Süddeutsche Zeitung

Schuldenproblem:Wie die Krise griechische Konzerne ins Ausland treibt

Politiker streiten noch über die Rettung des Krisenlandes, griechische Firmen handeln jetzt: Zwei der bedeutendsten Konzerne verlassen ihre Heimat. Nicht weil es ihnen wirtschaftlich schlecht geht, sondern weil sie fürchten, mit dem Land in den Abgrund gerissen zu werden. Für die Wirtschaft des Landes ist das ein verheerendes Signal.

Oliver Hollenstein

Frisches Essen, feiner Geschmack, Lebenslust, das sei seit Tausenden Jahren der Mittelpunkt des griechischen Lebensstils. Ein Erbe, auf das die Firma stolz sei, schreibt die griechische Molkereikette Fage auf ihrer Internetseite.

Fage gehört zu den wenigen griechischen Firmen, die international erfolgreich sind. Der "Total"-Joghurt verkauft sich in Deutschland, ist in den USA beliebt. Mehr als zwei Drittel ihrer Umsätze macht die 1927 gegründete Athener Molkerei inzwischen im Ausland. Die Firma sieht aus wie ein Hoffnungsschimmer für die angeschlagene, griechische Wirtschaft.

Doch während die Politik über neue Rettungspakete diskutiert, kündigte Fage am Dienstag an, den Firmensitz nach Luxemburg zu verlagern. Kurz darauf folgt jetzt mit Coca-Cola Hellenic (CCH) ein weiterer Großkonzern. CCH füllt die Limonaden von Coca-Cola in Griechenland ab und vertreibt sie in 27 Ländern. Nun legt das dem Börsenwert nach wertvollste Unternehmen des Landes seinen Hauptsitz in die Schweiz nach Zug.

Der neue Konzernsitz reflektiere die "internationale Ausrichtung" besser, begründen beide Konzerne ihren Schritt fast wortgleich. Fage betont sein griechisches Erbe, wolle sich aber global besser aufstellen. Coca-Cola Hellenic erklärte, der neue Konzernsitz biete bessere Zugänge zu den internationalen Märkten. Die Werke beider Unternehmen sollen aber in Griechenland bleiben, verkündeten die Konzerne.

Warum gehen die Unternehmen dann? Einiges spricht dafür, dass die Konzerne Griechenland aus Angst vor der Ansteckung mit dem Pleitevirus verlassen. Die Geschäftszahlen beider Unternehmen sehen derzeit gut aus, dennoch hatten die Ratingagenturen sie in den vergangenen Monaten zurückgestuft. Den Staat Griechenland bewerten sie schon lange als Ramsch - und eine Firma wird in der Regel nicht besser bewertet als das Heimatland.

Das schlechte Rating hat direkte Folgen für die Firmen. "Wenn wir jetzt Geld am Markt bräuchten, müssten wir Kosten tragen, die nicht unseren Geschäftszahlen entsprechen", zitierte das Wall Street Journal (WSJ) den Finanzvorstand von CCH, Michalis Imellos. Wenn der Umzug beendet sei, werde die Finanzierung des Unternehmens leichter. Neben der Verlagerung des Hauptquartiers in die Schweiz, will CCH seine Aktien künftig auch nicht mehr in Athen, sondern in London handeln lassen.

Auch der Haupteigner von CCH, der Scout International Fund, äußerte sich in dem Bericht ähnlich: Der Umzug werde der Wahrnehmung des Unternehmens helfen. Bisher seien Investoren dadurch abgeschreckt worden, dass das Unternehmen griechisch sei.

Griechische Medien berichteten, die Firmen hätten sich auch beschwert, die Besteuerung von derzeit 20 Prozent sei zu hoch und damit ein Grund für den Wegzug. Um die Forderungen der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond zu erfüllen, hatte der griechische Staat die Steuern zuletzt deutlich angehoben. Schätzungen der griechischen Presse zufolge verliert der Staat rund 60 Millionen Euro an Steuereinnahmen im Jahr allein durch den Wegzug von CCH.

Analysten werten die Verlagerung von CCH als verheerendes Signal für Griechenland. "Das ist eine sehr schlechte Nachricht für die griechische Wirtschaft und die Börse", sagte ein Analyst der Nachrichtenagentur Reuters. "Sie entgriechen das Unternehmen", sagte ein anderer dem WSJ. Der Businessweek erklärte ein Händler, es werde dem Unternehmen helfen, mögliche Probleme eines griechischen Euro-Austritts zu umgehen.

Griechische Wirtschaftsvertreter reagierten besorgt auf die Firmenverlagerung. "Es zeigt, wie ernst die Situation ist", sagte Constantine Michalos, Chef der Handelskammer in Athen, dem WSJ. Erst diese Woche war die Arbeitslosigkeit in Griechenland auf 25,1 Prozent geklettert. Der griechische Wirtschaftsminister Kostis Hatzidakis sagte, er könne den Firmen nicht diktieren, was sie machen sollten: "Ich kann nicht den Wirtschaftspolizisten spielen." Das Land könne nur den Weg der Reformen weitergehen.

Der Chef der Amerikanisch-Griechischen Handelskammer, Yanos Gramatidis, zeigte sich bei CNN allerdings zuversichtlich, dass die Unternehmen nach der Krise zurückkehren. Die Entscheidung sei lediglich kurzfristig gedacht.

Tatsächlich betonen CCH und Fage, dass sie sich weiterhin als griechische Unternehmen verstehen. Er sehe den Wegzug aus Griechenland nicht als großen Rückschlag für das Land, sagte CCH-Finanzvorstand Imellos laut Telegraph. "Das ist aus unserer Sicht ein Tag, an dem Griechenland stolz sein kann. Wir sind ein multinationales, griechisches Unternehmen."

Das waren CCH wie auch Fago allerdings schon vor dem Schritt ins Ausland. Für die Wirtschaft in dem krisengebeutelte Heimatland ist es dennoch ein Alarmsignal.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1494068
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/bbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.