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Schwächelnde Konjunktur:Krisensturm erreicht deutsche Wirtschaftsinsel

"Made in Germany" war weltweit ein Renner, die hiesige Wirtschaft blieb von der Finanzkrise bislang nahezu verschont. Damit ist jetzt Schluss: Deutsche Großunternehmen wie Siemens, BASF und Daimler klagen über schleppende Geschäfte und dramatische Unsicherheit. Die Aussichten sind düster. Doch es gibt auch positive Signale.

Caspar Busse

Vorsichtige Kunden, konjunktureller Gegenwind, schleppende Nachfrage, dramatische Unsicherheit, steiniger Weg - es klingt wirklich nicht gut, was die großen deutschen Unternehmen derzeit von ihren Geschäften berichten. Egal, ob der Chemiekonzern BASF, das Hightech-Unternehmen Siemens, der Autobauer Daimler oder die Nutzfahrzeugfirma MAN - alle verkünden zur Jahresmitte ziemlich schlechte Nachrichten und haben schwer zu kämpfen.

Die Aussichten sind so düster wie schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr, optimistische Prognosen werden kassiert. Siemens etwa wird den versprochenen Gewinn von mindestens 5,2 Milliarden Euro nicht mehr erreichen können. Die Münchner stehen nicht allein.

Harte Zeiten

Es wird eine harte Landung für die deutschen Unternehmen, unabhängig davon, in welcher Branche sie sind. Der weltweite Konjunkturabschwung schlägt jetzt mit voller Wucht durch - zwar mit Verzögerung, dafür aber, so zumindest die Befürchtung vieler, umso härter. Die schwelende Euro- und Finanzkrise belastet. Sie wird seit Monaten immer größer und ist weiter denn je von einer Lösung entfernt. Das ist bitter. Denn bislang zeigten sich gerade die deutschen Unternehmen - der weltweit aktive Mittelständler genauso wie der Großkonzern - vergleichsweise unbeeindruckt von der Krise.

Fast hatte es den Anschein, deutsche Manager lebten auf einer Insel, seien sozusagen unantastbar. Denn während viele Unternehmen im Ausland bereits große Probleme hatten, stiegen bei deutschen Firmen unverdrossen Umsatz, Gewinn und Auftragseingang. Neue Mitarbeiter kamen in Lohn und Brot, international wurde investiert. Wenn es Probleme gab, dann eher auf einem recht angenehmen Niveau: Es fehlten die geeigneten Facharbeiter - oder Aufträge konnten nicht schnell genug abgearbeitet werden.

Die deutsche Wirtschaft schwamm, wie das Fett auf der Suppe, auf einer Art Sonderkonjunktur, die alle individuellen Fehler überdeckte. Die Nachfrage aus den aufstrebenden Schwellenländern, besonders aus China, aber auch aus Lateinamerika, war groß. Deutsche Waren und deutsches Know-how waren überall gefragt. Davon profitierte zum Beispiel der heimische Maschinenbau, die Chemieindustrie oder die Autohersteller.

Teure Luxusfahrzeuge von BMW, Audi oder Mercedes sind ungeachtet der internationalen Wirtschaftsprobleme weltweit der Renner, der Absatz in China ist zum Beispiel enorm. Das ist der Grund, warum deutsche Autohersteller - die aktuellen Zahlen von VW beweisen es einmal mehr - so viel besser dastehen als Konkurrenten wie Fiat, Peugeot Citroën oder Opel, die vor allem in (Süd-) Europa verkaufen. Bei ihnen macht sich die Krise deshalb bereits voll bemerkbar.

Die Krise ist angekommen

Doch jetzt gerät auch diese Sonderkonjunktur in Gefahr. In China ist das Wachstum gedämpft, wenn auch auf sehr hohem Niveau. Die Angst vor einem Zerbrechen der Euro-Zone, vor einem heißen Sommer, wird immer größer. Auch die USA oder ganz besonders Volkswirtschaften wie Großbritannien schlittern in die Krise. Keine guten Vorzeichen.

Doch es gibt eine Reihe von positiven Signalen. Der schwache Euro zum Beispiel wirkt wie eine Exportsubvention für die deutschen Produzenten. Ihre Waren werden dadurch im außereuropäischen Ausland tendenziell billiger und wettbewerbsfähiger. Ohnehin stagnierten die Löhne in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren - ganz im Gegensatz zu den südeuropäischen Ländern, in denen es enorme Gehaltszuwächse gab. Das war bitter für die deutschen Arbeitnehmer, die nicht vom Aufschwung profitierten und deren Kaufkraft sich nicht erhöhte. Es ist aber auch einer der Gründe dafür, dass die deutschen Unternehmen heute international stärker denn je dastehen.

Dazu kommt: Viele Konzerne, die im vergangenen Abschwung vor vier Jahren eiskalt erwischt wurden, haben gelernt. Sie haben versucht, sich vorzubereiten. Die Kassen sind voll, viele Unternehmen haben das Geld zuletzt zusammengehalten und nutzten die niedrigen Zinsen für Umschuldungen. Sie sitzen auf Milliarden. Die Eigenkapitalquoten im Mittelstand sind so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. All das können Voraussetzungen sein, einigermaßen unbeschädigt durch den Abschwung zu kommen.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2012/ske/mikö
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