Schuldenkrise:Schäuble und Asmussen streiten über Bankenabwicklung

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Widersacher unter sich: Asmussen und Schäuble in Vilnius. (Foto: Valda Kalnina/dpa)

Der Finanzminister und der EZB-Direktor stören die wohlige Ruhe im Euro-Raum: Ihr Dissens darüber, wer künftig marode Institute abwickelt, könnte die dringend benötigte Bankenunion verzögern.

Von Cerstin Gammelin, Vilnius

Die deutschen Wahlen haben die Euro-Zone zu einer Wohlfühl-Zone gemacht. Keine Regierung bittet um Milliarden (Slowenien denkt mindestens noch im Oktober darüber nach), aus akuten Krisengebieten dringen keine schlechten Nachrichten (die Troika-Missionen nach Portugal und Griechenland sind verschoben), sogar Wachstum wird ausgemacht (freilich, ohne dass griechische Daten berücksichtigt sind).

So angenehm ruhig war es bis Freitagnachmittag, als der deutsche Wahlkampf unerwartet in die litauische Hauptstadt Vilnius schwappte, wo die Finanzminister der Euro-Länder zusammen saßen. Dort widersprach Euro-Politiker und SPD-Mann Jörg Asmussen einem der mächtigsten Bundespolitiker - dem Christdemokraten und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es ging um das Prestigeprojekt der Euro-Länder, die Bankenunion. Gerade hat das Europaparlament die gesetzlichen Grundlagen der zentralen Bankenaufsicht beschlossen, die ab Herbst 2014 von der Europäische Zentralbank (EZB) übernommen werden soll. "Der größte Integrationsschritt der Europäer seit Einführung der Währung", fand EZB-Direktor Asmussen. Große Worte.

Das dürfte Schäuble ähnlich sehen. Denn tatsächlich verlieren die nationalen Aufseher zugunsten der EZB deutlich an Einfluss. Wenn es aber um die Abwicklung maroder Banken geht, bestehen zwischen den beiden mächtigen Finanzpolitikern handfeste Interessenkonflikte. Bundespolitiker Schäuble will, dass nationale Aufseher nicht zu viel Macht verlieren. Euro-Politiker Asmussen will, dass die Europäische Zentralbank ein mächtiger Aufseher wird. Es geht schließlich auch um das Image der Notenbank, die in den vergangenen Jahren die gemeinsame Währung mehrmals retten musste.

Kein Wunder also, dass die Frage, wer die finale Entscheidung trifft, ob eine marode Bank geschlossen und abgewickelt werden soll, heiß umstritten ist. In dem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission soll dies die Behörde selbst sein, freilich erst nach zahlreichen Konsultationen und Zwischenentscheidungen. CDU-Mann Schäuble sperrt sich dagegen und macht - ganz Jurist - auch rechtliche Bedenken geltend. Dass die EU-Kommission den Daumen heben oder senken soll über eine Bank, das sei durch die EU-Verträge nicht gedeckt, wiederholte Schäuble bei seiner Ankunft im Kongresszentrum von Vilnius. Ohne eine begrenzte Vertragsänderung könnten die Kompetenzen für solche Entscheidungen nicht auf Brüssel verlagert werden. "Die Letztentscheidung muss, solange wir keine andere vertragliche Grundlage haben, in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten sein", sagte Schäuble.

Drei Stunden später nutzt SPD-Mann Asmussen die Pressekonferenz, um zu erklären, dass die Juristen der Zentralbank ebenso wie diejenigen der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates der Auffassung sind, dass die EU-Verträge "eine solide und robuste Basis" für die vorgesehenen Entscheidungsmechanismen bei der Abwicklung kranker Banken seien. Das bedeutet konkret: 25 Länder und drei europäische Institutionen sind anderer Meinung als drei Länder, nämlich Deutschland, Großbritannien und Schweden.

Der Dissens hat das Zeug, die Einführung des dringend nötigen europaweit einheitlichen Schemas zu Abwicklung kranker Banken zu verzögern. Auf die Frage, was denn Schäuble zu Asmussens Ansicht sage, antwortete dieser: "Ich habe mit meinem früheren Chef noch nicht darüber gesprochen". Asmussen diente vor seiner Beförderung ins Direktorium der EZB sowohl Peer Steinbrück (SPD) als auch Schäuble als Finanzstaatssekretär.

Bisher ist geplant, dass das Schema für die Abwicklung nicht mehr geschäftsfähiger Banken ab Januar 2015 gilt. Das wäre nur kurz nachdem die Europäischen Zentralbank ihre neue Aufgabe als Aufseher über die 130 größten Banken der Euro-Zone übernimmt. Für die EZB-Aufseher ist es wichtig, dass es dann auch den Abwicklungsmechanismus nebst einem Geldtopf gibt, aus dem die Kosten für die Schließung bezahlt werden können.

"Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Asmussen. "Jetzt können und sollten wir bei diesem Schlüsselelement vorankommen". Er deutete zugleich an, dass der Euro-Rettungsfonds ESM notfalls dem zentralen Abwicklungsfonds aushelfen kann, solange der noch nicht vollständig gefüllt ist, zugleich aber Geld gebraucht wird. In der geplanten Übergangszeit von zehn Jahren könnte der ESM dem Fonds Geld leihen, dieses müsse zurückgezahlt werden, wenn der Fonds gefüllt sei. Die Abstimmungen über den Mechanismus und den Fonds zur Bankenabwicklung und über ein Sicherungssystem für Spareinlagen sollen Ende 2013 abgeschlossen sein.

© SZ vom 14.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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