhänger in sozialen Netzwerken zu haben und diesen Einfluss dann mithilfe der Werbeindustrie zu monetarisieren. Bianca Heinicke ist die Königin dieser Branche.

Steigerung der Vermarktungsmöglichkeiten um fünfzig Prozent

Und genau deshalb ist die Nachricht von ihrer Schwangerschaft nicht nur ein privates Ereignis. Es ist auch die Erweiterung eines Geschäftsmodells: Bibi bekommt ein Bibibaby, da können Wirtschaft und Werbung kaum mehr an sich halten vor Begeisterung.

Benjamin Minack zum Beispiel ist der Präsident des Werbeverbands GWA. "Diese Schwangerschaft bedeutet eine Steigerung der Vermarktungsmöglichkeiten von mindestens fünfzig Prozent", sagt Minack. Wenn sie es schlau anstelle, könne Heinicke ihre Social-Media-Kanäle um neue Themen rund um Schwangerschaft und Baby erweitern. "Neue Themen bringen neue Follower, neue Partner, neue Produkte", sagt Minack.

Welche Werbewirkung Heinicke hat, konnte man bei zahlreichen Kooperationen mit großen Firmen sehen. Mit der Drogeriekette dm etwa brachte sie vor zwei Jahren einen Duschschaum auf den Markt (aktuelle Duftvarianten: Donut oder Mandarine-Vanille) - die Läden wurden gestürmt, die Produkte waren vielerorts schon mittags ausverkauft.

Die Inszenierung einer Schwangerschaft berge allerdings auch ein wirtschaftliches Risiko, sagt Minack: "Es gibt die Erwartung der Öffentlichkeit, dass man es nicht übertreibt." Massive öffentliche Kritik an zu starker Vermarktung einer Schwangerschaft oder eines Babys könnte dazu führen, dass Unternehmen sich aus Kooperationen zurückzögen.

Zudem dürfe man die eigenen Anhänger nicht verärgern. "Kanäle wie Bibis Beauty Palace leben von der Inszenierung von Intimität", sagt Minack. Anhängern werde das Gefühl gegeben, sie würden am Alltag der Influencer teilnehmen. Je größer die vermeintliche Nähe, desto schneller wächst die Zahl der Follower. Die Inszenierung, sagt Minack, dürfe aber niemals als Inszenierung erkennbar sein. "Sonst werden die Anhänger sauer und wenden sich ab."

Natürlich könnte man nun die Frage stellen, ob Familienplanung nicht eine private Sache ist, selbst für Menschen, deren Geschäftsmodell die Selbstinszenierung ist. Heinicke lässt Anfragen unbeantwortet, produziert aber gleich mal ein Video über Umstandsmode, berichtet vom Schwangerschaftstest und verrät: es wird ein Junge. 2,2 Millionen Klicks!

Das Geschäftsmodell Bibi basiert nun auch auf Fremdoptimierung

"Bei den meisten erfolgreichen Influencern gibt es kaum einen Unterschied zwischen der öffentlichen und der privaten Person", sagt Klaus-Dieter Koch, Chef der Strategieberatung Brandtrust in Nürnberg. Anders als Prominente aus anderen Branchen hätten sie kaum das Bedürfnis, ihr Privatleben zu schützen. Koch sagt, die Millennials seien die ersten, deren Kindheit aufgrund der technischen Möglichkeiten praktisch lückenlos dokumentiert sei.

Während also in früheren Generationen nur zu besonderen Anlässen mal ein Foto geschossen wurde, zu Weihnachten oder zum Geburtstag, seien die Millennials an die ständige theaterhafte Inszenierung des eigenen Lebens gewöhnt. "Deshalb gibt es die Bereitschaft, auch privateste Momente öffentlich zu machen und zu vermarkten, wo andere ein Bedürfnis nach Rückzug hätten", sagt Koch, der Unternehmen auch im Umgang mit Influencern berät.

Er ist überzeugt, dass es nach dem Vorbild des Duschschaums nun neue Produktlinien geben werde, die vom Publikum ebenfalls angenommen würden. Das Geschäftsmodell Bibi basiere nun nicht mehr nur auf Selbstoptimierung, nun gehe es auch um Fremdoptimierung - also darum, dem Kind das Beste wovon auch immer zukommen zu lassen. Koch sagt: "Man stelle sich vor, sie würde sich jetzt auch noch eine Katze anschaffen. Dann würde sich das Vermarktungspotenzial auf einen Schlag verdreifachen."

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Quelle:
SZ vom 28.05.2018
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