Schuldenkrise:So reagiert Europa auf den Griechenland-Schock

Früher waren sie selbst Risikoländer: Was Frankreich, Spanien, Italien und Portugal jetzt über Griechenland denken.

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Demonstration supporting the Greece's exit from the eurozone

Quelle: Socrates Baltagiannis/dpa

Zitterjahre haben wegen der Schuldenkrise auch andere EU-Länder hinter sich. Frankreich, Italien, Spanien und Portugal etwa konnten sich aus dem Gefahrenbereich von Staatsbankrott oder Kollaps des Banksystems wegarbeiten. So reagieren sie auf den Griechenland-Schock.

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Frankreich

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Quelle: SZ

François Hollande und Nicolas Sarkozy sind selten einer Meinung. Aber die griechische Euro-Tragödie brachte sogar die Erzfeinde auf eine Linie: Am Montag sagen der konservative Ex-Präsident und der sozialistische Amtsinhaber ihren Franzosen (und der Regierung in Athen) exakt dasselbe. Beide merkeln, in ihrer Weise.

Als "Zynismus und Demagogie" geißelt Sarkozy Athens Krisenkurs: "Es gibt kein Europa ohne Regeln." Dann nimmt sich der Konservative den Linken Alexis Tsipras vor: "Der griechische Premier hat sein Volk belogen", er mute den Euro-Partnern Unerträgliches zu: "Er sagt' zahlt ihr für mich'!" Derartig Klartext kann Hollande nicht reden. Nach einer Krisensitzung seines Kabinetts bedauert er, dass Griechenland - merke: nicht Europa! - die Verhandlungen über ein Rettungspaket abgebrochen habe. Hollande stockt die Stimme, als er das Referendum erwähnt. Dann spricht er aus, was auf dem Spiel steht: Die Griechen müssten "entscheiden, ob sie in der Euro-Zone bleiben wollen - oder das Risiko in Kauf nehmen rauszugehen." Hollande will die Franzosen beruhigen: Die eigene Wirtschaft sei robust, Paris agiere "nicht aus Angst." Der Sozialist weiß, dass seine Landsleute (vor allem die Linke) wollen, dass die Griechen im Euro bleiben. Also beteuert er, man können weiterverhandeln. Nur, sein Schlusswort macht wenig Hoffnung: "Solidarität ist immer möglich - wenn Verantwortung da ist."

Christian Wernicke

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Spanien

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Quelle: SZ

Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos gab sich entspannt: "Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet." Guindos, ein Vordenker des Sanierungsprogramms, mit dem die konservative Regierung unter Mariano Rajoy das Land aus der Rezession geführt hat, verwies darauf, dass unter den großen EU-Ländern Spaniens Volkswirtschaft am dynamischsten wachse. Auch der angeschlagene Bankensektor, der nach dem Platzen der Immobilienblase in Schieflage kam, gilt als stabilisiert. Zwar gaben die Kurse der spanischen Banken nach der Bekanntgabe der Referendumspläne nach, aber viel geringer als befürchtet. Eigentlich sind sich alle Parteien und die meisten Kommentatoren einig darin, dass der Verbleib Griechenlands in der EU überaus wünschenswert wäre. Brüssels und Berlins Politik gegenüber dem Kabinett Tsipras wird meist gutgeheißen. Nur nicht vom Führer der linksalternativen Gruppierung Podemos. Pablo Iglesias, warf auf einer Solidaritätskundgebung in Madrid Bundesregierung und IWF vor, "Griechenland die Luft abzuschnüren". Berlin zerstöre das "Projekt Europa". Bei der Kundgebung waren 300 Personen.

Thomas Urban

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Italien

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Quelle: SZ

Der meistgefragte Mann ist nun Pier Carlo Padoan. Der Finanzminister muss auf allen Kanälen oder ausführlich im Corriere della Sera beantworten, was die Ereignisse in Griechenland für Italien bedeuten. Die alten Ängste, die Ängste von vor drei, vier Jahren sind über Nacht wieder hellwach. Man erinnert sich an die Phase der Finanzkrise 2011, als Europa in höchster Sorge auf das Bel Paese blickte, und einige gar nicht ausschlossen, dass Italien der Staatsbankrott drohe, es "la fine della Grecia" nehmen könnte, enden, wo Griechenland angekommen ist. Finanzminister Padoan sagt nun, was er muss, auch um einzubremsen, was Zeitungen am Montag schreiben: "Panik an den Börsen." Der Finanzminister hat an alle die beruhigende Botschaft: "Wir sind gegen die Spekulation gewappnet. Es besteht keine Gefahr für das Staatsdefizit", Italien sei weit gesünder und robuster aufgestellt als damals, müsse nicht befürchten in den Sog eines griechischen Untergangs zu geraten.

Dennoch, an der Mailänder Börse sanken die Kurse, der "Spread" schob sich zurück ins Bild, der Zinszuschlag auf Staatsanleihen, der in Italien in den schlimmsten Phasen täglich Messgröße war für das Vertrauen der Märkte. Der Spread fiel seit Mario Montis Regierung und wurde auf erträglichem Niveau stabil. Am Montag schlug er ein aus, das triggerte Nervosität. Politisch ist Athens Drama ein Geschenk für die Europa- und Euro-feindliche Lega Nord, Der plumpprovokante Lega-Chef Matteo Salvini wurde gerade in einer Umfrage von 36 Prozent für vertrauenswürdig erklärt. Das ist fast so viel wie der sozialdemokratische Premier Matteo Renzi erhielt. Der hat damit seit den Europawahlen fast die Hälfte der Prozente verloren. Hingegen profitiert von dem schwierigen Moment Europas auch Euro-Gegner Beppe Grillo mit der Fünf-Sterne-Bewegung. Um ökonomische Folgen eines Grexit in Italien sorgen sich deshalb viele weniger als um politischen Folgen.

Andrea Bachstein

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Portugal

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Quelle: SZ

Das Regierungskommuniqué war landestypisch nüchtern: Die Griechen seien Verpflichtungen eingegangen, die auch für das Kabinett Tsipras gälten. Dass der kaum auf Unterstützung Lissabons hoffen kann, hat die Mitte-rechts-Regierung wiederholt klar gemacht. Premier Pedro Passos Coelho widersprach Anfang 2015 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, als der erklärte, viele Menschen empfänden die Reformanstrengungen als ungerecht. Jedes Land habe seine Lage selbst zu verantworten, so Coelho. Tsipras warf den Portugiesen vor, sich mit Spaniern und Deutschen verschworen zu haben, um die Griechen ins Elend zu stürzen - und erntete Hohn und Spott der Lissabonner Presse. Das Land wurde vor vier Jahren mit einem 78-Milliarden-Kredit von IWF, EZB und EU gerettet. Das von den Kreditgebern verlangte Sparprogramm schlägt an: Portugal hat die Rezession überwunden, die Arbeitslosigkeit sinkt, anders als in Spanien entstand keine starke linksalternative Opposition. Wohl befürchtet man nun in Lissabon, Finanzspekulanten könnte nach einem Grexit auf das kleine Land in Europas Südwestecke stürzen.

Thomas Urban

© SZ/jasch
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