Schutz sensibler Branchen:Hohe Hürden für internationale Übernahmen

Deutsche Spitzenpolitiker setzen sich verstärkt für den Schutz heimischer Firmen vor Übernahmen aus dem Ausland ein. Wie gehen eigentlich unsere Nachbarn mit Investoren um?

Gerd Zitzelsberger, Andreas Oldag, Siggi Weidemann und Michael Kläsgen

Schweiz:

Wenn es nicht um die Freizügigkeit für Menschen, sondern um die des Kapitals geht, ist die Schweiz absolut offen für jedermann - jedenfalls in den Sonntagsreden. So lässt das Wirtschaftsministerium in Bern wissen, die Eidgenossenschaft habe "ein wichtiges Interesse daran, dass die internationalen Investitionsflüsse nicht durch protektionistische Hürden behindert werden".

Gerold Bührer, der Präsident des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse sekundiert, "etwas anderes als eine liberale Haltung können wir uns gar nicht leisten. Schließlich investieren wir Schweizer pro Kopf gerechnet mehr im Ausland als fast alle anderen Nationen der Welt." Tatsächlich haben Nestlé, Novartis und andere jenseits der Grenze weit umfangreichere Aktivitäten als in der kleinen Schweiz, und beinahe jeden Tag kauft einer der helvetischen Riesen irgendwo auf dem Globus eine Firma dazu.

Es kommt auch durchaus vor, dass umgekehrt Ausländer eine Schweizer Firma gegen deren Willen übernehmen. So hat der Münchner Milliardär August von Finck jr. (der seinen steuerlichen Wohnsitz freilich selbst in der Eidgenossenschaft hat) jüngst die traditionsreiche Industrie-Perle Von Roll unter seine Kontrolle gebracht.

Staatsaufsicht redet mit

Dass aber beispielsweise die UBS, der größte Vermögensverwalter der Welt, oder die Swiss Re, globaler Branchenführer bei den Rückversicherern, bald in chinesische oder arabische Hände fallen, ist nicht zu erwarten. Denn Banken können nur mit Genehmigung der Eidgenössischen Bankenkommission, einer Bundesbehörde, übernommen werden.

Bei den Versicherungen hat die entsprechende Staatsaufsicht ebenfalls ein Wort mitzureden. Ähnliches gilt für Unternehmen, die auf Basis einer staatlichen Konzession arbeiten, also etwa für den Telefonkonzern Swisscom oder die Stromversorger.

In der Praxis ist selbst eine Übernahme von anderen Schweizer Firmen gegen den Widerstand des Managements nicht so einfach. So musste der russische Oligarch Viktor Wekselberg jetzt beträchtliche Zugeständnisse machen, bis der Maschinenbaukonzern Sulzer ihn in das Aktionärsregister eintrug. Erst damit kann Wekselberg, der mittlerweile 33 Prozent des Sulzer-Kapitals hält, seine Stimmrechte ausüben. Neue Transparenzvorschriften, die zum Jahreswechsel in Kraft treten, sollen überdies dafür sorgen, dass Großinvestoren sich nicht mehr heimlich durch die Hintertüre bei Schweizer Konzernen einschleichen können. Derzeit ist dies per Aktienoptionen oder etwa mit geliehenen Aktien verlockend einfach.

Lesen Sie weiter, wie es in Großbritannien aussieht.

Großbritannien:

Die Briten nehmen es sportlich, denn von staatlichen Schutzzäunen für ihre nationale Industrie hält die pragmatische Bevölkerung nicht viel.

Kein Zufall, dass die Bestrebungen der Bundesregierung, aggressive Investoren aus Russland und China abzuwehren, in London nur Kopfschütteln auslösen. Die britische Industrie sei weltoffen und heiße ausländische Eigner willkommen, sagte ein Sprecher des Industrieministeriums. Selbst kürzlich, als das Chemieunternehmen ICI vom niederländischen Akzo-Konzern geschluckt wurde, blieb der Aufschrei aus.

Eine Ausnahme

"Wir fahren mit unserem liberalen Ansatz gut", sagt ein Banker aus dem Londoner Finanzviertel. Er sieht Parallelen zum Sport: Großbritannien richtet zwar das prestigeträchtigste Tennisturnier von Wimbledon aus. Einen britischen Wimbledon-Champion hat es seit langem aber nicht mehr gegeben.

Eine Ausnahme gibt es in Großbritannien allerdings doch: Das Verteidigungsministerium achtet darauf, dass strategisch wichtige Betriebe der Rüstungsindustrie nicht in fremde Hände geraten. So ist der Anteil ausländischer Investoren beim Rüstungskonzern BAE Systems zum Beispiel auf maximal 15 Prozent begrenzt.

Lesen Sie weiter, welche Konsequenzen die Niederländer aus dem ABN-Amro-Verkauf gezogen haben.

Niederlande:

Durch den Verkauf von ABN Amro sei die Regierung endlich wach geworden, glaubt der Vorsitzende der Arbeitgeberorganisation VON, Bernhard Wientjes. Maßnahmen gegen einen weiteren Verkauf von typischen niederländischen Firmen, von denen es mit Philips, Heineken, Randstad, Tom Tom, Smit International oder Princess noch einige gibt - sind geplant.

Wenn die Niederlande konkurrenzfähig bleiben wollen, muss es zu einem Trendbruch im Ausverkauf niederländischer Unternehmen und der Verlegung von Firmensitzen kommen, stellt Cees van Dam fest. Die Folgen, so der Hochschullehrer für finanzielle Wirtschaftskunde, wären ein Ausbluten der Wissenschaftszentren und der Verlust von Arbeitsplätzen.

Die Regierung würde heute eine ähnliche Übernahme wie die von ABN Amro, der ältesten und größten niederländischen Bank, zu verhindern versuchen, glaubt Wientjes. Zwar habe die Regierung "formal korrekt" gehandelt, als sie während der Verkaufsverhandlungen nicht eingegriffen habe. Dennoch hätte etwas passieren müssen. Auch Ex-Finanzminister Onno Ruding sagt, er hätte mehr "informellen Einfluss erwartet, damit es nicht zu dieser unerwünschten Situation gekommen wäre".

Bedingungen formuliert

Dem sozialdemokratischen Finanzminister Wouter Bos blieb nichts anderes übrig, als dem Verkauf und der Aufteilung der "holländischen Ikone" zustimmen. Aber er und sein Berater, De-Nederlandsche-Bank-Direktor (DNB) Nout Wellink, haben Bedingungen an die Aufteilung der holländischen Großbank durch die spanische Bank Santander, die Royal Bank of Scotland und das belgisch-niederländische Finanzunternehmen Fortis gestellt, damit der Verkauf "der finanziellen Stabilität des Landes" nicht schade.

Um Risiken bei der Übernahme und Aufteilung zu vermeiden, wurden "spezielle Vorschriften und Beschränkungen" erlassen. So muss das Konsortium unter anderem während der Übernahme jeden Monat einen Bericht abliefern; jede Veränderung während der Übernahme muss der DNB gemeldet werden. Konflikte müssen "effektiv gelöst" und die Besetzung von Schlüsselpositionen muss "auf allen Ebenen" garantiert werden.

Wieder verschwindet ein niederländischer Name, doch solch ein Ausverkauf einer Bank ist bisher weltweit einmalig. Der Warenhauskonzern Hema befindet sich in amerikanischen Händen, das Stahlwerk Hoogovens besitzt einen indischen Besitzer, das Transportunternehmen P&O Nedlloyd ist dänisch, der einst nationale Stolz, KLM, ist in Air France aufgegangen, das Telefonunternehmen Orange Nederland wurde gerade von der Deutschen Telekom übernommen.

Lesen Sie weiter, wie sich Frankreich seit kurzem schützt.

Frankreich

Paris lässt seit dem vergangenen Jahr elf Industriezweige per Gesetz vor feindlichen Übernahmen aus dem Ausland schützen, dazu zählen Waffen- und Munitionshersteller, Impfstoffproduzenten, Anbieter von Abhör- und Verschlüsselungstechnologien, aber auch private Sicherheitsdienste und Kasinos - letztere wegen des Verdachts auf Geldwäsche.

Investoren aus dem Ausland, die mehr als ein Drittel des Kapitals oder der Stimmrechte erwerben wollen, benötigen seitdem eine Genehmigung des Finanzministeriums.

Außerdem erließ die Regierung das Renault-Gesetz. Danach dürfen Ausländer börsennotierte Firmen nur dann übernehmen, wenn sie auch alle Tochtergesellschaften kaufen, an denen der Mutterkonzern mehr als 33 Prozent hält.

In teilprivatisierten Staatsunternehmen sicherte sich Paris mittels "goldener Aktien" außerdem das Recht, einen Verkauf per Veto zu verhindern.

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