Schwan-Stabilo:Die farbenfrohe Mitte

Schwan-Stabilo: Lippenstifte von Schwan-Stabilo: Das Geschäft läuft, auch wenn viele Menschen Masken tragen.

Lippenstifte von Schwan-Stabilo: Das Geschäft läuft, auch wenn viele Menschen Masken tragen.

(Foto: Hersteller)

Mit Schreibgeräten, Kosmetikstiften und Outdoor-Ausrüstung erwirtschaftete der fränkische Familienkonzern 20 Prozent mehr Umsatz. Wie passt das zur allgemeinen Krisenstimmung?

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Weder Schreibgeräte noch Kosmetikstifte gehörten zu den Konsumartikeln, die während der vergangenen zwei pandemischen Jahre gefragt waren. Im Gegenteil: Wenn Schulen und Büros geschlossen sind, wird auch weniger gemalt, gezeichnet und mit der Hand geschrieben. Und wer schminkt sich die Lippen, wenn er eine Maske über Mund und Nase stülpen muss? Bewegung im Freien war stattdessen angesagt und damit auch die entsprechende Ausrüstung von passender Kleidung bis zu Rucksäcken. Aber das allein erklärt nicht den außergewöhnlichen Aufschwung, den die Firmengruppe Schwan-Stabilo während der Corona-Krise hinlegte.

Der fränkische Konzern mit seinen gut 5100 Beschäftigten, hinter dem ausschließlich die weitverzweigte Industriellenfamilie Schwanhäußer steht, vereint drei Geschäftsfelder in sich, von denen allenfalls zwei (was Entwicklung und Produktion angeht) entfernte Verwandte sind: Schreibgeräte und Kosmetikstifte nämlich. Die dritte Sparte fällt da aus dem Rahmen. Mit dem Rucksackhersteller Deuter und Bekleidungsmarken wie Ortovox und Maier Sports ist Schwan-Stabilo auch im Outdoor-Geschäft aktiv. Eine Diversifizierung, die sich in der Krise als Erfolgselement erwies.

Die Firmengruppe beendete ihr Ende Juni abgelaufenes Geschäftsjahr 2021/22 mit einem Umsatzsprung von 20 Prozent auf 745,3 Millionen Euro. Am kräftigsten legte die Kosmetiksparte zu (plus 37 Prozent), die für nahezu alle großen internationalen Markenhersteller Lippenstifte, Eyeliner und andere farbige Kosmetik produziert. Die Schreibgerätesparte Stabilo, seit Jahrzehnten vor allem bekannt durch den gleichnamigen Textmarker, wuchs um moderate 3,1 Prozent auf 215,8 Millionen Euro. Die Geschäfte der Outdoor-Marken von Schwanhäußer legten um 20 Prozent zu; erstmals lag der Umsatz über 200 Millionen Euro, exakt waren es 216,9 Millionen. "Das abgelaufene Geschäftsjahr hat gezeigt, dass Schwan-Stabilo auch in Krisenzeiten erfolgreich sein kann", kommentierte Konzernchef Sebastian Schwanhäußer und schrieb das "starke Ergebnis" auch der Stärke zu, die aus seiner Sicht selbst in widrigen Zeiten Familienunternehmen innewohne. Das dürfte man beim Stifte-Rivalen Faber-Castell ähnlich sehen; der nur wenige Kilometer von Schwan-Stabilo entfernt im fränkischen Stein angesiedelte Hersteller ist bekanntlich ebenfalls im Familienbesitz. Auch Faber-Castell kam gut durch die Pandemie und meldete kürzlich neben vollen Auftragsbüchern ein deutliches Umsatzwachstum von 15 Prozent auf 525 Millionen Euro.

Den Erfolg von Schwan-Stabilo schreibt Sebastian Schwanhäußer vor allem dem eigenen, "starken Markenportfolio" zu. Daneben spielt der Umstand eine Rolle, dass das Unternehmen seine Kosmetiksparte, den größten Umsatzbringer, grundlegend verändert hat. Erzwungenermaßen, denn die Geschäfte waren in den vergangenen Jahren immer schlechter gelaufen. Zu lange hatte sich der Teilkonzern Schwan Cosmetics auf seinem alten Geschäftsmodell ausgeruht, das - grob zugespitzt - so funktionierte: Als Zulieferer wartete man in der Firmenzentrale in Heroldsberg nördlich von Nürnberg ab, was die großen Kunden, die globalen Kosmetikmarken nämlich, an Trends ausriefen und umgesetzt haben wollten. Eigene Innovationen waren nach heutiger Lesart des Managements zu selten und obendrein eher technisch getrieben als modischen Trends geschuldet.

Inzwischen denkt und handelt das Entwicklerteam um Vorstandschef Tomás Espinosa eher so, als wäre Schwan ein eigenes Label. Trendscouts sind global unterwegs, um frühzeitig herauszufinden, welche Farben und Anwendungsformen, aber auch Vertriebslinien im Kommen sind. Die Zeit der Avon-Beraterin (ein großer Schwan-Kunde), die ins Haus kam und bei der die vor allem weibliche Kundschaft Lippenstifte und Wimperntusche orderte, die dann Tage oder gar Wochen später geliefert wurden, sind vorbei. Ausgesucht und bestellt wird heute, geliefert morgen. "Die Veränderung von einer internen Perspektive hin zu einer innovations- und kundenorientierten Sichtweise zahlt sich aus", sagt Tomás Espinosa. "Die Neuausrichtung half schneller als erwartet, zu alter Stärke zurückzufinden." Inzwischen sei Schwan wieder näher an der Kundschaft und mache "Kosmetik als Ganzes stärker emotional erlebbar".

Farbe können sie tatsächlich in Heroldsberg, in jedweder Form und Verwendungsart. Das gilt auch im Schreibgerätebereich, wo Schwan, anders als Faber-Castell, nicht in erster Linie auf Bleistifte und teure Füllfederhalter setzt, sondern auf die farbige Mitte. Auf bunte Filz- und Leuchtstifte für Schule und Büros, die vor allem auf junge Konsumenten ausgerichtet sind. Im Marketing setzt Schwan-Stabilo auf Influencer und technische Spielereien, wie beispielsweise mit einer Apple-App vernetzte Buntstifte.

Weil aber vor allem Nachhaltigkeit die junge Generation beschäftigt wie kaum ein anderes Thema, versucht Schwan-Stabilo, auch diesen Megatrend abzubilden. Indem das Unternehmen Transportwege verkürzt, den Energieverbrauch drastisch senkt und bei Rohstoffen für Kosmetikprodukte mehr auf die Vermeidung möglicher Schadstoffe oder von Mikroplastik achtet. Schwan-Stabilo selbst will bis 2025 klimaneutral sein. Dem Nachhaltigkeitsthema war zuletzt auch der Kauf eines Unternehmens aus dem Outdoor-Bereich geschuldet. Die bisherige Markenpalette mit Deuter, Maier Sports, Ortovox und Gonso wurde mit einer Beteiligung an Doghammer ergänzt, einem Start-up aus dem oberbayerischen Rosenheim, das Schuhe mit einem minimalen ökologischen Fußabdruck herstellt. Gefertigt weitgehend aus Kork und in Handarbeit, aus veganen Materialien.

Man habe die Zeit der Pandemie gut genutzt, sagt Konzernchef Sebastian Schwanhäußer. Auch für das im Juli gestartete laufende Geschäftsjahr ist er optimistisch, wenngleich er mit bestenfalls zehn Prozent mehr Umsatz rechnet. Die Geschäfte laufen gut, die Auftragsbücher sind voll. Politische und wirtschaftliche Unsicherheiten hin oder her - "wir sehen die Entwicklung gelassen", sagt Schwanhäußer. "Agieren statt reagieren" will er, "beweglich bleiben", denn eines sei klar: "Es wird keine neue Normalität nach der Krise geben."

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