Süddeutsche Zeitung

Schwäche der Parlamente:Das Bier der Länder

Der Landtag ist nicht das Herz, sondern die Milz der Demokratie: notwendig, aber überflüssig. Nicht einmal über die Biersteuer können die Länder selbst bestimmen. Dabei braucht Deutschland Landtage, die etwas zu sagen haben.

Kommentar von Heribert Prantl

In diesen Wochen, in denen wieder Landtage gewählt werden, darf man das, was nun folgt, eigentlich nicht schreiben; aber es ist nun einmal so: Die Landesparlamente sind nur ein Schatten dessen, was sie sein könnten und sein müssten. Der jeweilige Landtag müsste das Herz der Demokratie sein in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Er ist es dort aber genauso wenig wie in den anderen 13 Bundesländern. Der Landtag ist überall nicht das Herz, sondern die Milz der Landes-Demokratie. Und über die Milz hat der Satiriker Karl Kraus einmal geschrieben: Sie sei "notwendig, aber überflüssig".

Warum ist das so? Die gesetzgeberische Tätigkeit der Landtage ist entkernt worden. Und die Haushaltsgesetzgebung, das Königsrecht eines Parlaments, verdient seinen Namen nicht mehr. Steuergesetzgebungshoheit hat ein Landtag nur noch in Spurenelementen. Zuletzt ist den Ländern per Schuldenbremse auch noch die Kreditaufnahme verboten worden.

Was bleibt da von der Haushaltshoheit der Länder eigentlich noch übrig? Im Grundgesetz steht, dass "Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und unabhängig sind". Aber der Satz gilt nicht mehr. Die Länder haben so gut wie keine finanziellen Spielräume mehr, eigene Politik autonom zu gestalten. Den Ländern hätte, als die Schuldenbremse eingeführt wurde, zum Ausgleich Steuergesetzgebungskompetenz dort und da gegeben werden müssen.

Geld ist der Nerv der Dinge

Es ist deshalb nicht unsinnig, wenn der bayerische Finanzminister im Zuge der notwendigen Neuordnung des Finanzausgleichs vorschlägt, dass die Länder bei der Einkommensteuer ihre eigenen "Akzente" setzen können sollen; das liefe wohl auf eine Art Zuschlag zur Einkommensteuer hinaus, über den die Landtage zu entscheiden hätten. Zumindest aber müsste der Landesgesetzgeber wenigstens die Steuern regeln können, deren Erträge nach dem Grundgesetz dem Land zustehen - Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Abgabe von Spielbanken und Biersteuer.

Man muss sich das vorstellen: Nicht einmal die Höhe der Biersteuer kann ein Land wie Bayern selbst bestimmen; das macht der Bund. Das Land darf dann nur die Steuern kassieren und verwalten, deren Höhe der Bund vorgegeben hat. Das ist lächerlich. Die einzige Steuer, deren Höhe Landtage festsetzen dürfen, ist seit der Föderalismusreform die Grunderwerbsteuer.

Pecunia nervus rerum, das Geld ist der Nerv der Dinge: Den Landtagen ist der Nerv gezogen. Bei einem Steuerfindungs- und Steuersetzungsrecht der Länder, so behaupten Kritiker, würde ein ruinöser Steuerwettbewerb der Länder gegeneinander drohen. Aber: Bei der Gewerbesteuer, die von den Kommunen festgesetzt wird, gibt es den Wettbewerb seit Jahrzehnten, ohne dass düstere Phantasien wahr werden.

Der Föderalismus hinkt. Im Bundesrat sind nicht die Landtage vertreten, sondern die Landesregierungen. Je weniger die Länder selbständig machen können, weil der Bund es macht, desto stärker wird der Einfluss dieses Bundesrats, also der Ministerpräsidenten. Die Landesparlamente stehen im Schatten der Landesregierungen. Das ist nicht der Föderalismus, den man sich vorstellt. Solange Landtage gewählt werden, wünscht man sich, dass die Länder mehr sind als autonome Verwaltungsprovinzen, die sich einen oft leerlaufenden Parlamentsbetrieb leisten, deren Regierungschefs aber im Bund mitmischen.

In keinem Bundesstaat der Welt, so hat der Staatsrechtler Hans-Peter Schneider herausgefunden, ist die Autonomie der Teilstaaten und ihrer Parlamente bei Steuern und Finanzen so gering wie in Deutschland. Das ist nicht gut. Deutschland braucht starke Landtage. Landtage bedeuten nämlich, wenn sie etwas zu entscheiden haben, mehr Demokratie, mehr Bürgernähe und mehr politische Stabilität.

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SZ vom 05.09.2014/fued
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