Schuldenkrisen in Europa und den USA:Und dann ist da noch Griechenland

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[] Madrid: Wer sich nur die ökonomischen Rahmendaten anschaut, muss zu dem Schluss kommen: Spanien ist im Kern eine gesunde Volkswirtschaft. Die Schuldenquote, also das Verhältnis der Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt, zum Beispiel liegt bei 70 Prozent - deutlich unter dem EU-Schnitt und auch unter dem deutschen Wert (83,2 Prozent). Aber dennoch gerät das Land an den Märkten immer stärker unter Druck. Die Zinsaufschläge für zehnjährige Staatsanleihen liegen fast auf italienischem Niveau. Am Donnerstag musste das Land bei einer Anleihe-Auktion höhere Zinsen als zuletzt zahlen. Insgesamt sammelte die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone 3,3 Milliarden Euro frisches Geld für die bis 2014 und 2015 laufenden Bonds ein. Die Nachfrage war etwas zögerlicher als erhofft. Spanien hatte angepeilt, bis zu 3,5 Milliarden Euro einzunehmen. Die Regierung Zapatero kapitulierte bereits vor den Attacken der Märkte - und kündigte vorgezogene Neuwahlen an.

[] Brüssel: Nun müsse mal Schluss sein mit diesen ständigen Treffen - diese Losung hatte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, der auch als Eurogruppen-Chef fungiert, nach dem großen Gipfel vor zwei Wochen ausgegeben. Kurze Zeit später war diese Hoffnung dahin. Zwar gab es keine Zusammenkunft aller 27 EU-Staats- und Regierungschef, um ein neues Rettungspaket zu schnüren. Aber immerhin sahen sich die Verantwortlichen schon dazu veranlasst, öffentlich auf ein Treffen Junckers mit Italiens Finanzminister Giulio Tremonti hinzuweisen - "um die Märkte zu beruhigen". Eine vergebliche Hoffnung. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy prangerte in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung den Umgang der Märkte mit "gesunden Volkswirtschaften" wie Italien oder Spanien an. Und Kommissionschef José Barroso schlug wegen der hohen italienischen und spanischen Zinsaufschläge Alarm.

Überhaupt, Juncker und Van Rompuy: Offenbar sind Europas Spitzenpolitiker schon so unsicher, dass sie sich künftig anders aufstellen wollen. Der Eurogruppen-Chef Juncker schlug vor, dass Van Rompuy künftig nicht nur als EU-Ratspräsident, sondern auch als Sprecher des Euro fungieren solle.

[] Frankfurt I: Die Europäische Zentralbank musste in der Schuldenkrise viel Kritik einstecken. Gleich zweifach verstieß sie gegen eigene Prinzipien: zum einen, indem sie griechische Staatsanleihen in einem enormen Umfang aufkaufte, und zum zweiten, indem sie eine höhere Inflationsrate bewusst zuließ. Dieses Verhalten führt zu neuen Begehrlichkeiten. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) verlangt einen Eingriff der EZB in den Bondmarkt. "Wir brauchen jemanden, der interveniert", sagte der Chefökonom für Europa, Jean-Michel Six, dem französischen Radiosender Inter Radio. "Der einzige Feuerwehrmann, der uns schnell aus dem brennenden Haus tragen kann, ist die EZB, die seit Beginn der Krise bei der Beruhigung der Märkte eine bewundernswerte Rolle gespielt hat." Der Zentralbank-Rat beließ den Leitzins wie erwartet bei 1,5 Prozent.

[] Frankfurt II: "Der Markt ist komplett durchgedreht. Gestern bin ich eine Zigarette rauchen gegangen, und als ich zurückkam, war der Dax um 70 Punkte gefallen. Ich komme gerade aus meiner Zigarettenpause zurück und der Markt ist 100 Punkte gefallen - ich sollte wohl das Rauchen aufgeben." So kommentierte am Mittwoch ein Aktienhändler die dramatischen Einbrüche des Deutschen Aktienindex (DAX), und in der Tat: Der deutsche Leitindex hat eine schlimme Woche hinter sich. Von mehr als 7300 Punkten stürzte er bis Donnerstag auf sein Jahrestief von unter 6450 Punkten.

[] Athen: Die griechische Regierung dürfte die Tage genießen. Das zweite Rettungspaket ist verabschiedet, fast 110 Milliarden Euro fließen in den nächsten Jahren zusätzlich, und derzeit stehen ausnahmsweise einmal andere Staaten im Fokus, die USA, Spanien und Italien. Doch es ist nur eine Frage von Tagen, bis Athen wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt. Denn das vollmundig angekündigte Sanierungsprogramm kommt nur schleppend in Fahrt. Die Taxifahrer demonstrieren gegen die angekündigten Liberalisierungen, auf die EU und IWF bestanden hatten. Die Schuldenquote des Landes könnte neuesten Berechnungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge im kommenden Jahr auf den Rekordwert von 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen. Und es ist noch nicht mal ansatzweise klar, wie es die im Sparpaket angedachten 50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen zusammenbekommen soll.

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