Es gibt nichts mehr zu deuteln an der bitteren Wahrheit. Zwei Jahre nach dem ersten Griechenland-Krisen-Gipfel ist klar: So kann das Euro-Land nicht gerettet werden, so rutscht es immer tiefer ins Nichts. Das Konzept der Retter, ein demokratisches Land wie ein schlecht geführtes Unternehmen zu betrachten, die Regierung faktisch zu entmündigen und dann nach rein ökonomischen Kriterien vorzugehen, zu rationalisieren, auszulagern und die verbleibenden Beschäftigten so niedrig zu entlohnen, dass sie kaum noch davon leben können - ist auf ganzer Linie gescheitert.
Das Sparprogramm hat das Land direkt in die Armut getrieben, und die Währungsgemeinschaft in eine Sackgasse. Für dieses Desaster tragen alle Verantwortung, in besonderer Weise allerdings die deutsche Regierung, die den scharfen Ton vorgab und später auch durchsetzte, dass private Banken Griechenland einen großen Teil der Schulden erlassen sollen. Das ist zwar in der Sache korrekt, im konkreten Fall aber hat es das Chaos vergrößert, weil nun seit Wochen vor allem über den Schuldenschnitt verhandelt wurde, was wiederum andere Beschlüsse blockiert und überall Missmut erzeugt hat. Weil aber immer ein Beschluss Voraussetzung für den nächsten ist, schwebt die Hellas-Rettung dazwischen stets in einem luftleeren Raum.
Gut möglich, dass die verantwortlichen Politiker längst aufgegeben hätten, wäre da nicht das viele Geld. Weil bereits 70 Milliarden Euro nach Athen geflossen sind und im März weitere 14 Milliarden Euro an alten Schulden zu bezahlen sind, stehen die griechische Übergangsregierung und ihre Helfer aus Europa und dem Internationalen Währungsfonds jetzt vor einer entscheidenden Frage: wie geht es weiter?
Rückkehr der Drachme
Und da zeichnen sich genau zwei Möglichkeiten ab. Die Helfer könnten die Zahlungen einstellen, Schluss damit machen, virtuelle Geldbeträge hin und her zu schieben. Keine neuen Milliarden-Kredite mehr geben, um alte Milliarden-Kredite zu bedienen; keine neuen Schulden, welche die Bürger abzahlen müssen, auch wenn sie davon nicht profitieren, im Gegensatz zu den Besitzern der Schuldscheine. Die Kehrseite des Zahlungsstopps: Niemand mag politische und wirtschaftliche Kollateralschäden abschätzen.
Der Euro-Klub müsste in Kauf nehmen, ein Mitglied zu verlieren. Wenn Griechenland kein Geld mehr hat und keines mehr bekommt, bleibt der Regierung in Athen wohl nur die Rückkehr zur eigenen Währung. Die Drachme würde das Leben und Produzieren in Griechenland schneller wieder billiger machen, als es alle Reformen und Sparprogramme unter der Gemeinschaftswährung vermögen.
Es zeichnet sich ab, dass die europäischen Retter sich mit diesem Szenario bereits angefreundet haben. Davon zeugt nicht zuletzt der Testballon, den das Bundesfinanzministerium gerade steigen ließ, als es einen Staatskommissar für Griechenland vorschlug. Das empörte Nein aus Athen wird in Berlin als Zeichen dafür gewertet, dass viele Griechen eher eine Pleite ihres Landes in kauf nehmen, als ihre Würde zu verlieren.
Dass die Retter dennoch zögern, hat einen anderen Grund: Es ist unklar, ob ein Bankrott Griechenlands weitere Euro-Länder in den Abgrund mitreißen würdet - und am Ende den ganzen Klub. Geht Hellas pleite, steht dann Portugal das gleiche Schicksal bevor? Und dann Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft des Euro-Klubs? Die bange Frage, die sich alle stellen, lautet: Sind die finanziellen Schutzwälle um den Euro-Klub hoch und sicher genug, um alle zu schützen.
Marshallplan für Griechenland
Und weil dies niemand wissen kann, gibt es eine zweite Antwort auf die Frage "Wie weiter"? Sie heißt: Klotzen, nicht Kleckern. Der Euro-Klub würde danach der Regierung in Athen die Schulden über einige Jahre stunden und zugleich einen Marshallplan für das Land entwerfen, in dem die dringendsten Probleme angepackt werden. Griechenland bekäme eine funktionierende Verwaltung, ein vernetztes Steuersystem und ein Katasteramt. Das braucht zwei Jahre Zeit, vielleicht ein bisschen mehr.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Der Euro-Klub bleibt zusammen, den Spekulanten bieten sich keine neuen Angriffsflächen. Noch dazu wäre solch ein Plan für Unternehmen ein Zeichen, wieder in das Land zu investieren, das einst unbeschwerte Urlaubsfreuden verhieß. Und: Ein solches Konzept würde den griechischen Bürgern nutzen, es wäre der Abschied von der gescheiterten Idee, die Krise als rein ökonomisches Problem zu betrachten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das wird teuer, vermutlich sehr teuer. Die Euro-Regierungen müssten auf einmal mutig sein und ihren Bürgern erklären, dass die Hellas-Rettung jetzt wirklich Geld kostet.
Freilich, es gibt noch eine dritte Möglichkeit, das wäre die schlechteste von allen: Weitermachen wie bisher. Angesichts der Zögerlichkeit, der Kleinteiligkeit und der Ignoranz, mit der bisher gerettet wurde, steht zu befürchten, dass sich der Euro-Klub auf Letzteres beschränkt. Es wäre fatal. Ein bloßes "Weiter so" schließt nicht aus, dass es doch noch zum Bankrott kommt, mit noch höheren Kosten für alle.